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Interview

26.12.16

„2017 darf gern besser werden“

Nicolai Müller, mit zehn Toren und sechs direkten Vorlagen erfolgreichster HSV-Scorer 2016, blickt im Interview mit HSV.de auf das Jahr zurück und wagt einen Ausblick auf 2017.

Nicolai Müller war es, der den zwischenzeitlichen Torfluch des HSV mit seinem Doppelpack gegen den BVB beendete, und auch im letzten Spiel des Jahres legte er mit seinem Treffer zum 1:0 den Grundstein für den 2:1-Erfolg über Schalke 04, der das Fußballjahr 2016 aus HSV-Sicht versöhnlich enden ließ. Die Rothosen sind wieder im Rennen, nachdem sie lange Zeit abgeschlagen waren, zudem ist der Trend mit zuletzt drei Siegen aus vier Spielen und nur einer Niederlage aus den letzten sechs Partien positiv. Ein wichtiger Eckpfeiler in diesem sich im Aufwind befindlichen Konstrukt: Nicolai Müller, der mit vier Toren und drei Vorlagen auch zahlenmäßig entscheidend am jüngsten HSV-Comeback beteiligt war. Und der ganz nebenbei das Jahr 2016 als erfolgreichster HSV-Scorer abgeschlossen hat. HSV.de erreichte den Zwillingspapa Weihnachten im Kreise seiner Familie, um einmal das HSV-Jahr Revue passieren zu lassen und einen kleinen Ausblick auf 2017 zu wagen.

"Es ist noch nichts erreicht, es war nur ein erster Schritt"

HSV.de: Nicolai, mit welchem Gefühl bist du nach dem 2:1-Sieg gegen Schalke in die Winterpause gegangen?
Nicolai Müller: Durch den Sieg hatten wir alle ein gutes Gefühl. Dieses Positiverlebnis zum Abschluss war sehr wichtig für alle HSVer. Das hat man nicht nur uns als Mannschaft angemerkt, sondern auch allen Fans.

Die Lage ist aber natürlich weiter angespannt.
Müller: Na klar, unseren schlechten Start konnten wir natürlich nicht mit ein paar guten Ergebnissen rausreißen. Aber wir haben den positiven Trend bestätigt und sind allesamt mit einem guten Gefühl in den Weihnachtsurlaub gegangen. Die Pause ist ja nur kurz, aber mit einem positiven Erlebnis zum Abschluss lässt sie sich natürlich viel besser genießen.

Aus den letzten sechs Partien des Jahres habt ihr elf Punkte geholt, drei der letzten vier Spiele wurden gewonnen. Kann man diesen Wandel des Teams innerhalb weniger Wochen in ein paar Sätzen erklären? Oder ist es komplexer?
Müller: Es ist wirklich nicht so leicht zu erklären. Meiner Meinung nach gibt es auch nicht diesen einen Punkt, an dem sich das Blatt gewendet hat. Vielmehr war es ein Prozess. Gefühlt begann es schon in den Spielen gegen Köln und Dortmund. Das klingt vielleicht blöd, weil wir die Spiele 0:3 und 2:5 verloren haben, aber dort hatte ich das Gefühl, dass sich etwas tut und dass wir das zarte Pflänzchen, das wir mit dem 4:0-Pokalerfolg in Halle gepflanzt haben, entwickeln können.

Der Trainer hat viele Dinge verändert.
Müller: Ja, das war gut und richtig. Der wichtigste Schritt war aus meiner Sicht, dass wir uns komplett von der Tabelle freigemacht haben. Das wurde uns anfangs negativ ausgelegt, als realitätsfremd. Aber es war definitiv einer der Schlüssel. Wenn du vorher auf die Tabelle geschaut hast, neigte man schnell dazu, zu resignieren. Wir sind dann aber jeden Tag und jedes Spiel für sich angegangen. Totaler Fokus. 'Dieser eine Punkt bringt uns in der Tabelle nicht groß weiter? Egal, für dieses eine Spiel war der eine Punkt eine gute Ausbeute.' So sind wir es angegangen. Und genau so werden wir auch weitermachen. Wir werden den Weg weitergehen, den wir eingeschlagen haben.

Das Wir, das du häufig benutzt, hat auch eine neue Bedeutung bekommen.
Müller: Das stimmt, wir haben es wirklich geschafft, in der schwierigsten Phase ein ganz großes Wir-Gefühl zu entwickeln. Wir haben uns eingeschworen. Jeder sollte und wollte sein Bestes geben, ganz egal, ob er auf dem Platz steht oder auf der Bank oder sogar auf der Tribüne sitzt. Alle wollten Verantwortung übernehmen. So haben wir uns gegenseitig gestützt und auch gepusht, wir haben uns sinnbildlich gegenseitig aus dem Sumpf gezogen. Fakt ist aber auch: Das alles kann nur der Anfang gewesen sein. Es sind 16 Spiele gespielt und jeder sieht, wo wir in der Tabelle stehen. Es ist ja noch gar nichts erreicht, sondern nur ein erster Schritt da ganz unten raus gemacht.

