Trainingslager
10.07.18
"Nicht wie eine Schablone berechenbar sein"
Im Rahmen des Trainingslagers in Bad Erlach sprach HSV-Trainer Christian Titz über die taktische Einbindung der Spieler, den Härtetest gegen ZSKA Moskau und die Nähe zu den HSV-Fans.
Stolze 120 Minuten dauerte am Dienstagmorgen die vierte Trainingseinheit im Sommertrainingslager des HSV. Das Spiel gegen den Ball stand auf der Tagesliste und Cheftrainer Christian Titz war in seinem Element. Der detailversessene Fußballlehrer, der mehrere Bücher über die taktischen Elemente des Spiels veröffentlicht hat, positionierte seine Schützlinge immer wieder wie Schachfiguren auf die richtigen Felder des Spielbrettes. Wenn auch nur um wenige Meter eine Abweichung von der gewünschten Position zu sehen war, dann unterbrach der 47-Jährige lautstark die Übung und referierte über seine Idee des perfekten Anlaufverhaltens. Zusätzlich bat der gebürtige Mannheimer die Rothosen immer wieder ins unscheinbar aussehende "Taktik-Pavillon". Wo andere Schutz vor der schon am morgen knallenden Sonne gesucht hätten, ging Titz mit seiner Mannschaft in die direkte Videoanalyse. Schließlich gibt es wohl kein ehrlicheres und besseres Feedback als das eigene Spiegelbild. Viele Unterbrechungen und eine anspruchsvolle Spielidee mögen für manchen Fußballer auf dem ersten Blick abschreckend wirken, doch Titz versteht die taktischen Vorgaben keinesfalls als Einbahnstraße. Vielmehr setzt er auf ein ausgeglichenes Verhältnis aus Vorgabe und Freiraum, wie er im Anschluss an die heutige Trainingseinheit in einer Presserunde erklärte.
Im Detail sprach der HSV-Trainer über ...
... die taktische Einbindung der Spieler: Ich mache es schon seit Jahren so, dass ich Spieler bei taktischen Elementen wie zum Beispiel den Standards aktiv in Form von Gruppenarbeiten einbinde. Das ist super interessant, weil die Spieler echt gute Ideen einbringen. Außerdem wollen sie ihre Ausarbeitung unbedingt erfolgreich umsetzen. Die Spieler haben zu Beginn des Trainingslagers die Aufgabe bekommen, sich taktisch mit unserem Spiel zu beschäftigen und am Nachmittag werden sie ihre Ergebnisse vor der Mannschaft vortragen. Die Idee ist, dass die Spieler zu 50 Prozent komplett frei sind. Die Hälfte unsere Grundidee gegen und mit den Ball ist vorgegeben und die andere Hälfte ist ein freies Entscheidungsverhalten. Je sicherer die Spieler in unserem System sind, desto stärker können sie ihren Freigeist einbringen. Die Freigeister und ihre Überraschungsmomente in Form von Dribblings und Laufwegen sind wichtig, weil man nicht wie eine Schablone berechenbar sein will.
... die Personalsituation: Douglas Santos hat eine leichte Reizung des Hüftbeugers und Josha Vagnoman eine leichte Bänderdehnung im Sprunggelenk. Bei beiden sind es keine schlimmen Verletzungen, aber wir wollen die kommende Nacht noch abwarten und dann entscheiden, ob sie für das morgige Testspiel eine Option sind. Bakery Jatta wird voraussichtlich morgen wieder einsatzbereit sein und Julian Pollersbeck soll am Freitag wieder ins Teamtraining einsteigen. Aaron Hunt hat in der Tiefenmuskulatur unterhalb des Adduktorenbereiches Probleme und da muss man immer vorsichtig sein, dass nichts passiert. Vielleicht wird er auch erst zu Beginn der nächsten Woche mit dem Team trainieren können. Die Ausfälle beeinflussen aber insgesamt nicht unsere Trainingsarbeit. Wir haben extra eine große Kadergruppe und sind konsequent darin, keine Risiken einzugehen.
... das Testspiel gegen Moskau: Wir haben eine gute Mannschaft ausgewählt, die eine gute Spielstärke hat. Für uns ist das gut, weil wir hoffentlich auf einen Gegner treffen, der uns unter Druck setzen wird und uns damit in den Prozess unserer Spielaufbauvarianten hineinbringt. Wir wollen viele unserer einstudierten Dinge umsetzen, was aber keinesfalls heißen soll, dass das Ergebnis egal ist. Grundsätzlich mag ich es nicht zu verlieren. Wenn Niederlagen vermehrt stattfinden, dann wirkt sich das negativ aufs Selbstbewusstsein aus. Deshalb wollen wir natürlich gewinnen, auch wenn uns klar ist, dass wir mit dem russischen Meister auf ein echt hohes Kaliber treffen. Unabhängig von den fehlenden Nationalspielern besitzt Moskau eine hohe Qualität.
... die Nähe zu den Fans: Wir wollen gern eine Mannschaft und ein Verein zum Anfassen sein. Ich habe schon einmal gesagt, dass ich der Meinung bin, dass Fußball für alle Menschen ist und eine Verbindung zu den Leuten entstehen muss, wenn wir trainieren. Die Leute kommen, weil sie ihre Mannschaft sehen wollen und da sollte es das Normalste der Welt sein, dass Spieler und Zuschauer aufeinander zugehen. Das kann für uns ein riesiges Pfund sein. Man hat in den letzten Spielen der Vorsaison gesehen, dass wir einen guten Schulterschluss mit den Fans haben. Wir versuchen das konsequent weiterzubehalten. Ich muss diese Haltung dabei nicht bei den Spielern einfordern, sondern das Bestreben kommt selbst aus der Mannschaft heraus.