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Verein

04.11.16

Uwe Seeler: Nur der HSV!

Am kommenden Samstag feiert HSV-Legende Uwe Seeler seinen 80. Geburtstag. Zu diesem Anlass erscheint eine ganz besondere Ausgabe der HSVLIVE, die sich auf 116 Seiten dem Leben des besten HSVers aller Zeiten widmet. HSV.de veröffentlicht vorab Auszüge aus dem Heft.

Wenn ein Uwe Seeler 80 wird, dann legt er diesen besonderen Tag natürlich ganz standesgemäß auf einen Heimspieltag. Ehrensache! Und so wird Uns Uwe am Samstag, den 5. November seinen Geburtstag im Volksparkstadion verbringen, wenn sein HSV am 10. Bundesliga-Spieltag vor ausverkauftem Haus gegen den BVB antritt. Es wird die wohl größte Geburtstagsfeier, die Uwe je hatte…  Dabei mag er es eigentlich kleiner. Und bescheidener. Entsprechend wird auch nur der ganz enge Kreis um ihn herum sein. Vormittags zu Hause, nachmittags dann im Volksparkstadion, einem seiner insgesamt drei Wohnzimmer. Aber – und das ist das Entscheidende – Uwe wird diesen für ihn so besonderen Tag dort verbringen, wo und worum sich sein ganzes Leben abspielt: bei seinem HSV.

 

Fußball in die Wiege gelegt

Uwe Seeler ist HSV. Und der HSV ist Uwe Seeler. Es ist eine Verbindung, wie es sie nur höchstselten gibt. Und im Grunde feiert auch sie ihren 80. Jahrestag, denn den HSV bekam der kleine Uwe schon in die Wiege gelegt. Sein Vater Erwin, von allen nur liebevoll „Vadder“ oder später auch „Old Erwin“ genannt, war eine Ikone des Arbeiterfußballs, spielte später in den 30er- und 40er Jahren für den HSV erstklassig und war eine absolute Hamburger Fußballgröße. Uwe wuchs damit auf, wurde damit groß. Und wurde ein Teil davon. Ganz selbstverständlich und natürlich. So schleppte Uwe, der lütte Butscher, für die Mannschaft seines Vaters die Kisten und Kübel, half hier mit, unterstütze dort. Und reifte im Laufe der Jahre ganz nebenbei und an der Seite seines Bruders und späteren Mannschaftskameraden Dieter zum besten und erfolgreichsten Kicker der berühmten Seeler-Familie. Mutter Anni wusste dies damals schon. Zumindest ahnte sie es. Als sie einst bei einem Jugendspiel ihres älteren Sohnes Dieter auf dessen ja sicherlich vom Vadder Erwin geerbte Talent angesprochen wurde, sagte sie: „Ich habe davon noch einen zu Hause, den sollten Sie mal sehen. Der ist der kleinste, aber der wird mal größer als alle anderen.“ Und auch Vater Erwin war sich sicher: „Dat ward mol een ganz Groten!“

Old Erwin meldete seinen Sohn am 1. April 1946 beim HSV an. Mit der Mitgliedsnummer 1725 rannte und rackerte der kleine Uwe nun also im Nachwuchs des HSV, unter dem damaligen großen Jugendförderer Günter Mahlmann. „Der hatte alles im Griff“, erinnert sich Uwe Seeler noch heute gern, „uns Jungs, die Eltern, die Jugendarbeit. Herrn Mahlmann haben wir alles zu verdanken.“ Im Notfall gab’s auch mal was auf die Hörner, wenn der Uwe mal wieder lieber mit den Kumpels auf der Straße kicken wollte anstatt mit dem Fahrrad von Eppendorf nach Norderstedt zum HSV-Training zu radeln. „Hat mir nicht geschadet“, sagt Uwe heute. Günter Mahlmann hat einen besonderen Platz in seinem Herzen.

Drei Wohnzimmer

In dieser Zeit lernte Uwe Seeler sein erstes Wohnzimmer kennen. Auf der Paul-Hauenschild-Sportanlage in Norderstedt verbrachte er große Teile seiner Jugend. „Es gab zehn Rasenplätze, die Bedingungen waren einfach hervorragend“, denkt Uwe mit Freude zurück, „ich hatte ja vorher noch meine Fallrückzieher auf den Straßen Eppendorfs und den Trümmergrundstücken gemacht.“ In Ochsenzoll, wie die Sportanlage des HSV in Norderstedt genannt wurde und auch heute noch genannt wird, lernte Uwe auch seine beim HSV Handball als Torfrau spielende Ilka kennen und baute nach der Hochzeit im Jahre 1959 mit ihr direkt an den Trainingsplätzen das Haus, in dem sie noch heute wohnen. „Hier ist unser Zuhause“, sagt Ilka, hier leben sie seit 57 Jahren, hier wuchsen die drei Töchter Frauke, Kerstin und Helle auf. Zu der Zeit eroberte ihr Papa sein zweites Wohnzimmer im Sturm: den Hamburger Rothenbaum.

Vadder Erwin spielte hier bereits, Uwe schaute vom Spielfeldrand zu, und sollte nun mit nur 17 Jahren und dank einer Sondergenehmigung in dessen Fußstapfen treten und sein erstes Pflichtspiel für die Ligamannschaft bestreiten. Es wurde eine Demonstration, denn gegen den Nordrivalen Holstein Kiel erzielte der junge Uwe direkt einen Viererpack. Vier Tore im ersten Herrenspiel in Deutschlands höchster Spielklasse – dieser wunderbare Kerl war ein Wunderknabe. Uwe Seeler war nun endgültig ganz oben beim HSV angekommen und feierte in seinem Rothenbaum-Wohnzimmer Erfolg um Erfolg – genau wie ab 1963 im Volksparkstadion, das die Rothosen auch schon zuvor für ihre Endrunden-Spiele um die Deutsche Meisterschaft oder internationale Auftritte genutzt hatten und in das der HSV im Zuge der Bundesliga-Einführung endgültig umzog. Es wurde Uwe Seelers drittes Wohnzimmer, in dem er endgültig zu einem weltweit gefeierten Fußballhelden wurde. Erster Bundesliga-Torschützenkönig, erster Fußballer des Jahres, kurzum: Uwe Seeler wurde der erste Superstar der neugegründeten Fußball-Bundesliga.

