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Interview

16.01.19

"Im Kader steckt die Kombination aus Hunger und Erfahrung"

Im Interview mit HSV.de spricht Trainer Hannes Wolf über die Arbeit im Trainingslager, seinen Umgang mit den Spielern und die Besonderheit der Mannschaft.

Für Hannes Wolf ist das einwöchige Trainingslager in Spanien die erste Vorbereitung, die er beim HSV absolviert. Dementsprechend geht es bei ihm um noch viel mehr, als nur die taktischen Ausrichtungen aus der Hinrunde zu justieren und zu verfeinern, sondern auch um grundlegende Dinge. Wie der Cheftrainer die Arbeit in La Manga beurteilt, welche Philosophie er beim Umgang mit den Spielern verfolgt und welche Schritte er mit der Mannschaft gehen möchte, verrät er im Interview mit HSV.de.

Hannes Wolf, gut die Hälfte des einwöchigen Trainingslagers in La Manga ist vorbei. Wie sind bislang deine Eindrücke?

Hannes Wolf: Mit den Sachen, die wir bislang umgesetzt haben, bin ich zufrieden. In erster Linie ist es wichtig, dass wir viel und auch hart trainieren, ohne durchzudrehen. Die Jungs sollen gut durch die Belastungen kommen. Das hat im Großen und Ganzen bis hierhin gut geklappt. Es kommt eine schwere Rückrunde auf uns zu mit teilweise schnell aufeinander folgenden Spielen. Dafür wollen wir uns auf verschiedenen Ebenen die Substanz holen.

Du hast die Mannschaft innerhalb der Vorrunde übernommen. Das bedeutet, dass du die Spieler das erste Mal über einen längeren Zeitraum eng beisammen hast. Setzt du dadurch andere Schwerpunkte?

Auf jeden Fall. Wenn du innerhalb der Saison übernimmst, muss du sofort auf den Punkt kommen und mit jeder Information total aufpassen, damit du die Spieler nicht überfrachtest. Du musst ihnen helfen, die nächste Aufgabe gut zu machen. Da hilft es nicht, noch eine Besprechung zu machen und noch eine Information zu geben. Jetzt ist es ein bisschen anders. Du musst nicht ganz so vorsichtig sein. Natürlich musst du vorsichtig sein, dass sie sich nicht verletzten, aber wenn du sie zum Beispiel müde in ein Testspiel schickst, dann ist das nicht so schlimm. In einem Zweitligaspiel schon. Hier können wir richtig arbeiten und viel reinpacken, ohne etwas kaputt zu machen. 

Wir haben beobachtet, dass du auch zwischendurch den Kontakt zu den Spielern suchst. Wie wichtig ist es, dass man neben der Arbeit auf dem Platz auch die Menschen hinter den Spielern kennenlernt bzw. welchen Stellenwert räumst du diesem ein?

Meine Aufgabe ist es, mit den Jungs über Fußball zu reden. Ich gebe ihnen immer wieder kurzes Feedback und einen kleinen Input, woran wir noch arbeiten müssen. Dafür muss man nicht lange reden. Oft sind es Zwei-Minuten-Gespräche. Ich setze mich nicht hin und frage den ganzen Lebenslauf ab, wo wer aufgewachsen ist und was er abends am liebsten isst, sondern versuche beim Fußball zu bleiben. Meine Rolle ist klar definiert: Ich versuche, dass wir so oft es geht gewinnen und dass die Spieler besser werden.

Du hast einmal gesagt: „Fußball bleibt das Spiel der Spieler“. Beschreibt das auch deine Philosophie beim Umgang mit den Spielern?

Die Spieler betreiben das Spiel aus Räumen bzw. in einem taktischen Ablauf, den wir vorgeben. Du brauchst im Mannschaftssport Abläufe, die zueinander passen. Deswegen ist es meine Rolle bzw. meine Aufgabe, dass wir uns im taktischen Bereich gut aufstellen. Danach ist es das Spiel der Spieler. In welcher Qualität die Aufgaben ausgeführt und Situationen gelöst werden, oder über welchen Fuß gedreht wird, das macht jeder auf seine Art. Da darfst du dich nicht zu wichtig nehmen. Du kannst auf dem Niveau nicht jeden Schritt voraussagen, sondern musst ihnen helfen, dass sie ihre Top-Leistung auf den Platz bekommen.

Wie würdest du deine Rolle im Zusammenspiel zwischen Mannschaft und Trainer grundsätzlich beschreiben?

Dafür müssen wir uns ein paar Stunden unterhalten, weil Fußball ein sehr komplexes System ist und diese Rolle variiert. Manchmal musst du gut zureden, manchmal musst du den Widerstand oder den Anspruch hochlegen. Am Ende ist das aber sehr komplex, weil Spieler auch an unterschiedlichen Tagen unterschiedliche Ansprachen brauchen. Die unterschiedlichen Dinge musst du als Coach beherrschen und auf vieles reagieren, was passiert. Da kannst du auch nicht alles planen, sondern musst auf das reagieren, was dir die Menschen anbieten. 

