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Interview

10.07.17

"Ich stand dort und hoffte: Hamburg, Hamburg, Hamburg..."

Im Interview mit HSV.de verrät Rückkehrer Sven Schipplock, wie er das Saisonfinale der Rothosen erlebt hat, welche Rolle Markus Gisdol bei seinem eigenen Happy-End in Darmstadt spielte und warum sein zweiter Anlauf beim HSV unter anderen Vorzeichen steht.  

Hinter Sven Schipplock liegen die zwei härtesten Spielzeiten seiner Profikarriere. In der Saison 2015/16 blieb der Angreifer als Neuzugang beim HSV erstmals ohne Saisontor, in der abgelaufenen Spielzeit wuchs seine Durststrecke dann als Leihspieler des SV Darmstadt 98 auf satte 41 torlose Spiele an. Erst am 31. Spieltag gegen den SC Freiburg (3:0) folgte nach 1.957 Minuten ohne Treffer endlich die Erlösung. HSV-Trainer Markus Gisdol hatte dem Stürmer dabei zuvor mit einem Bekenntnis für die neue Saison das Selbstbewusstsein zurückgebracht. Nun hat für „Schippo“ im Trainingslager in Rotenburg unter den Augen seines alten, neuen Trainers die Vorbereitung auf die neue Spielzeit begonnen. Auf den 28-Jährigen wartet dabei ein Neustart unter anderen Vorzeichen als noch vor zwei Jahren, wie er in gewohnt ehrlicher Manier im Interview mit HSV.de erzählt.    

HSV.de: Sven, wie fühlt es sich an, wieder zurück bei deinen alten Kollegen zu sein?  

Sven Schipplock: Es tut gut und macht Spaß. Ich freue mich, wieder in der Stadt und beim Verein zu sein. Innerhalb der Mannschaft hat sich nicht allzu viel verändert. Es sind nur ein paar neue Gesichter dazugekommen. Da freut man sich, die Jungs nach längerer Zeit wieder zu sehen, mit ihnen zu flachsen und gemeinsam auf dem Platz zu stehen. Zudem kenne ich das Trainerteam noch sehr gut aus meiner Zeit in Hoffenheim. 

Wie verlief der Kontakt mit den Jungs während deiner Zeit in Darmstadt? 

Mit einigen Spielern hatte ich regen Kontakt und habe ihnen nach den Spielen geschrieben oder mit ihnen telefoniert. Der HSV hat häufig am Freitag oder Sonntag gespielt, während wir mit Darmstadt oft am Samstag im Einsatz waren. Dadurch habe ich fast alle Spiele verfolgt und habe richtig mitgefiebert, gerade bei den letzten Spielen. 

Am letzten Spieltag liefen die Partien alle zeitgleich. Wann und wie hast du da von der HSV-Rettung erfahren?

Wir haben damals in Gladbach gespielt und es ging für beide Mannschaften eigentlich um nichts mehr. Ich weiß noch genau, wie es dann um die 88. Minute herum eine Spielunterbrechung gegeben hat und auf der Videotafel der Hinweis kam, dass irgendwo ein Tor gefallen ist. Ich stand dann dort und hoffte: "Hamburg, Hamburg, Hamburg..." 

Und dann wurde das 2:1 durch Waldschmidt eingeblendet.

Genau, ich stand in dem Moment neben Jannik Vestergaard und habe ihn kurz geschüttelt vor Freude. Nach dem Abpfiff bin ich dann zu unserem Torwarttrainer Dimo Wache, der selbst ein großer HSV-Fan ist, und wir haben im Live-Ticker die Schlussminuten verfolgt. Am Ende bin ich ihm dann auf den Rücken gesprungen, davon gibt es sogar ein Bild (lacht). 

Für den HSV hatte die Saison ein Happy-End. Für dich nach einer extrem langen Leidenszeit auch. Beim 3:0-Heimsieg gegen Freiburg hast du nach über zwei Jahren wieder ein Tor erzielt. Ausgerechnet Markus Gisdol soll dir dabei geholfen haben.

