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Interview

09.11.21

"Ohne Kostensenkungen wäre die Krise nicht beherrschbar gewesen"

Vorstand Frank Wettstein bezieht im Interview Stellung zum Geschäftsverlauf und erläutert die Auswirkungen der Corona-Pandemie.

Der HSV-Aufsichtsrat hat den vom Vorstand aufgestellten Jahresabschluss der HSV Fußball AG zum 30. Juni 2021 gebilligt. Vorstand Frank Wettstein äußert sich im Interview zu den Zahlen. 

Der Aufsichtsrat hat den Jahresabschluss zum 30. Juni 2021 gebilligt. Wie fassen Sie den Geschäftsverlauf zusammen?

Frank Wettstein: Das Geschäftsjahr 2020/21 lässt sich auf Grund der pandemiebedingten Auswirkungen nicht ansatzweise mit anderen Perioden in der Geschichte des HSV vergleichen. Seit März 2020 lag unser vorrangiger Fokus auf der Sicherstellung der Liquidität. Dem HSV - wie allen Clubs und vielen anderen Unternehmen - drohten Umsatzausfälle auf nicht absehbare Zeit. Eine solche Situation haben wir alle noch nicht erlebt und es gibt dann auch keine vorgefertigten Lösungen, um einer solchen Krise entgegenzuwirken. Letztendlich ist es uns gelungen, jederzeit aus eigener Kraft über ausreichende Liquidität verfügen zu können. Und dabei haben wir weder die Verschuldung ausweiten noch eine negative Veränderung von Fälligkeiten oder Darlehenskonditionen tragen müssen. Nicht zuletzt ist es mit den gefundenen Lösungen auch gelungen, unser Eigenkapitalpolster nicht aufzehren zu müssen. Dennoch hätten wir gern auf die Erfahrungen der Pandemie verzichtet.

Welchen Anteil haben die beiden großen Einzelmaßnahmen, der Verkauf des Stadiongrundstücks und die Gewährung von Corona-Hilfen, bei der Bewältigung der Herausforderungen?

Ohne Frage sind diese beiden Maßnahmen neben der durchgeführten Kapitalerhöhung elementar für die Krisenbewältigung gewesen, gerade auch im Hinblick auf die zukünftigen Herausforderungen. Mit diesen Lösungen konnten wir weiterhin die Verschuldung reduzieren und unser Eigenkapital aufrechterhalten, was eben hinsichtlich anstehender Finanzierungen durchaus von Vorteil sein sollte. Ich habe vor meiner Zeit beim HSV schon einige Gläubigerversammlungen erleben dürfen und bin froh, dass wir in dieser extremen Situation davon absehen konnten.

Insgesamt hat der HSV einen Umsatzrückgang von mehr als 40 % gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen. Lässt sich in einer solchen Situation bei den betrieblichen Aufwendungen in annäherndem Umfang einsparen?

Man darf die Saison 2020/21 nicht mit dem Vorjahr vergleichen, da wir in der Zeit bereits von der Pandemie betroffen waren. Sachgerecht erscheint eher ein Vergleich mit der letzten Saison vor der Corona-Pandemie, der Spielzeit 2018/19, um das gesamte Ausmaß zu beziffern. In dieser Gegenüberstellung haben sich die Umsatzerlöse einer Saison um EUR 70 Mio. reduziert. Gleichzeitig sind aber auch die betrieblichen Aufwendungen um fast EUR 50 Mio. verringert. Ohne Kostensenkungen, ohne weitreichende Anpassungen aller Aufwandsarten, wäre die Krise nicht beherrschbar gewesen.

Wenn Sie nach vorn schauen, was erwarten Sie in der laufenden Saison?

Ich wünsche mir, dass wir uns weiterhin schrittweise der gekannten Normalität annähern und keine neuen Restriktionen erfahren. Auch diese Saison wird geprägt sein von finanziellen Einbußen. Dennoch hoffe ich, dass sich der nächste Jahresrückblick mit sportlichen Erfolgen und nicht mit der Pandemie beschäftigen muss.

Sie selbst haben dem Aufsichtsrat mitgeteilt, dass Sie diesen Jahresrückblick nicht vornehmen, sondern zum 31.05.2022 aus dem Vorstand ausscheiden werden. Was sind Ihre Beweggründe?

Ich denke, nach über sieben Jahren im Vorstand des HSV und mit dem absehbaren Ende der größten Krise in der Nachkriegszeit ist ein geeigneter Zeitpunkt gefunden, an dem beide Seiten neue Wege gehen können. Die auch mit diesem Jahresergebnis dokumentierte Krisenbewältigung im Team mit den Kolleginnen und Kollegen hat deutlich gezeigt, dass der HSV personell und organisatorisch gut gerüstet für die anstehenden Aufgaben ist.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Hier geht es zur Meldung zur Veröffentlichung des Geschäftsberichts 2020/21.