Mit einem Altersdurchschnitt von 24 Jahren haben wir die jüngste Mannschaft aller Bundesligisten. An welchen Stellen merkt man das und was bieten dir unsere Spieler an?

Man merkt schon, dass wir eine junge Mannschaft haben. Das hat viele Vorteile. Die Jungs sind richtig hungrig, geben richtig Gas, haben eine gute Intensität und eine gute Haltung zum Training. Wir haben zum Glück auch Spieler, die schon Jahre auf diesem Niveau spielen und dadurch eine gewisse Ruhe in den Situationen haben und das technisch sauber lösen können. Diese Kombination zwischen Erfahrung und Hunger, der insgesamt in dem Kader steckt, die Bereitschaft zu arbeiten, die ist richtig gut.  

Was sind generell die nächsten Schritte, die du im Trainingslager mit der Mannschaft angehen möchtest?

Wir machen immer alles. Wir haben gestern zum Beispiel sehr technisch trainiert, machen heute auch noch einmal Abläufe ins letzte Drittel, Laufwege, Abschlüsse usw. Morgen geht es dann in Spielformen weiter. Sobald du Spielformen hast, hast du immer gleichzeitig die Offensive und die Defensive, und versuchst im Coaching den Schwerpunkt zu legen, weil du nicht über alles reden kannst. Wir können ja kein Fünf-gegen-Fünf spielen und alles darin coachen.

Für den gesamten Blick sind auch Testspiele da. Welche Erkenntnisse hast du dir aus der Partie gegen St. Gallen erhofft und welche bekommen?

Wir haben in diesem Spiel inhaltlich unser Repertoire erweitert, weil wir anders angelaufen sind und, wie es jeder gesehen hat, auch mit einer Dreierkette gespielt haben. Das bedeutet für uns, dass, wenn wir in der Rückrunde innerhalb von kurzer Zeit etwas systematisch ändern wollen, wir auch auf etwas zurückgreifen können. Wir haben jetzt Videobilder davon, und wir haben ein Gefühl von Stärken und Schwächen dieses Systems bekommen. Es sind leider die Schwächen vielmehr herausgekommen als die Stärken, weil dieses System offensiver ist. Du hast mehr Spieler vorne. Das bedeutet: Wenn du die ins Spiel bekommst, dann hast du riesen Vorteile, und wenn nicht, bist du hinten einer weniger und damit konteranfälliger.

Also ist das Ergebnis zweitrangig?

Es war sehr wichtig, das System zu sehen und zu fühlen. Wenn wir in der Rückrunde das Gefühl haben, dass es richtig ist, dann können wir das tun. Es ist jetzt einfacher, darauf zurückzugreifen. Es macht nichts, dass wir dieses Spiel nicht gewonnen haben. Wir haben unser Repertoire erweitert, hätten es aber gerne besser gemacht. Sobald Dinge nicht funktionieren, kommen alle mit dem Thema Systemumstellung. Wenn du einen Freistoß unter der Mauer unter durchkriegst, dann hat das aber nichts damit zu tun.

Wenn wir einen Blick auf die zweite Hälfte der 2. Liga werfen. Worauf wird es in den verbliebenen 16 Spielen vor allem ankommen?

Es wird viel auf uns zukommen. Wir müssen Substanz haben: athletisch, inhaltlich und taktisch. Wir müssen in den Momenten mit unserer Taktik gut sein. Wir brauchen aber vor allem unsere Spieler in Topform. Das ist entscheidend. Die Rückrunde ist immer schärfer als die Hinrunde. Die Spiele kommen schnell hintereinander und du kannst weniger Fehler ausbügeln. Wir können nicht sagen: ‚Das Spiel haben wir verloren, dann gewinnen wir eben nächste Woche‘. Du musst wirklich da sein. Darauf bereiten wir uns mit viel und hartem Training vor.

Dazu haben wir im Trainingslager noch ein Testspiel gegen Lugano. Geht es da schon zur Feinabstimmung für Sandhausen?

Nein. Wir haben die Verantwortung für eine Gruppe von 22 Feldspielern. Wir können nicht über Chancen reden, darüber, dass Training wichtig ist, dass jeder die Möglichkeit hat sich zu zeigen, und es dann nicht machen. Ich halte es für falsch, in dieser Phase eine A- und B-Elf zu machen. Jeder soll die Chance haben. Inhaltlich müssen wir wieder da hinkommen, was uns stark gemacht hat, an die gute Balance zwischen Offensive und Defensive. Wir hatten ja eine gute Serie bis auf das Spiel in Kiel.

Hat die Partie gegen Kiel noch einmal die Sinne geschärft?

Meine Sinne nicht, weil ich weiß, wie schwierig es in der 2. Liga ist. Vielleicht hat es in der Gesamtheit die Sinne bei den Menschen geschärft, aber wir hätten da gerne gewonnen. Wir haben den Respekt vor der Liga, auch die anderen Spiele waren eng, und wir wollen auf unser höchstes Niveau kommen, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass wir es schaffen. Das gehen wir jetzt an, denn bald ist das erste Spiel gegen Sandhausen, bei dem wir voll da sein wollen.