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Interview

19.05.18

„Von mir aus kann es morgen wieder losgehen!“

Lotto King Karl spricht im HSV.de-Interview über die Tage danach, den neuen HSV und über die Zukunft von „Hamburg, meine Perle“.

Auch für ihn waren es keine leichten Momente. Lotto King Karl stand im Innenraum des Volksparkstadions und bekam hautnah mit, wie die Spieler weinten, die Fans sangen und sich ein Verein verabschiedete – der HSV war abgestiegen. Am Samstag, den 12. Mai um 17.35 Uhr. Eine Woche später fällt der Gedanke daran vielen HSVern immer noch schwer. Lotto selbst ist über diesen Punkt bereits hinweg. Warum er recht positiv auf den HSV, die aktuelle Lage und die neue Saison blickt, erklärt er im HSV.de-Interview.

 

Lotto, heute vor einer Woche wurde der erste Bundesliga-Abstieg des HSV besiegelt. Wie fühlt es sich für dich mit ein paar Tagen Abstand an?

Lotto King Karl: Es ist okay. Der Abstieg kam ja nicht komplett überraschend, man konnte sich eine Zeit lang darauf einstellen. Das hat vielleicht die Härte des Aufschlags etwas gemindert. Und es geht ja nun mal auch weiter. Am Sonntagmorgen habe ich mich sogar dabei ertappt, dass ich nach dem Aufwachen dachte: Ah, die Sonne scheint, geiler Tag! Und dann kam die Erkenntnis: Ach nee, doch nicht, da war ja was… Trotzdem, auch wenn das jetzt natürlich weh getan hat, haben wir alle so viel mit dem HSV erlebt, haben so tolle Erinnerungen gesammelt. Ich habe es jedenfalls auch in dem Moment nicht eine Sekunde lang bereut, HSV-Fan geworden zu sein.

Zumal sich ja in den letzten Wochen trotz des Abstiegs auch viel Positives entwickelt hat.

Ja, die Mannschaft hat unter Christian Titz eine tolle Entwicklung hingelegt. Viele junge Leute, mutige Auftritte, schöne Spiele. Eine deutlich verbesserte Präsentation, von der sich auch die Leute haben mitreißen lassen. Das hat man auch beim letzten Spiel gespürt, die Stimmung im Stadion war ja maßgeblich beeinflusst von den letzten Wochen.

"Es war bewegend, wie die Fans ihre Mannschaft und ihren Verein gefeiert haben"

Und dann kam irgendwann der Abpfiff…

Es war schon vorher bewegend, wie die Fans ihre Mannschaft und ihren Verein gefeiert haben, als die Ergebnisse aus Wolfsburg durchsickerten und klar wurde, dass es jetzt tatsächlich passieren würde: der erste Abstieg des HSV, eigentlich unglaublich. Und trotzdem sind die Leute direkt nach Abpfiff aufgestanden. Und auch wie sie sich gegen die Pyro-Jungs gestellt haben, das war schon ein starker Augenblick.

Wie hast du die Vorfälle unten im Innenraum wahrgenommen?

Ich habe es in allererster Linie einfach nicht verstanden. Man kann ja über das Thema Pyro gern diskutieren, aber die Diskussion endet in dem Moment, in dem man Pyro dazu benutzt, um ein Fußballspiel abzubrechen. Und um nichts anderes ging es in diesem Moment. Dass da aufgrund des zu dem Zeitpunkt feststehenden Abstiegs Frust und Enttäuschung vorhanden sind, das ist ja noch zu erklären. Aber ich bin Fußball-Fan, ich gehe ins Stadion, weil ich Fußball sehen und erleben möchte. Und dann Pyro einzusetzen, um ein Fußballspiel zum Abbruch zu bringen, das ergibt für mich gar keinen Sinn. Abgesehen davon, dass es natürlich unglaublich gefährlich ist. Ich bin vor einigen Jahren selbst von solch einem Ding getroffen worden, das sind schon heftige Schmerzen. Deshalb: Die Aktion war total daneben, aber die Reaktion des Publikums war dafür umso besser.

Stark war auch die Reaktion nach dem Abpfiff. Wie hast du diesen Augenblick empfunden?

Ich kann mich erinnern, dass ich vor einigen Jahren bei uns auf der Leinwand die Bilder von den Abstiegen des 1. FC Köln und von Hertha BSC gesehen habe. Damals dachte ich: Oha, von den Faktoren Vereinsgröße und -tradition könnten das auch wir sein, und das jetzt abmoderieren zu müssen, das ist sicherlich hart. Und nun war es dann tatsächlich soweit. Doch dann kam dieses für mich unglaublich starke Signal, als Christian Titz direkt seine Mannschaft zusammenholte, die Spieler einen Kreis bildeten und der Trainer – in der Mitte stehend – sie einschwor. Und das im traurigsten Moment der Vereinsgeschichte, und auch noch unter großem Applaus der Fans. Da dachte ich: Okay, das ist jetzt die Stunde null und unsere Zukunft beginnt genau jetzt!