Dass es wieder aufwärts ging, lag auch an der Tatsache, dass der HSV auf einmal wieder Tore schießt. Wochenlang gab es Ladehemmung und plötzlich sind es im Schnitt fast zwei Tore pro Spiel.
Müller: So plötzlich kam das aber gar nicht. Markus Gisdol hat uns einen neuen Spielstil verordnet. Bis das alles sitzt und greift, das dauert eben eine Weile. Und wir hatten auch schon vor den ersten Siegen ein paar Spiele dabei, in denen wir uns viele Chancen erarbeitet haben, ohne sie aber nutzen zu können. Auch hier war es meiner Meinung nach eher ein Prozess als ein bestimmter Wendepunkt.

Was zeichnet diesen neuen Spielstil aus?
Müller: Wir spielen sehr zielstrebig nach vorn und pressen auch früh. Das Spiel ist so sehr intensiv, da muss man extrem viel investieren. Das tun wir. Und es funktioniert, denn wir haben in der Offensive die Schnelligkeit und Wucht, die es für dieses Spiel braucht. Und das schnelle Umschalten klappt auch immer besser. Aber: Wir haben es in Mainz gesehen, dass es nur geht, wenn wir wirklich alles abrufen können. Und dass wir sofort Probleme bekommen, wenn wir als Mannschaft nicht an unsere 100 Prozent rankommen.

"2017 darf ruhig besser werden als 2016, das sollte unser Anspruch sein"

Du persönlich bist zum Ende des Jahres auch wieder auf 100 Prozent gekommen und schließt das Kalenderjahr 2016 als bester HSV-Scorer ab. Weißt du, wie viele Punkte du über das Jahr gesammelt hast?
Müller: Vier Tore in dieser Hinrunde, das weiß ich. Aber die Gesamtzahl? Keine Ahnung.

Zehn Tore und sechs Vorlagen.
Müller: Ist okay, oder? Ich hatte zwischendurch eine Phase, in der gar nichts ging, aber ich habe versucht, mich davon nicht verrückt machen zu lassen. Ich habe weiter mein Spiel gespielt und bin dann auch wieder in einen Flow gekommen, wie man heute so schön sagt. Aber es ist auch mein Anspruch, Scorerpunkte zu sammeln, wobei Tore und Vorlagen für mich dabei total gleichgestellt sind.

Hast du eine persönliche Zielsetzung für 2017?
Müller: Nein. Das habe ich noch nie gemacht. Und mir bringt das auch nichts, keine zusätzliche Motivation oder so. Ich spiele mein Spiel, haue alles raus und nehme es dann wie es kommt. Aber ich mag es schon, wenn man sich immer ein bisschen verbessert. Insofern darf 2017 ruhig noch besser werden als 2016. Das sollte auch der Anspruch sein. Ich erwarte selbst Großes von mir und von uns, ich muss das aber nicht in Zahlen ausdrücken und vorab veröffentlichen.

Im Januar geht es in der Liga wieder los, ihr startet mit zwei Auswärtsspielen – in Wolfsburg und Ingolstadt.
Müller: Zwei direkte Konkurrenten, ich verstehe den Hinweis schon. Aber so dürfen wir nicht denken, das ist genau das, was ich vorhin meinte. Wir sehen jedes Spiel für sich, jede Aufgabe einzeln. Und darauf bereiten wir uns dann vor, das Trainerteam entwickelt da immer einen guten Plan. Ich fände es falsch, jetzt schon von zwei Endspielen zu sprechen, die wir unbedingt gewinnen müssen. Es sind zwei Spiele von 18, in denen wir in der Endsumme mehr Punkte holen müssen als die anderen Mannschaften da unten drin.

"Wir schauen nur auf uns und auf das nächste Spiel"


Wie beurteilst du die Lage dort unten in der Tabelle? Vor ein paar Wochen dachte man noch, dass vielleicht ganz wenige Punkte für den Klassenerhalt reichen, mittlerweile punkten aber viele Teams aus der unteren Region.
Müller: Zu Beginn der Saison hatten wir das Glück, dass uns einige Mannschaften trotz unseres miesen Starts nicht enteilt sind, weil auch sie die Spiele nicht gewonnen haben. Dass allmählich alle ihre Punkte sammeln ist für uns nicht wichtig, denn noch einmal: Wir sind sehr gut damit gefahren, uns von der Tabelle und den Ergebnissen der anderen Vereine freizumachen. Als wir dies taten und uns nur auf uns konzentrierten, da begannen wir besser zu werden, Punkte zu holen und allmählich vom letzten Platz wegzukommen. Deshalb werden wir diesen Weg weitergehen, auch wenn es langweilig klingt: Wir schauen nur auf uns und auf das nächste Spiel. Damit waren wir in den letzten Wochen erfolgreich.

Bis es wieder richtig losgeht, könnt ihr euch noch ein bisschen entspannen. Wie verbringst du die freie Zeit?
Müller: Wir sind am Tag nach unserem letzten Spiel gegen Schalke ins Auto gestiegen und zu meinen Eltern gefahren. Meine Kinder freuen sich immer auf Oma und Opa und mit der Familie ist das Weihnachtsfest einfach am schönsten. Jetzt schauen jetzt ganz spontan, was wir an Silvester machen. Und dann geht es am 3. Januar ja auch wieder los, war ja nur eine sehr kurze Pause. Ist für uns aber gut, für uns darf es gern schnell weitergehen.