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Verein

05.09.17

„Wir stehen in vielen Bereichen ein ganzes Stück besser da“

Der Aufsichtsratsvorsitzende Andreas C. Peters spricht im Interview bei HSV.de über die Wahrnehmung und Entwicklung des Clubs sowie die Arbeit des Vorstandes. Für die Zukunft kündigt er einen Wechsel an der Spitze des Kontrollgremiums an.

HSV.de: Nach rund neun Jahren als Ehrenratsvorsitzender und zweieinhalb Jahren im Beirat des e.V. haben Sie im Februar 2017 den Vorsitz des Aufsichtsrates der HSV Fußball AG übernommen. Welche Eindrücke haben Sie gewonnen und wie beurteilen Sie die Entwicklung des HSV?

Andreas C. Peters: Entgegen mancher Wahrnehmung von außen sind meine internen Eindrücke durchaus positiv. Die öffentliche Darstellung scheint mir zuweilen zu polarisierend und unreflektiert negativ. Überzogene Kritik am HSV hat eine gewisse Popularität bekommen. Dies ist in Teilen sicher nicht unverschuldet und wir sind selbst dafür verantwortlich, dem durch unser tägliches Handeln entgegenzusteuern. Bei einer differenzierten Betrachtung stehen wir in vielen Bereichen allerdings schon heute ein ganzes Stück besser da, als es den Anschein haben mag.

Was meinen Sie damit konkret?

Aus dem Verein kommend, möchte ich eingangs auch diesen kurz in die Betrachtung mit einbeziehen. Der e.V. als historische Heimat und Mutterverein der Fußball AG steht heute finanziell und organisatorisch äußerst solide auf eigenen Beinen. Verbliebene Altlasten wurden vom Präsidium nach der Ausgliederung aufgeräumt und professionelle Strukturen in die Verwaltung eingezogen. Der HSV wächst. Wir verzeichnen bei den sportlich Aktiven wie bei den Förderern kontinuierlichen Zuwachs und können wohl bald das 77.000. Mitglied begrüßen. Die mehr als 30 Sportabteilungen und der Spitzensport, zuletzt allen voran Beach-Volleyball, feiern Siege und Meisterschaften im Zeichen der Raute. Eine Erfolgsgeschichte.

Wie sehen Sie parallel dazu die Entwicklung der Fußball AG?

Es liegt auf der Hand, dass sich im Bereich des ausgegliederten Geschäftsbereichs Bundesligafußball unsere Wünsche und Erwartungen noch nicht erfüllt haben. Wesentlichste Messlatte für die Beurteilung des HSV ist und bleibt das Abschneiden unserer Mannschaft, welches zugleich den größten finanziellen Einfluss hat. Im positiven Fall kann der Tabellenplatz manch anderes Defizit kaschieren. In unserem Falle überlagert der Blick auf die Tabelle zuweilen den Fortschritt in anderen Bereichen. Auch hier plädiere ich daher für eine differenzierte Betrachtung. 

Im Bereich Sport waren die Ergebnisse der letzten Jahre fraglos alles andere als zufriedenstellend. Die bewusst zur Durchbrechung des sportlichen Misserfolgs getätigten Investitionen der vergangenen Jahre haben ihre Wirkung verfehlt und wir müssen es schon als Erfolg der aktuell Verantwortlichen bezeichnen, dass der HSV in dieser Saison in der 1. Bundesliga spielt. 

Gleichwohl ist die Geschichte vom angeblichen „Chaos-Club“ bereits zurecht der Märchenwelt zugeordnet worden. Tatsächlich wurden Organisation und Prozesse in allen Bereichen der Fußball AG während der letzten Jahre vom Vorstand deutlich professionalisiert. Auf der zweiten Führungsebene unterhalb des Vorstandes haben wir zudem ein hoch motiviertes und kompetentes Team, das die unterschiedlichen Geschäftsbereiche mit großem Engagement voranbringt. Richtig ist zwar, dass die Fußball AG nach wie vor eine nicht unerhebliche Schuldenlast trägt. Dennoch sollte nicht außer Betracht bleiben, dass sich der HSV in den vergangenen Jahren insbesondere durch die Aufnahme von Eigenkapital und die Platzierung der langfristigen Anleihe zur Umstrukturierung der Stadionfinanzierung eine ausgewogene Finanzierungsstruktur geschaffen hat. Dies hat es u.a. auch ermöglicht, nochmals in die Infrastruktur innerhalb und außerhalb des Stadions zu investieren. 