Das große Angebot aus Mailand

Zu diesem Zeitpunkt war Uns Uwe bei den Anhängern des HSV und auch bei allen Fußball-Fans deutschlandweit bereits der ganz große Liebling, was unter anderem seinen Ursprung bereits zwei Jahre zuvor hatte, als der italienische Superclub Inter Mailand heftigst und finanzstark um Uwe warb, dieser sich aber für den Verbleib in Hamburg und beim HSV entschied. Inwieweit der offene Brief des Hamburger Pastors Thielicke ihn beeinflusste, wissen wir nicht, wohl aber, dass dieser Brief, dieser Appell, sehr wohl ausdrückte, was die Menschen angesichts des drohenden Verlustes ihres Idols bewegte. Und wenn man mal etwas genauer liest und die Zeilen, geschrieben vor immerhin 55 Jahren, etwas wirken lässt, so muss man gestehen, dass Pastor Thielicke mit seinen Visionen grundsätzlich nicht so ganz falsch lag. Uwe Seeler aber blieb Hamburger und HSVer und seinem Verein treu. Einmal HSV, immer HSV. Nur der HSV!

Obwohl, so ganz stimmt das nicht. Denn es gab 1978 ein kleines und in dieser Form nicht gewolltes Gastspiel bei einem anderen Club. Seeler war zu diesem Zeitpunkt bereits 42 Jahre alt und seit sechs Jahren Fußballrentner, nachdem ihn ‘72 zu seinem legendären Abschiedsspiel in seinem Volksparkstadion die weltgrößten Fußballer besucht hatten: Franz Beckenbauer, Gerd Müller, Eusebio, Gordon Banks, Bobby Moore, Bobby Charlton, George Best und 71.000 Zuschauer verabschiedeten ihren Uwe, „Uns Uwe“, der sich fortan auf seine Aufgabe bei Adidas konzentrierte. In diesem Zuge bat man Seeler anno 1978, ein Benefizspiel in Irland zu spielen, für den Cork Celtic FC, Gegner war der zehnmalige Meister Shamrock Rovers. Seeler sagte zu, zumal auch sein ehemaliger Mitspieler und jetziger Adidas-Arbeitskollege Franz-Josef „Bubi“ Hönig dabei war und es ja vermeintlich für die gute Sache sein sollte. Doch als das Spiel am 23. April 1978 angepfiffen wurde, ging es gleich richtig zur Sache – es gab auf die Socken, und zwar nicht zu knapp, und so dämmerte es Seeler, dass hier wohl eine Verwechslung vorlag, wie sich später bestätigte. Denn Uwe, der Ur-HSVer, der nie für einen anderen Verein hatte spielen wollen, machte da bei keinem Benefizspiel mit, das hier war Abstiegskampf, das hier war die erste irische Liga. „Ich war ziemlich überrascht“, erinnert sich Uwe, „ich wusste ja nicht, dass ich mit einer Gastspielgenehmigung dabei war, sowas gab es damals in Irland.“ Und so machte Uwe Seeler tatsächlich im Alter von 42 Jahren und ohne sein Wissen oder Zutun ein Pflichtspiel für einen anderen Club als den HSV. Und weil er nun schon mal mittendrin war, machte er es dann eben auch richtig. Und erzielte zwei Tore.

Immer weiter HSV! 

Den anschließenden Avancen von der Insel, ihn fest für Cork verpflichten zu wollen, widerstand Seeler selbstverständlich, vielmehr notierte er das große Interesse an seinen Diensten mit einem Lächeln und der schönen Erkenntnis: Der alte Mann konnte es also noch immer. Dennoch konzentrierte er sich fortan weiter auf seinen Adidas-Job. Und auf seinen HSV natürlich, diese Liebe ließ ihn nie los. Und machte ihn mitunter auch blind. Nur so kann sich Uwe Seeler heute erklären, dass er sich 1995 gegen den Rat seiner Frau und gegen sein eigenes Gefühl überreden ließ, das Amt des HSV-Präsidenten auszufüllen. Dieser Job, das war er nicht, das war nicht Uwe. Eigentlich war es ihm schon vorher klar, aber hey – es ging um seinen HSV. Doch das mulmige Gefühl bestätigte sich, es passte einfach nicht. Und dennoch bleibt hängen, dass Uwe Seeler mit seinen Mitstreitern in einer für den Verein extrem schwierigen Zeit eines der wichtigsten HSV-Projekte auf den Weg gebracht, angeschubst und vorangetrieben hat: den Stadionneubau. 

Im neuen Volksparkstadion, das ab 1998 zu dem Stadion umgebaut wurde, das wir heute kennen, verpasst Uwe Seeler bis heute kaum ein Heimspiel. Und so schließt sich der Kreis, wenn Uns Uwe an diesem 5. November in seinem Stadion, einem seiner drei Wohnzimmer, seinen 80. Geburtstag feiert. Für Uwe Seeler gibt es eben immer nur den HSV. 

 

Dieser Artikel entstammt der November-Ausgabe der HSVlive, die es hier zu lesen gibt.