Nachbericht
21.11.21
Besonderes Spiel, besondere Typen
Tim Walter gab seiner Mannschaft nach dem 4:1-Sieg gegen Regensburg zwei Tage frei. Ausruhen, auftanken, die vielen Erlebnisse des Heimsieges verarbeiten, der in Art und Zustandekommen besonders war. Und der viele Namen trug.
Es war eine spontane Entscheidung, die HSV-Trainer Tim Walter nach den überaus spektakulären und kraftraubenden 90 Minuten am Sonnabend (20. November) traf. "Männer, wir sehen uns am Dienstag wieder", lautete die Botschaft an seine Mannschaft. Bedeutete: Sonntagstraining gestrichen, zwei freie Tage. Belohnung. Und Vernunft, denn: "Alle Spieler haben richtig Gas gegeben, waren auch vom Kopf her voll drin und haben eine riesige Bereitschaft gezeigt", fand der Coach unmittelbar nach dem Heimsieg über den bis dato Tabellenzweiten aus Regensburg anerkennende Worte für seine Mannschaft.
Zudem berücksichtigte er mit seiner Entscheidung auch, dass die Partie gegen den SSV Jahn definitiv eine kraftraubende gewesen war. Denn vom Anpfiff weg hatten die Rothosen das Heft des Handelns in die Hand genommen, hatten den Gegner in dessen Hälfte eingeschnürt, waren immer wieder angerannt und ließen sich selbst, dem Gegner und auch den Zuschauern kaum mal einen Moment zum Durchschnaufen. Mit dieser Spielweise rangen die Rothosen sogar dem Gäste-Coach ein Lob ab: "Der HSV war einfach sehr, sehr gut, das muss man anerkennen", sagte Mersad Selimbegovic, "sie haben nie nachgelassen und immer wieder enorm schnell und druckvoll nach vorn gespielt, deshalb geht der Sieg für den HSV absolut in Ordnung." Und der hatte dieses Mal viele Namen.
Im Tor strahlte Marko Johansson viel Sicherheit aus, ebenso wie vor ihm der letzte Woche gerade 20 Jahre alt gewordene Mario Vuskovic und der neue Linksverteidiger Miro Muheim oder auch Kilometermann Jonas Meffert, der sich trotz eines gebrochenen Zehs durchbiss und für einen Mittelfeldspieler sensationelle 71 Prozent Zweikämpfe gewann. Und nach vorn ging um den sich fürs Team aufreibenden und ackernden Robert Glatzel sowieso ganz viel. 4:1 hieß es am Ende. Erst Ludovit Reis auf Vorlage von Faride Alidou. Dann Alidou selbst nach Zuspiel von Sonny Kittel.
Später Kittel himself. Und abschließend Anssi Suhonen nach einem weiteren Assist Kittels. So las sich nach 90 offensiv beeindruckenden und defensiv stabilen Minuten die Statistik eines Sieges, der auch in der Höhe verdient war, weil die Rothosen zu keinem Zeitpunkt des Spiels aufhörten, die Angriffsmaschine anzukurbeln. So fielen nach dem 2:1-Halbzeitstand – und neben einem aufgrund einer knappen Abseitsstellung aberkannten, aber dennoch wunderschön herausgespielten Tor von Bakery Jatta sowie einem Lattentreffer durch Sebastian Schonlau – eben auch noch die Treffer zum 3:1 und 4:1. Die rundeten einen tollen Fußball-Sonnabend ab, an dem die rund 23.000 Zuschauer im Volksparkstadion – vom Spiel ihrer Mannschaft angetrieben – eine Stimmung entfachten, die an ein volles Haus erinnerte.
"Die Atmosphäre war einfach geil, das kann man nicht anders sagen", war auch Eigengewächs und Torschütze Suhonen nach dem Abpfiff begeistert. Und die Fans ihrerseits waren begeistert vom Spiel ihrer Mannschaft, die ja eigentlich arg gebeutelt gewesen war aufgrund der vielen verletzungsbedingten Ausfälle. Daniel Heuer Fernandes, Tim Leibold, Jonas David, Josha Vagnoman – die Liste ließe sich noch fortführen. Doch das Team fing dies auf, wobei den Zuschauern speziell Alidou besonders viel Spaß bereitete, weshalb der Hamburger Jung sich über Szenenapplaus und Spechchöre freuen durfte.