Auch bei unseren Partnern sehen wir Kontinuität. Emirates als Hauptsponsor etwa ist uns seit 2006 verbunden. Mit Ausrüster adidas kooperieren wir seit zehn Jahren. Zuletzt hat die Hinzugewinnung von Popp Feinkost als Ärmelsponsor gezeigt, dass der HSV weiterhin ein hoch attraktiver Sport-Business-Partner ist.

"Worum es mir geht, ist eine Versachlichung von Beurteilungen und Diskussionen innerhalb und außerhalb des HSV"

Hervorheben möchte ich an dieser Stelle weiterhin noch einmal, mit welcher positiven, vereinstreuen und disziplinierten Weise die Menschen und Fans rund um den HSV mit den Misserfolgen der letzten Jahre umgegangen sind. Auf die steigenden Mitgliederzahlen hatte ich bereits hingewiesen. Aber auch das Stadion bleibt mit einer konstanten Fanbasis von durchschnittlich mehr als 52.000 Zuschauern gut besucht und im Pay-TV zählt der HSV nach wie vor zu den Quotenbringern. Im Abstiegskampf wurde die Mannschaft stets uneingeschränkt unterstützt und der einzige Platzsturm, den wir in Hamburg erlebt haben, war die hochemotionale Nichtabstiegsfeier am letzten Spieltag.

Und schließlich noch einmal zum Sport: Als einer der wesentlichsten Faktoren für künftigen sportlichen Erfolg identifiziert und deutlich vorangetrieben wurde parallel zum Bundesligafußball insbesondere die Nachwuchsförderung. Mit der Eröffnung der Alexander-Otto-Akademie auf dem HSV-Campus im Juni dieses Jahres ist uns hier ein Meilenstein gelungen. Die aktuellen Ergebnisse der U21 und der weiteren Nachwuchsmannschaften deuten darauf hin, dass auch die Konzeption und Arbeit der letzten Jahre Früchte tragen wird.

Das klingt, als sei nahezu alles im grünen Bereich.

Peters: Keineswegs. Es gibt eine Reihe von Defiziten, an denen gearbeitet werden muss und ich möchte auch nichts schönreden. Worum es mir geht, ist eine Versachlichung von Beurteilungen und Diskussionen innerhalb und außerhalb des HSV. Intern sparen wir nicht an Kritik und wer von außerhalb einen positiven Beitrag leisten oder konstruktive Kritik äußern möchte, den lade ich gerne ein, mich oder andere Verantwortliche jetzt und heute anzusprechen. Undifferenzierte und öffentliche Kritik ist aus meiner Sicht jedoch nicht geeignet, einen solchen positiven Beitrag zu leisten.

Kommen wir zum Bundesligakader: Die Transferperiode ist vorbei, die Länderspielpause neigt sich dem Ende zu. Wie bewerten Sie als Aufsichtsratsvorsitzender das Transferverhalten dieses Sommers?

Frühzeitig klar und zwischen Vorstand und Aufsichtsrat schon im Winter vereinbart war, dass wir unsere Kaderkosten reduzieren wollen. Es ist hinlänglich bekannt, dass Aufwand und Ertrag diesbezüglich in ein akzeptables Verhältnis gebracht werden müssen. Weiteres wesentliches Ziel war darüber hinaus, im Geschäftsjahr 2017/2018 nicht erneut in einen Millionenverlust zu laufen. Eine gewisse Aufweichung hat das erste Ziel, die Reduktion der Kaderkosten, aus zweierlei Gründen erfahren. Zum einen ist die sportliche Leitung zu dem Schluss gekommen, dass der Wettbewerb in der laufenden Saison härter denn je wird. Eine Reduktion des Spieleretats trotz des ligaweit zu erwartenden Anstiegs der Finanzbudgets und eine damit verbundene Schwächung der sportlichen Substanz ließ eine Gefährdung unserer Wettbewerbsfähigkeit befürchten. Zum anderen hat uns das erneute Engagement von Herrn Kühne einen größeren Spielraum bei den Kaderkosten ermöglicht. 