"Dann kam dieses starke Signal von Christian Titz und ich dachte: Okay, das ist jetzt die Stunde null und unsere Zukunft beginnt genau jetzt!"

Hattest du das Gefühl, dass viele HSVer diesen Augenblick so empfunden haben?

Ja, absolut. Denn das war so sonnenklar, was in diesen Minuten unten auf dem Rasen und auch auf den Rängen passiert ist. Diese Interaktion zwischen Mannschaft, Trainer und Publikum, das war ein großartiges Signal von allen. Du kannst diesen Moment nicht besser machen, als es dort der Fall war. Das gibt auf jeden Fall viel Kraft und Mut für die Zukunft.

Wird sich denn dein Song „Hamburg, meine Perle“ zukünftig verändern? Oder bleibt der auch in der 2. Liga wie er ist?

Ich hatte mir tatsächlich mal eine Pro- und Contra-Liste aufgeschrieben, kam dann aber recht schnell zu der Überzeugung, dass der Song so bleiben muss wie er ist. Es sind insgesamt 15 Vereins- und Ländermannschaften, die in dem Lied erwähnt werden und Eckpunkte des Hamburger Fußballs bilden – unter anderem Spiele gegen Juventus Turin und ein Endspiel in Athen. Das hat ja mit Bundesliga nichts zu tun. Das wurde damals dann aufgefüllt mit einigen der Mannschaften, die zu der Zeit in der 1. Liga spielten. Da hätte man dann ja theoretisch auch jedes Jahr eine neue Version aufnehmen müssen. Deshalb war ich froh, als auch der HSV darum bat, „Hamburg, meine Perle“ so zu lassen wie es ist. Mit der Begründung, das Lied stehe schließlich für sich. Ich finde auch, dass das nach nunmehr 18 Jahren so ist. Und so lange der Song dazu beiträgt, dass die Leute im Stadion Spaß haben, singe ich ihn gern weiter. Auch in der 2. Liga.

Was erwartet uns dort deiner Meinung nach?

Viele Vereine kennt man, es sind auch große Traditionsclubs dabei. Aber manche Vereine wie Heidenheim und Sandhausen sind komplettes Neuland, was ja aber auch spannend ist. Ich hoffe, dass wir uns in diese Liga schnell reinfinden. Ich habe immer auch recht viele Spiele in der 2. Liga verfolgt und finde schon, dass dort auch spielerische Stärken vorhanden sind. Es wird also alles andere als ein Selbstläufer. Aber ich habe großes Vertrauen in Christian Titz, er wird mit Kaderplaner Johannes Spors und dem baldigen Sportchef eine gute Mannschaft zusammenstellen, in der der Trainer wieder das Ganze und auch jeden einzelnen Spieler voranbringen wird. Und ich erwarte, dass wir den Stimmungsumschwung, den wir zuletzt erlebt haben, fortsetzen können. Das würde ich mir wirklich wünschen, denn ich habe das Gefühl, dass sich gerade von innen heraus ein neuer HSV bildet.

"Ich habe das Gefühl, dass sich gerade von innen heraus ein neuer HSV bildet"

Was genau meinst du?

Wir sind in den letzten Jahren über ausreichend eigentlich schon rote Ampeln gefahren, haben uns also immer wieder auf den letzten Drücker noch gerettet. Aber irgendwie haben wir trotzdem nicht die richtigen Lehren daraus gezogen. Gerade aber scheint dies der Fall zu sein und der Verein macht Dinge, die man sich schon seit Jahren gewünscht hat und total positiv aufgenommen werden. Wenn der Abstieg also das eine Opfer war, das wir für diesen Umschwung bringen mussten, dann war er am Ende nicht vergebens.

Trotzdem bedeutet er, dass der HSV erstmals nicht in der 1. Bundesliga dabei ist.

Ja, das haben wir uns alle nicht gewünscht. Und es mag auch sein, dass in der 2. Liga weniger Zuschauer kommen als in der 1. Liga. Aber ganz ehrlich: Ich bin und bleibe HSV-Fan, für mich persönlich macht es deshalb überhaupt keinen Unterschied, ob mein HSV in der 1. oder 2. Liga spielt. Wenn ich das immer höre: Jetzt müssen wir gegen Sandhausen spielen… Ja, stimmt! Und wenn Sandhausen in den letzten Jahren aufgestiegen wäre, dann hätten wir ja auch gegen sie gespielt. Und anstatt Nordderbys gegen Werder und Hannover spielen wir dann jetzt eben das Stadtderby. Alles nicht so schlimm. Ich glaube sogar, dass es eine richtig interessante Saison für uns wird. Von mir aus kann es jedenfalls gleich morgen wieder losgehen!