Auch Walter hatte der Auftritt seines Flügelspielers natürlich gut gefallen, herausheben mochte er ihn an diesem Tag trotz Tor und Assist jedoch nicht. "Das würde allen anderen Spielern nicht gerecht werden, denn alle haben – egal ob von Anfang an oder eingewechselt – eine richtig starke Leistung gezeigt. Und Sonny sogar noch ein bisschen mehr", begründete der Coach und hob lächelnd gleichzeitig doch noch einen seiner Akteure ein paar Zentimeter über die anderen. Und das liege nicht nur an seiner schier unglaublichen Staistik dieses Spiels, wie Walter betonte.
Dabei hätte die durchaus ausgereicht, um ein Sonderlob mehr als zu rechtfertigen. Denn Kittel hatte es vollbracht, nicht nur dauerhaft sein Team und das eigene Spiel anzuschieben und dabei die meisten Torschussvorlagen aller Spieler auf dem Feld abzugeben, sondern einfach mal in einem einzigen Spiel vier Scorerpunkte zu sammeln. Erst bereitete er für Alidou das 2:1 vor, wobei er dem Torschützen sogar im eigenen Dribbling noch gestenreich dessen einzuschlagenen Laufweg anzeigte, servierte abschließend Suhonen das 4:1 und vollbrachte dazwischen das Kunststück, sich das 3:1 selbst aufzulegen.
Denn wie Freunde der Statistik wissen, wird bei einem Elfmetertor dem zuvor Gefoulten die Vorarbeit zugeschrieben – womit Hamburgs Nummer 10, der von Kennedy unsanft gebremst worden war, sich sozusagen selbst seinen Treffer vorbereitete. Verrückt. Diese Kür gefiel natürlich auch Walter, wobei Hamburgs Trainer noch viel mehr die Basis am Auftritt seines ältesten Startspielers begeisterte. Über den 28-Jährigen sagte er nach dem Spiel: "Man merkt, wie sehr Sonny gereift ist, wie er Verantwortung für das Team übernimmt und dass er in dieser Rolle unglaublich wichtig für die Mannschaft ist." An die gab der Gelobte die warmen Worte auch direkt weiter, statt sich selbst darin zu sonnen: "Dass uns mit so vielen jungen Spielern solch eine beeindruckende Leistung gelungen ist, das macht mich schon stolz auf unsere Mannschaft."
Und die durfte sich nach getaner Arbeit und verdienter Freude mit den begeisterten Zuschauern im stimmungsvollen Volksparkstadion anschließend über die Entscheidung ihres Trainers freuen, die da lautete: Regeneration nach Regensburg! Also:zwei freie Tage, ausspannen, aufladen. Denn so viel Freude das Spiel gegen den SSV Jahn auch bereitet hatte, es hatte eben auch viel Kraft gekostet und seine Spuren hinterlassen. Deshalb: Regenerieren, wofür auch viele Spieler im Stadion erschienen, und dann ab Dienstag wieder angreifen und den vollen Fokus auf das nächste Spiel richten.
Das findet am Sonntag (28. November) statt. Dann geht es gegen den FC Ingolstadt. Und wie es der Spielplan will, geht es an dieser einen Stelle im Fußballjahr mal nicht im gewohnten Heim-Auswärts-Rhythmus weiter, was vor allem auch dem Mann des Spiels und damit einem der besonderen Typen so richtig schmeckte. "Wir freuen uns schon jetzt auf das nächste Wochenende", hatte Sonny Kittel unmittelbar nach dem Abpfiff bei aller Erschöpfung schon wieder mit einem Lächeln im Gesicht ins Mikrofon gesprochen, "denn da ist schon wieder Heimspiel." Wobei er für diese wunderbare Zusammenfassung der aktuellen Stimmung und dieses besonderen Spiels eigentlich noch einen weiteren Scorerpunkt verdient gehabt hätte.