Die beiden Leitplanken aus Kaderkosten- und Ergebniskontrolle haben jedoch keinen Transferstau verursacht, wie - offenbar durch Beraterkreise befeuert - erstaunlich häufig in den Medien zu lesen war. Tatsächlich habe ich bereits Anfang Juni darauf hingewiesen, dass wir uns nicht an dogmatische Reihenfolgen binden, sondern einen sinnvollen Ausgleich zwischen sportlichen Anforderungen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten anstreben. Dass dies dazu führt, auch einmal Nein zu einem Transfer zu sagen, müssen zumindest wir als verantwortliche HSVer gegenüber Medien, Beratern und ggf. Fans in der gegenwärtigen Situation aushalten können.

"Als Verantwortliche sind wir aufgefordert, zum einen wieder vermehrt eigenen finanziellen Spielraum zu generieren und zum anderen Alternativen zu entwickeln"

Im Ergebnis müssen wir mit der Transfertätigkeit dieses Sommers meines Erachtens daher zufrieden sein. Naturgemäß konnten nicht alle sportlichen Wünsche umgesetzt werden. Die nicht unerheblichen Investitionen sollten uns jedoch in die Lage versetzt haben, im Wettbewerb zu bestehen. Der Kader ist kompakt gestaltet. Mannschaftliche Geschlossenheit und Quote der Leistungsträger scheinen aber erhöht und zugleich hat eine Reihe von jüngeren Spielern die echte Chance, sich für einen Einbau ins Team zu empfehlen. 

Abgerechnet wird dann bekanntlich erst am Ende der Saison. Wenn es neben der Vermeidung eines erneuten Abstiegskampfs gelingt, dass sich Tabellenplatz und Ranking in den Kaderkosten jeweils aufeinander zubewegen, haben wir einen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Klar ist aber auch, dass wir es in künftigen Transferperioden schaffen müssen, Spielerwerte zu generieren und letztlich auch zu realisieren.

Im Zusammenhang mit sämtlichen Transfertätigkeiten wird rund um den HSV immer auch die Rolle des Gesellschafters Klaus-Michael Kühne thematisiert. Wie nehmen Sie diese Diskussionen wahr?

Ein Ziel der Ausgliederung war die Gewinnung eines oder mehrerer strategischer Investoren. Dieses Ziel wurde vor allem in der Anfangszeit nach der Ausgliederung mit Nachdruck verfolgt, ließ sich jedoch nicht realisieren. Auch der Plan, einen größeren Pool HSV-verbundener Unternehmer als Aktionäre zu gewinnen, konnte mit den Herren Bohnhorst, Burmeister und Margaritoff zwar erfolgreich, aber mangels weiterer Unternehmer nur teilweise umgesetzt werden. Einzig Herr Kühne, der den HSV ja schon weit vor der Ausgliederung unterstützt hat, stand seither als Investor und Geldgeber für Spielertransfers regelmäßig zur Verfügung. Dafür gebührt ihm größter Dank, er war mehr als einmal der sprichwörtliche Retter in der Not. Dieser Umstand als „Alleinunterhalter“, den Herr Kühne selbst wiederholt und zurecht bemängelt hat, hat dazu geführt, dass heute nahezu selbstverständlich vor allem auf Herrn Kühne geschaut wird, wenn es um einen Finanzbedarf oder Transferwünsche geht. Dies kann aber nicht dauerhaft unser Anspruch als HSV sein. Als Verantwortliche sind wir daher aufgefordert, zum einen wieder vermehrt eigenen finanziellen Spielraum zu generieren und zum anderen Alternativen zu entwickeln. Erforderlichenfalls muss auch der Gürtel enger geschnallt werden. Das heißt letztlich, dass wir vor allem im sportlichen Bereich wieder eine positive Transferbilanz erreichen müssen. Im finanzstrategischen Bereich mag es lohnen, dass wir die Bemühungen um einen strategischen Partner wieder intensivieren. Im gemeinsamen Interesse sollten wir also daran arbeiten, dass ein Engagement von Herrn Kühne wieder eher eine Ausnahme als die Regel wird.

Sofern Sie auf die mediale Wahrnehmung von Herrn Kühne anspielen, ist meines Erachtens alles Wesentliche dazu gesagt. Herr Kühne kann uns außerhalb von Titelseiten und Medienkulissen deutlich besser helfen.

Nervt es Sie eigentlich, wenn der HSV bei jeder Gelegenheit mit Häme, Hohn und Spott bedacht wird? Sie bekommen doch bestimmt auch spöttische Nachrichten aufs Mobiltelefon oder per Mail geschickt.

