
Interview
10.09.25
Daniel Elfadli: „Das ist die Ironie des Lebens“
Im hsv.de-Interview spricht Defensiv-Allrounder Daniel Elfadli über die Erfüllung seines Bundesliga-Traums, Veränderungsprozesse in der Mannschaft sowie das Topspiel beim FC Bayern München und eine besondere Begegnung mit Serge Gnabry.
Bundesliga – vor wenigen Jahren schien die höchste deutsche Spielklasse für Daniel Elfadli noch unerreichbar. In der Saison 2021/22 bestritt er stattdessen mit dem VfR Aalen in der Regionalliga Südwest Partien gegen den TSV Steinbach Haiger, Bahlinger SC oder KSV Hessen Kassel. Seither hat der gebürtige Leonberger eine Erfolgsgeschichte geschrieben, die einem modernen Fußball-Märchen gleicht: Mit eiserner Disziplin und unbedingtem Willen schaffte er im Jahr 2022 beim 1. FC Magdeburg den Sprung in den Profifußball und unterschrieb im Alter von 25 Jahren seinen ersten Profivertrag. Zwei Jahre später wechselte „Fadli“ zum HSV und hatte als Schlüsselspieler entscheidenden Anteil an der langersehnten Bundesliga-Rückkehr der Rothosen. Und damit steht er nun genau dort, wo ihn einst kaum jemand erwartet hätte: in der Bundesliga, unmittelbar vor dem Topspiel des 3. Spieltags beim FC Bayern München. Im hsv.de-Interview spricht der Defensiv-Allrounder über sein Abenteuer in der Bundesliga, das bevorstehende Duell mit dem deutschen Rekordmeister und ein Wiedersehen mit Serge Gnabry.
hsv.de: Daniel, die Bundesliga-Saison ist gestartet und du bist im Alter von 28 Jahren erstmals mittendrin: Wie fühlt sich das in Anbetracht deines Karrierewegs als „Spätstarter“ an?
Daniel Elfadli: Das ist unbeschreiblich. Ich versuche, jede Minute, die ich auf dem Platz stehen darf, einfach zu genießen. Von diesen Momenten habe ich geträumt. Für mich persönlich ist das wirklich etwas ganz Besonderes, aber auch für uns als Mannschaft. Die Bundesliga mit dem HSV erleben zu können, verstärkt noch einmal dieses schöne Gefühl.

Inwiefern gab es in den vergangenen Wochen noch einmal besondere Momente, in denen dir das so richtig bewusst geworden ist, dass dein Traum Wirklichkeit geworden ist?
Nach dem Spiel in Gladbach habe ich mir etwas Zeit genommen, um das Ganze zu reflektieren. Und das war durchaus schwer. Denn plötzlich ist genau das real geworden, von dem du ganz lange geträumt hast und was sehr weit weg erschien. Das Spiel in Gladbach hat sich anfangs wie ein Testspiel angefühlt, weil ich es gefühlt einfach nicht glauben konnte. Mit etwas Abstand und Zeit weiß ich, dass der Traum jetzt Wirklichkeit ist. Ich habe viele Gespräche mit Freunden und der Familie geführt. Die sind natürlich sehr stolz. Und letztlich mache ich auch viel mit mir selbst aus. Ich bin die Momente aus der Vergangenheit durchgegangen, besonders auch die nicht so leichten und dann war die Freude umso größer.
Hat dein erstes Bundesliga-Trikot aus diesem Spiel einen besonderen Platz bekommen?
Nein, noch nicht. Es liegt noch bei mir zuhause ausgebreitet auf dem Tisch. Ich habe bisher nur das Datum von dem Spiel drauf geschrieben und es noch nicht wieder angefasst. Ich werde mir dafür aber noch einen ganz besonderen Platz überlegen.
