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Inklusion

03.12.21

„Ich habe mich von Anfang an dazugehörig gefühlt“

Seit mehr als 15 Jahren arbeitet Oliver Fischer beim HSV-Greenkeeping. Im Interview mit HSV.de erzählt der 40-Jährige, der eine geistige und seelische Behinderung hat, von seinem Weg zum HSV, dem großen Zusammenhalt innerhalb des Clubs und einzigartigen Momenten im Volkspark.

45 Minuten benötigt Oliver „Olli“ Fischer morgens zu Fuß zu seinem Arbeitsplatz im Volksparkstadion. Ein morgendlicher Marsch, den der 40-Jährige gern auf sich nimmt – schon seit mehr als 15 Jahren. So lang arbeitet der gebürtige Hamburger, der eine geistige und seelische Behinderung hat, schon beim HSV. Denn: Auf Initiative des Clubs startete im Jahr 2005 eine Zusammenarbeit mit den Elbe-Werkstätten, die Menschen mit Behinderung berufliche Bildungs- und Arbeitsangebote in Hamburg bieten. Und so eben auch Olli, der seit Beginn dieser Kooperation ein fester Bestandteil des Greenkeeping-Teams des HSV ist. Vor seiner Zeit bei den Rothosen absolvierte der zweifache Vater eine Ausbildung zum Gemüsegärtner, schloss danach noch eine Umschulung zum Landschafts- und Gartenbauer ab und arbeitete einige Jahre in diesem Bereich.

Anlässlich des heutigen Internationalen Tags der Menschen mit Behinderungen (3. Dezember) hat der HSV, der im Frühjahr 2021 die Charta der Vielfalt unterzeichnet und damit erneut verdeutlicht hat, dass der Club als Arbeitgeber für ein wertschätzendes und vorurteilsfreies Arbeitsumfeld eintritt, mit Olli über seine persönliche HSV-Geschichte gesprochen. Mit welchem Gefühl er bei den Rothosen gestartet ist, welche Aufgaben er am liebsten mag und warum er sich über eine Grätsche von Marcell Jansen mal so richtig geärgert hat, das verrät er im Interview mit HSV.de.

HSV.de: Olli, wie hast du dich gefühlt, als das Jobangebot des HSV kam?
Oliver Fischer: Zugegebenermaßen hatte ich zunächst ein mulmiges Gefühl. Vor meiner Tätigkeit beim HSV hatte ich privat wenig Berührungspunkte mit dem Club. Und einer dieser wenigen Kontaktpunkte ist dabei gar nicht gut in Erinnerung geblieben: Ein Fan hatte meine damalige Freundin ernsthaft bedroht. Da mich das Thema Fußball aber schon immer interessiert hat und ich auch früher selbst gespielt habe, habe ich mir dann gedacht: Diese Jobchance muss ich einfach wahrnehmen. Das habe ich dann auch gemacht und aus diesem mulmigen Gefühl ist schnell ein sehr positives Gefühl geworden.

Wie kam es dazu?
Ich wurde von Anfang an gut aufgenommen und habe mich dazugehörig gefühlt. Beim HSV gibt es einfach einen tollen Zusammenhalt. Mit den Jahren bin ich dann auch ein großer HSV-Fan geworden. Mittlerweile sind es ja bereits mehr als 15 Jahre – ich gehöre quasi schon zum Inventar. (lacht)

Nimm uns mal mit: Wie läuft eine normale Arbeitswoche bei dir ab?
In meinem ersten HSV-Jahr war ich immer nur zwei Tage die Woche im Stadion. Ich habe mich weitestgehend um die Außenanlagen rund um die Arena gekümmert. Dazu zählt, die Hänge mit der Motorsense zu bearbeiten und das Laub zu entfernen. Zur WM 2006 fiel dann deutlich mehr Arbeit an, so dass ich seitdem fünf Tage pro Woche beim HSV war. 

Kamen dann auch noch weitere Aufgaben dazu?
Ja, mit der Zeit wurde die Arbeit immer vielschichtiger. Ich habe zunächst damit angefangen, bei der Pflege der Trainingsplätze mitzuhelfen und Löcher hochzumachen, so dass weder Spieler noch Ball darin hängen bleiben können. Später durfte ich dann auch im Stadion und an den Spieltagen mitarbeiten.

Welcher Teil deines Jobs macht dir am meisten Spaß?
Die Heimspiele sind immer ein echtes Highlight. Wenn man vor dem Spiel auf dem Rasen die Löcher hochmacht und sich die Ränge langsam füllen, das ist ein tolles Gefühl. Als früher noch Lotto King Karl bei jedem Heimspiel live gespielt hat – da hatte ich immer Gänsehaut. Ein besonderes Highlight sind immer die Partien gewesen, bei denen das Stadion ausverkauft war und dir 57.000 Menschen bei der Arbeit zugeschaut haben. 

Schaust du die HSV-Spiele mittlerweile aus einem anderen Blickwinkel und hoffst, dass der Rasen nicht so sehr in Mitleidenschaft gezogen wird?
Einige meiner Greenkeeping-Kollegen achten schon vermehrt darauf, ob es ein robustes Spiel ist und der Rasen durch viele Zweikämpfe besonders beansprucht wird. Ich schaue ehrlich gesagt aber einfach nur Fußball. Aber ich kann mich noch gut an eine Situation erinnern: Da hatten wir gerade neuen Rollrasen im Stadion verlegt und beim ersten Spiel hat Marcell Jansen mit einer Grätsche direkt eine halbe Rolle aufgewickelt. Darauf folgte dann wenigstens eine gute Flanke von ihm, der Ball konnte aber leider nicht zum Torschuss verarbeitet werden. Wir hatten danach aber ordentlich zu tun. (lacht)

Danke für das Gespräch, Olli!