Manches erreicht mich dank aufmerksamer Kollegen und Freunde in der Tat und - wie gesagt – wir haben uns Teile davon selbst zuzuschreiben. Was mich dabei tatsächlich nervt, sind die doch etwas abgedroschenen, aber immer noch kolportierten Geschichten, wonach z.B. beim HSV zu Beginn jeder Saison nach den Sternen gegriffen und von Europa geträumt würde. Das ist purer Unsinn. Anderes ist dagegen wirklich gut gemacht, da kann ich dann auch schon mal schmunzeln. 

"Ich selbst stehe in der neuen Amtszeit als Vorsitzender des Aufsichtsrates absprachegemäß nicht mehr zur Verfügung"

Ihr Gremium dient vornehmlich der Kontrolle des Clubs und damit auch der Bewertung des Vorstandes. Was können Sie nach Ihrem ersten Halbjahr über Heribert Bruchhagen und Frank Wettstein sagen?

Mit unserem Vorstand sind wir sehr gut und komfortabel aufgestellt. Heribert Bruchhagen hat den Verein im Winter 2016 in einer äußerst schwierigen Phase übernommen. Er hat während der Rückrunde für Stabilität und Ruhe gesorgt und damit einen großen Anteil am Klassenerhalt gehabt. Seine jahrzehntelange Erfahrung und sein Antizipationsvermögen sind für den HSV äußerst wertvoll. Frank Wettstein überzeugt durch seine sachliche Art ebenso wie durch seine hohe fachliche Kompetenz. Sein Engagement ist Vorbild für viele andere im Verein und mit den Themen und Personen beim HSV ist er bestens vertraut.

Im Herbst dürfte auch der Aufsichtsrat wieder im Fokus stehen. Ende des Jahres endet die Amtszeit des amtierenden Gremiums und das Vereinspräsidium sowie dessen Beirat entscheiden über die künftige Besetzung. Was erwarten Sie? Und stehen Sie weiterhin für das Amt des Vorsitzenden zur Verfügung?

Die im Herbst anstehenden Entscheidungen zur künftigen Besetzung des Aufsichtsrats werden zu gegebener Zeit im Verein getroffen und ich gehe davon aus, dass es hierzu einen rechtzeitigen Austausch mit den amtierenden Gremienmitgliedern gibt. Ich selbst stehe in der neuen Amtszeit als Vorsitzender des Aufsichtsrates absprachegemäß nicht mehr zur Verfügung. In unserer Situation im Winter ging es darum, die an der Spitze des Aufsichtsrates entstandene Lücke zügig, adäquat und ohne viel Aufhebens für die verbliebene Amtszeit zu schließen. Das ist uns durch ein gutes Zusammenspiel der Verantwortlichen in Fußball AG und e.V. gelungen. Vereinbart war und ist aber auch, dass ich das mitunter zeitintensive Amt des Vorsitzenden aus beruflichen und familiären Gründen nicht dauerhaft wahrnehmen werde. Hierauf sind Präsidium und Beirat eingestellt, so dass der Verein für die neue Amtszeit in Ruhe nach der bestmöglichen Besetzung dieser ebenso reiz- wie verantwortungsvollen Position suchen kann.

Wie sehen Sie der Zukunft entgegen? In welchen Bereichen sehen Sie wichtige Entwicklungsbereiche für die HSV Fußball AG?

Der Zukunft sehe ich stets zuversichtlich entgegen. Das gilt auch für den HSV. Wie eingangs erwähnt, sollte es meines Erachtens eines unserer Ziele sein, die sogenannte öffentliche Meinung wieder stärker für uns zu gewinnen. Wenn es uns sportlich endlich gelingt, in der Bundesliga eine Wende zu mehr Stabilität einzuleiten, werden uns viele Dinge leichter fallen, Potenziale besser gehoben werden. Im sportlichen Bereich hat sich die Leitung u.a. eine Optimierung des Scoutings auf die Fahne geschrieben. Außerhalb davon stehen sicher der weitere Ausbau der Digitalisierung sowie der Internationalisierung an, etwa eine Intensivierung unserer erfreulichen Kooperation in Hamburgs Partnerstadt Shanghai. 

Wir danken Ihnen für dieses Gespräch.