"Du begegnest Spielern, die mit ihrer hohen Qualität zu jedem Zeitpunkt den Unterschied ausmachen können"
Welche grundsätzlichen Unterschiede konntest du an den ersten beiden Bundesliga-Spieltagen auf diesem Spielniveau feststellen?
Du merkst auf dem Platz, dass es ein ganz anderes Niveau ist. Du musst ständig wach sein. Gegen St. Pauli gab es beispielsweise eine Situation, in der ein Freistoß schnell ausgeführt wurde und es sofort sehr gefährlich war. Darüber hinaus begegnest du grundsätzlich einfach Spielern, die mit ihrer hohen Qualität zu jedem Zeitpunkt den Unterschied ausmachen können. Man wird sich schnell darüber bewusst, dass jede einzelne Situation das Spiel verändern kann und Chancen viel effizienter genutzt werden. Du bist dadurch automatisch noch konzentrierter.
In diesen Situationen spielen auch Physis und Dynamik eine Rolle. Täuscht der Eindruck, oder hast du im Sommer auch gezielt in puncto Kraft etwas zugelegt?
Ich habe mich weitestgehend wie immer auf eine neue Saison vorbereitet. Es ist klar, dass du Gegenspieler hast, die athletischer, kräftiger und schneller sind. Ich wusste, dass etwas anderes auf mich zukommen wird und habe mir vorgenommen, etwas stärker zu werden, um mithalten zu können. Mir schadet das sicherlich nicht, jetzt zwei, drei Kilo mehr zu haben. Das ist aber ein stetiger Prozess, ich habe im Sommer nicht extra einen Crash-Kurs gemacht, um Gewicht zuzunehmen.

Du absolvierst deine zweite Saison in Hamburg. Im vergangenen Jahr bist du vom 1. FC Magdeburg als Neuzugang zum Team gestoßen. Du warst in der Rolle des Herausforderers, hast anschließend voll überzeugt. Wie siehst du deine Situation und Rolle im zweiten Jahr beim HSV?
Ich sehe mich als jemand, der mit anschiebt, der laut ist und der positiv ist. Ich versuche, meinen Mitspielern bestmöglich zu helfen und möchte auch Verantwortung übernehmen. Ich kenne die Abläufe und das Umfeld im Club. Zudem habe ich einen guten Draht zu allen Spielern, versuche, mein Wissen und meine Erfahrung einzubringen, um für einen positiven Vibe zu sorgen. Es geht darum, voranzugehen und anzuschieben. Wir haben ein paar Spieler verloren, die diese Rolle im letzten Jahr übernommen haben. Ich bin mir bewusst, so eine Rolle zu übernehmen und noch mehr aus mir rauszukommen.
Wie nimmst du generell diesen Veränderungsprozess innerhalb der Mannschaft wahr?
Wir haben zweifellos viele neue Spieler. Es ist normal, dass es ein wenig Zeit braucht, bis sich alles wieder findet, zumal auch verschiedene Sprachen und Kulturen dazu gekommen sind. Wir haben unterm Strich aber Top-Charaktere im Team – das merkst du relativ schnell. Ich bin daher sehr optimistisch, dass wir weiterhin ein positives Umfeld im Team schaffen.
"Diese Klarheit wollen wir weiter in unser Spiel bekommen"
Es sind nicht nur neue Charaktere und Köpfe im Team, sondern ihr habt auch eure Spielweise weiterentwickelt. Wie weit seid ihr diesbezüglich als Team nach der Vorbereitung und den ersten beiden Spieltagen?
Wir entwickeln uns in jedem Training ein Stück weiter nach vorn. Wir haben eine neue Formation, neue Abläufe und neue Spieler. Man hat gesehen, dass wir über die bisherige Zeit der Vorbereitung und des Saisonstarts Fortschritte gemacht haben und die Dinge, die wir machen wollen, klarer für uns werden. Diese Klarheit wollen wir weiter in unser Spiel bekommen.
