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Nachbericht

10.11.19

Taktik, Trotz und Tor - der Weg zum Punkt in Kiel

Der HSV bäumte sich in Kiel mit einem Drei-Stufen-Plan gegen die drohende Niederlage. Das Tor von Timo Letschert war die Konsequenz einer gut umgesetzten Ausrichtung.

Der Ausgang eines Fußballspiels ist nur bedingt plan- und kalkulierbar. Das haben gerade die Hamburger an den vergangenen beiden Spieltagen wieder eindrucksvoll vor Augen geführt bekommen. Waren es in Wiesbaden vor einer Woche noch die Gastgeber, die in der Nachspielzeit mit einem Last-Minute-Treffer einen Punkt retteten, erkämpften sich die Rothosen bei der gestrigen Partie bei Holstein Kiel in der 91. Minute noch ein 1:1-Remis. Was in Wehen völlig unnötig war, war beim Gastauftritt an der Förde absolut verdient.

Denn anders als beim hessischen Zweitligaaufsteiger zeigten die Hamburger im Holstein-Stadion von Beginn an eine konzentrierte und engagierte Leistung. „Man hat von Anfang an gesehen, dass wir die Frische hatten, die uns noch gegen Wehen Wiesbaden gefehlt hat. Wir waren von der ersten Minute an sehr präsent“, analysierte Dieter Hecking nach der Partie. Die erste Chance durch Sonny Kittel (2.), das Abseitstor von Lukas Hinterseer (5.) oder der Kopfball von David Kinsombi (17.) belegen die Einschätzung des Trainers. Zudem bewies auch Daniel Heuer Fernandes einmal mehr, dass auf ihn Verlass ist, wenn er gebraucht wird. Die Großchance von Emmanuel Iyoha aus der 15. Minute parierte der Schlussmann mit einem Riesenreflex.

Drei-Stufen-Plan zu Halbzeit

„Mit der Körpersprache, die wir von Beginn an gezeigt haben, wäre vielleicht auch mehr möglich gewesen“, befand Hecking im Anschluss an das Unentschieden. Doch leider konnte er nur den Konjunktiv gebrauchen, denn es kam anders. Und vor allem, als alle HSVer dachten. Denn in der 26. Minute ahndete Schiedsrichter Christian Dingert das harte Einsteigen von Bakery Jatta mit einer noch härteren Entscheidung: nämlich Rot. „Für mich ist es keine Rote Karte. Baka will zum Ball, der Gegenspieler nur blocken. Das sieht dann aufgrund der Dynamik alles sehr spektakulär aus, aber hätte der Schiedsrichter in dieser Szene einmal durchgeatmet, hätte er es auch bei einer Gelben Karte belassen können. Für uns war das sehr ärgerlich, weil wir danach unter Druck geraten sind“, befand Hecking. So nahm das Unglück seinen Lauf. Nach einem Fehlpass von Rick van Drongelen und einem Wegrutschen von Gideon Jung fiel auch noch kurz vor der Halbzeit das 1:0 für Holstein Kiel durch Janni Serra (43.), der die Unachtsamkeiten eiskalt ausnutzte.

Doch der HSV berappelte sich und trotzte dem harten Gegenwind an der Kieler Förde. Und zwar mit einem Drei-Stufen-Plan des Trainerteams, der in der Pause ausgetüftelt und besprochen wurde: Im 15-Minuten-Takt sollte sich die Taktik und die spielerische Ausrichtung in der zweiten Hälfte den veränderten Gegebenheiten anpassen. Zunächst wurde auf ein 4-3-2 umgestellt. „Wir wollten vorne weiter mit zwei Spielern anlaufen und mit drei laufstarken Sechsern spielen, die dann über die gesamte Breite verteidigen sollten, um erst einmal mit sieben Mann zu verteidigen und Stabilität zu bekommen. Das ist uns gut gelungen“, erklärte der Cheftrainer. In der 66. Minute kam dann Bobby Wood in die Partie und mit ihm das Zeichen, mutiger nach vorne zu agieren. Mit der Hereinnahme von Timo Letschert wurde dann auf ein 3-4-2 umgestellt, um in der Schlussphase volles Risiko zu gehen. „Wir hatten schon in der Halbzeit angesprochen, dass wir im Laufe des Spiels darauf umstellen. Erst noch breit aufgestellt, aber dann mit Raute, um im Zentrum unsere spielstarken Leute und ein Übergewicht gegen das Dreier-Mittelfeld von Holstein zu haben. Dadurch konnten wir auch mal lange Bälle auf Lukas und Bobby spielen, um dann mit dem vierten Mann im zentralen Mittelfeld auf den zweiten Ball zu kommen. So haben wir zum Ende den Druck aufbauen können“, verriet Hecking.

Bremser gab den Auftrag zum Tor

Es mündete in den letzten Minuten in einer Ecken-Serie und schließlich mit dem verdienten 1:1-Ausgleich durch Timo Letschert (90.+1), dem die Kugel nach einer Kopfball-Kerze von Dominik Schmidt im Grunde vor die Füße sprang. „Keiner ist hingegangen, keiner ist hochgesprungen, ich habe einfach versucht, meinen Fuß hinzuhalten. Manchmal braucht man auch Glück“, beschrieb der Torschütze seinen Last-Minute-Treffer, der für ihn allerdings auch gerecht war. „Wir haben sehr gut gekämpft. Mit zehn Mann ist es nicht einfach, am Ende haben wir aber ein Punkt verdient. Man konnte heute gut sehen, dass wir eine Mannschaft mit einer guten Ausdauer und einer guten Mentalität sind. Wir können immer ein Tor erzielen“, so der Niederländer, der vom Trainer bewusst für die Rolle in der Schlussphase ausgewählt wurde. „Mit ihm wollte ich einen ballsicheren Dreierketten-Spieler haben, der Ruhe ausstrahlt, hinten die dann entstehenden 1:1-Situationen löst und der das auch schon gespielt hat“, beschrieb Hecking seine Maßnahme.

Dass Letschert dann auch noch den Rat des Co-Trainer Dirk Bremser befolgte, war das i-Tüpfelchen des Nachmittags. „Er hat zu mir gesagt: Versuch ein Tor zu machen“, so der Abwehrspieler. Hat geklappt und bescherte das siebte Spiel ohne Niederlage. „Man sieht, dass wir sehr stabil sein können. Wir müssen uns von vielen Bewertungen lösen, sondern unser Ding durchziehen. Auch die anderen Mannschaften sind längst nicht so stabil, wie sie alle tun. Wir fahren mit unserer Linie gut. Wir sind gut, nicht sehr gut. Es wird immer wieder Spiele geben, wo wir selber unter Druck geraten und auch verlieren können“, sagte Hecking zum Abschluss. Wenn der Gefahr einer Niederlage durch unkalkulierbare Gegebenheiten mit einer so guten Reaktion getrotzt wird, dann ist der HSV auf einem guten Weg.