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Verein

20.10.25

HSV setzt Zeichen am Tag der nicht-sichtbaren Beeinträchtigung

Stille Stunde in den Fanshops und Fokus auf ME/CFS – gemeinsam mit „Empty Stands“ für mehr Sichtbarkeit und Verständnis.

Am heutigen 20. Oktober wird weltweit auf den Tag der nicht-sichtbaren Beeinträchtigungen aufmerksam gemacht. Dieser Tag stellt Menschen in den Mittelpunkt, die mit gesundheitlichen Herausforderungen wie chronischen Erkrankungen, Schmerzen, Autoimmunerkrankungen, sensorischen Beeinträchtigungen oder auch psychischen Problemen leben und dabei alltägliche Barrieren überwinden müssen. Ziel ist es, das Bewusstsein für diese unsichtbaren Herausforderungen zu stärken und zu mehr Rücksichtnahme, Verständnis und Solidarität im Alltag beizutragen.

Der HSV beteiligt sich aktiv

Auch der HSV setzt an diesem Tag ein deutliches Zeichen: Neben einer weiteren Stillen Stunde in den HSV-Fanshops möchte der Verein in diesem Jahr besonders auf eine Erkrankung aufmerksam machen, die auch im HSV-Umfeld präsent ist – ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis / Chronisches Fatigue Syndrom). Gemeinsam mit der Fan-Initiative „Empty Stands“ möchte der HSV Bewusstsein für die Menschen schaffen, die durch ME/CFS derzeit nicht aktiv am Leben und am Fußball teilhaben können wie früher.

Was ist ME/CFS?

ME/CFS ist eine chronische, schwere Multisystemerkrankung, die meist nach Infektionen auftritt. Die Symptome sind vielfältig: extreme Erschöpfung, körperliche Schwäche, Schmerzen, Konzentrationsprobleme, Herzrasen und eine ausgeprägte Reizempfindlichkeit gegenüber Licht und Geräuschen. Das Leitsymptom von ME/CFS ist die sogenannte Post-Exertionelle Malaise (PEM) – eine unverhältnismäßige Verschlechterung des Gesundheitszustands, selbst nach geringer körperlicher, geistiger oder emotionaler Belastung. Diese tritt meist erst Stunden später auf und kann Tage, Wochen oder gar Monate anhalten. In Deutschland sind rund 650.000 Menschen von ME/CFS betroffen. Viele von ihnen können weder arbeiten noch am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Eine ursächliche Therapie gibt es bislang nicht – Forschung und Aufklärung sind daher entscheidend. Ein Teil der Long COVID Erkrankten entwickelt im Krankheitsverlauf auch ME/CFS.

„Empty Stands“ – leere Ränge mit Bedeutung

Die Initiative „Empty Stands“ ist ein Zusammenschluss von Fußballfans mit ME/CFS, Long COVID oder dem sogenannten Post-Vac-Syndrom. Viele von ihnen können nicht mehr aktiv am Stadionerlebnis teilhaben – ihre Leidenschaft für den Fußball aber bleibt. Mit Unterstützung von Fans aus über 40 Vereinen setzen sie sich dafür ein, dass ME/CFS sichtbar wird. Denn die leeren Plätze auf den Tribünen stehen sinnbildlich für all jene, die fehlen – im Leben, im Beruf, in der Schule und auf den Tribünen.

Die Initiative unterstützt außerdem die gemeinnützige ME/CFS Research Foundation, die biomedizinische Forschung fördert und internationale Wissenschaftler*innen vernetzt – mit dem Ziel, die Ursachen der Krankheit zu verstehen und wirksame Therapien zu entwickeln.wer nicht mehr im Stadion stehen kann, bleibt Teil der HSV-Familie.

Ein HSV-Mitarbeiter teilt seine Geschichte

Wie sich das Leben mit ME/CFS anfühlt, zeigt das Beispiel eines HSV-Mitarbeiters, der selbst daran erkrankt ist. In einem offenen Interview berichtet er über seinen Alltag, die Herausforderungen, die ME/CFS mit sich bringt, und seine Wünsche an die Gesellschaft: 

Empty Stands & ME/CFS Research Foundation: Wie sieht dein Alltag mit ME/CFS aus und welche Veränderung gehen mit der Erkrankung einher?

HSV-Mitarbeiter: „Ich probiere der Krankheit heute nur den Raum zu geben, den es braucht und ansonsten ein möglichst „normales“ Leben zu führen. Natürlich hat sich aber mit Beginn der Krankheit im Vergleich zu davor für mich so ziemlich alles verändert. Ich habe viel Sport gemacht, leidenschaftlich gerne Fußball gespielt, studiert, nebenbei gearbeitet und ein sehr aktives Leben geführt. All das war nicht mehr möglich, ich musste die Fußballschuhe an den Nagel hängen, mein Studium abbrechen, konnte nicht mehr arbeiten und war im Alltag erheblich eingeschränkt. Über die Jahre konnte ich mir einiges davon zurück erarbeiten, kann heute am Leben teilnehmen, arbeiten, mit Freunden ausgehen, leichten Sport machen und in den Urlaub fahren. All das zwar meist mit Symptomen wie Fatigue, starken Kopf- und Muskelschmerzen und nicht mehr in dem Umfang wie vor der Erkrankung, aber es geht. Ich probiere die Balance zu finden, zwischen Ruhe und Rücksichtnahme auf den Körper, aber trotzdem so viel Partizipation, Erlebnisse und positive Momente im Alltag wie möglich zu schaffen. Dadurch, dass jeder Tag mit Schmerzen und Symptomen startet und endet und das natürlich auch Auswirkung auf das emotionale und mentale Wohlbefinden hat, ist es für mich sehr wichtig dem auch diese positiven Erlebnisse entgegenzusetzen.“