Inwieweit konnte die Länderspielpause genutzt werden, um daran weiterzuarbeiten und auch als Team weiter zusammenzuwachsen? Ihr habt nicht nur auf dem Platz trainiert, sondern auch Teamaktivitäten unternommen.
Es hilft in so einem Prozess immer, Zeit miteinander zu verbringen und über Fußball zu reden. Wir sprechen sehr viel über unser Spiel und in welchen Punkten wir noch besser werden können. Auch Aktivitäten abseits des Platzes helfen dabei, Freude und Spaß reinzubringen. Hier konnten wir in der Länderspielpause Fortschritte machen.
Jetzt sind zuletzt mit Sambi Lokonga und Fabio Vieira noch zwei weitere neue Spieler vom FC Arsenal zu euch gestoßen. Wie nimmst du ihre Qualität wahr?
Das sind zwei Top-Spieler, die auf ihre Weisen eine hohe Qualität haben. Sie geben uns verschiedene Elemente, die uns in unserem Spiel weiterhelfen werden. Besonders mit Blick auf den Spielübertrag nach vorn und auch die Kreativität in der Offensive. Uns hat es bisher etwas gefehlt, die vorderen Spieler in Szene zu setzen, um im letzten Drittel noch gefährlicher zu werden.

Am Sonnabend geht´s zum FC Bayern – dem absoluten Ligaprimus: Wie groß sind die Vorfreude und der Respekt vor diesem Spiel?
Es ist beides vorhanden. Natürlich hat man Riesenrespekt, weil es eine Top-Mannschaft in Europa ist. Auf der anderen Seite überwiegt die Vorfreude, weil es ein einmaliges Spiel ist. Ich weiß nicht, wie oft du ein solches Spiel in der Karriere hast. Deshalb muss man es mit Vorfreude angehen und sich mit Freude und Professionalität darauf vorbereiten. Wir fahren dahin mit der Überzeugung, das Spiel gewinnen zu können. Das ist mir wichtig zu betonen. Wir brauchen nicht zu einem Fußballspiel zu fahren, um mal zu schauen, wie es wird. Wir haben auch unsere Stärken und selbst wenn sich uns nur eine Chance bietet, versuchen wir diese zu nutzen. Wir brauchen uns nicht kleiner zu reden, als wir sind.
Wie geht man das Spiel dann an und bewältigt diesen Spagat zwischen dem von dir betonten Selbstbewusstsein und dem großen Respekt vor dem Gegner?
Es ist normal, dass du großen Respekt hast. Umso mehr musst du dir einreden, dass du auch eine Überzeugung mit reinbringst und wir auch Qualität haben. Es ist immer noch ein Fußballspiel und in einem Fußballspiel kann viel passieren. Wir glauben wirklich daran, etwas holen zu können. Wir werden mit diesem Mindset alles reinwerfen, auch in den schwierigen Phasen. Dass der Gegner dabei vermehrt den Ball haben wird, ist normal. Wir wollen geduldig im Spiel gegen den Ball sein und versuchen die Chancen zu nutzen, die sich uns bieten.
Abschließend: Bayern-Profi Serge Gnabry ist auf die gleiche Schule wie du gegangen. Er hat ebenfalls über Umwege den Weg zum Profi geschafft. Du hast einmal gesagt, dass er dir als Inspiration diente. Wie besonders ist es nun, in der Bundesliga auf ihn zu treffen?
Ja genau, ich habe ihn ein paar Mal auf dem Schulhof gesehen und habe später mit seinem Cousin Janick bei Reutlingen in der Oberliga zusammengespielt und eine Fahrgemeinschaft gebildet. Ich habe mir damals gedacht, dass es geil wäre, auch mal so einen Weg wie Serge zu gehen und irgendwann dort oben anzukommen. (lacht) Das war damals natürlich undenkbar. Dass es jetzt zum Aufeinandertreffen kommen wird, ist irgendwo witzig – das ist so ein bisschen die Ironie des Lebens.