Ja, das stimmt. Vor unserem Gastspiel beim HSV hat mir ein Freund geschrieben, dass Markus Gisdol auf der Pressekonferenz gesagt hat, dass er in der nächsten Saison fest mit mir plant. Ich habe mir die Pressekonferenz dann auf Facebook selbst im Re-Live angesehen, weil ich bei Infos über Dritte vorsichtig bin und habe mich dann sehr gefreut, auf welche Art und Weise er das in der Öffentlichkeit rübergebracht hat.

War das für dich eine besondere Geste?

Ja, ich fand das außergewöhnlich, wenn man bedenkt, dass ich als Stürmer zwei Jahre torlos war. Mir haben diese Aussagen viel Aufwind gegeben und zwei Tage später hat mich der Coach dann auch persönlich angerufen und mir gesagt, dass ich mir eine Wohnung in Hamburg suchen kann. Da fällt einem schon eine Last vom Körper, wenn trotz der langen Leidenszeit ein Trainer da ist, der auf dich baut und setzt. Ich habe danach wieder befreit aufgespielt, Tore geschossen, Elfmeter herausgeholt und wieder meine Stärken gespürt.

Was macht das Verhältnis zwischen dir und Markus Gisdol aus?

Seine intensive Spielweise mit dem Pressing und Umschaltspiel kommt mir als schneller Spieler erstmal entgegen. Das ist eine Grundlage, dass man sich als Spieler wohlfühlt. Dann hatten wir in Hoffenheim eine gute Zeit und es hat sich herauskristallisiert, dass wir uns gut verstehen. Der Trainer hat ein gutes Gespür dafür, wie er mit mir als Typ umgehen muss, wann er ein Lob aussprechen kann oder wann er mal draufhauen muss. Ich denke, da passt die Chemie einfach.      

Es entsteht der Eindruck, dass das Vertrauen für dich eine wichtige Rolle spielt.

Absolut. Ich habe den Faktor des Wohlfühlens in den letzten Jahren echt unterschätzt – sei es im Hinblick auf das Trainerteam, den Verein oder die Nähe der Familie. Ich dachte, dass ich weiter wäre und das nicht brauche, aber das Umfeld ist sehr wichtig für mich. Das spiegelt mich auch auf dem Platz wider. Wenn ich mich wohlfühle und Spaß habe, dann übertrage ich das auch aufs Feld.

Du hattest vor zwei Jahren in Hamburg einige Probleme und hast dich nach eigenen Aussagen schwer mit dem neuen Umfeld getan. Was macht dir Hoffnung, dass es beim zweiten Versuch nun besser wird?

Ich gehe diesmal mit ganz anderen Vorzeichen in die Saison. Ich kenne jetzt die Begebenheiten, das Umfeld und die Stadt. Zudem haben meine Frau und ich mittlerweile Freundschaften in Hamburg geschlossen und bereits eine neue Wohnung bezogen, in der wir uns wohlfühlen. Das Leben neben dem Platz ist jetzt viel stärker vorhanden und die Störfaktoren – sei es eine neue Mannschaft, ein neues Spielsystem oder eine andere Wahrnehmung in der Presse – sind jetzt weg. Ich kann mich bereits zu Saisonbeginn voll auf das Sportliche konzentrieren.

Aufgrund deiner Torflaute wurdest du zuletzt durchaus kritisch gesehen und bei deiner Rückkehr im Volkspark als Darmstädter teils sogar ausgepfiffen. Wie kannst du die Herzen der Fans zurückgewinnen?

Man kriegt die Fans immer mit Leistungen und Toren. Das ist mir bewusst und sicherlich auch ganz normal. Es ist bestimmt nicht immer einfach, weil Pfiffe einen Spieler und auch eine Mannschaft zusätzlich verunsichern können, aber bei schlechten Leistungen zu jubeln, geht eben auch nicht. Ich werde versuchen, mein Bestes abzurufen und mich in jeder Sekunde voll reinzuhängen. Wenn die Einsatzbereitschaft stimmt und man ein paar Tore erzielt, dann wird auch die nächste vergebene Chance, die zu einem Stürmer auch immer dazugehört, leichter verziehen.

Sven, Danke für deine ehrlichen Worte und viel Erfolg bei deinem zweiten Anlauf in Hamburg.