Empty Stands & ME/CFS Research Foundation: Welche Bedeutung hat der HSV für dich und hat die Erkrankung etwas geändert?

HSV-Mitarbeiter: „Ich bin ein Hamburger Jung und der HSV ist mein Kindheitsverein. Heute für den Verein zu arbeiten, bedeutet mir sehr viel. Dass ich trotz ME/CFS so direkt am Verein teilhaben und ihn sogar mitgestalten kann, ist besonders für mich und ich bin sehr dankbar dafür. Anders als viele Betroffene kann ich noch (bzw. wieder) ins Stadion gehen und auch im Rahmen der Heimspiele in meiner Position beim HSV arbeiten. Das ist anstrengend und bedarf vor und nach dem Spiel viel Regulation, gute Planung und Rücksichtnahme auf den eigenen Körper, aber das ist es mir in großen Teilen wert. Für die Möglichkeit der Teilhabe, des Involviert-Seins und auch dem Sinn-stiftenden Gefühl ein Teil des Vereins zu sein und seinen Beitrag zu leisten, nehme ich die anschließende Symptom-Verschlechterung in Kauf. Mir ist bewusst, dass es ein Privileg ist, dass das heute so für mich funktioniert, und meine Gedanken und mein Mitgefühl sind bei all den Betroffenen, für die das nicht (mehr) möglich ist. Auch bei mir gab es Zeiten, da war an einen Stadion-Besuch nicht zu denken und ich war über einen längeren Zeitraum so schwer betroffen, dass ich bspw. die Wohnung nur kurz und unter starken Schmerzen verlassen konnte. Mehr als ein paar Minuten frische Luft am Tag waren nicht drin.             Die Zeit ist zum Glück vorbei und ich weise auch nicht darauf hin, um Betroffenheit auszulösen und ein düsteres Bild der Krankheit zu malen, sondern um Mitgefühl und Verständnis für ME/CFS-Betroffene und alle anderen Beeinträchtigten anzuregen, für die es meist schon ein enormer Kraft-Akt ist, einfach nur durch den Tag zu kommen. Aus dem Mitgefühl kann Rücksichtnahme und Unterstützung entstehen, die für die betroffenen Personen manchmal schon die Welt bedeuten und einen echten Unterschied machen können.“

Empty Stands & ME/CFS Research Foundation: Gibt es etwas, dass dir Hoffnung gibt?

HSV-Mitarbeiter: „Es gibt vieles, was mir Hoffnung gibt, aber ich sehe auch, dass wir in der Gesellschaft und im Versorgungssystem im Umgang mit ME/CFS noch einen weiten Weg zu gehen haben. Heute fühle ich mich in meinem persönlichen Umgang mit der Krankheit sicher, habe mich über die Jahre darauf einstellen und Wege und Techniken finden können, die Besserung versprechen. Das macht mir Hoffnung. Aber an diesen Punkt zu kommen, war ein langer und schwerer Weg, auf dem ich mit der Krankheit allein war und nicht die Unterstützung bekommen habe, die ich mir rückwirkend gewünscht hätte. Ich wünsche mir, dass alle Betroffenen jetzt und in Zukunft die Unterstützung erfahren, die sie verdienen und die Krankheit erfordert. Vom Gesundheitssystem und den Menschen um sie herum. Dadurch, dass ME/CFS eine recht unbekannte Krankheit ist, vergehen häufig Jahre bis zu Diagnosestellung. Ich kann aus eigner Erfahrung sagen, dass gerade diese Zeit besonders überfordernd ist und Angst macht. Ich denke, es ist ganz entscheidend, dass wir Betroffene möglichst frühzeitig durch geschultes Personal aufklären, sie im Umgang mit der Krankheit unterstützen und ihnen eine hoffnungsvolle Perspektive bieten. Auch wenn es nicht die Therapie gegen ME/CFS gibt, gibt es Menschen, die genesen oder zumindest erhebliche Besserung erfahren. Hier sollten wir forschen. Dafür brauch es Aufmerksamkeit und Ressourcen. Danke, Empty Stands & ME/CFS Research Foundation.“

 

Gemeinsam für Sichtbarkeit und Verständnis

Mit der Teilnahme am Tag der nicht-sichtbaren Beeinträchtigung und der Zusammenarbeit mit Empty Stands Stands & ME/CFS Research Foundation möchte der HSV ein Zeichen setzen – für Aufklärung, Empathie und Rücksichtnahme. Denn auch wer nicht mehr im Stadion stehen kann, bleibt Teil der HSV-Familie.