
DFB-Pokal
13.08.25
Kuntz vor Pokal in Pirmasens: Reise in die Vergangenheit
Stefan Kuntz ist ganz in der Nähe des kommenden DFB-Pokal-Gegners geboren und aufgewachsen. In der Jugend lieferte er sich einst packende Duelle mit dem FK Pirmasens, am Wochenende kehrt er als HSV-Vorstand zurück und weiß als DFB-Pokalsieger von 1990, worauf es in diesem Wettbewerb ankommt.
Pflichtspielstart für den HSV: Am Sonnabend starten die Rothosen im Rahmen der 1. Hauptrunde des DFB-Pokals beim FK Pirmasens in die neue Spielzeit (ab 12.45 Uhr live im HSVnetradio). Für Sportvorstand Stefan Kuntz stellt die Partie beim Oberligisten eine ganz besondere Begegnung dar. Schließlich geht’s für den 62-Jährigen in die unmittelbare Nähe seiner Heimat. Sein Geburtsort Neunkirchen liegt gerade einmal rund 40 Kilometer vom Spielort, dem „Sportpark Husterhöhe“ in Pirmasens, entfernt. „Die Klub“, wie der FK 03 Pirmasens von seinen Fans genannt wird, zählte in seiner Kindheit und Jugend nach dem 1. FC Kaiserslautern und neben dem 1. FC Saarbrücken sowie Borussia Neunkirchen – für den einst sein Vater Günter in der Bundesliga spielte – zu den großen Fußballclubs der Region. Damals noch im Stadion an der Zweibrücker Straße, dem legendären „Horeb“, beheimatet, war der FKP auch schon zuvor – allen voran in den 1950er-Jahren – eine echte Hausnummer im deutschen Fußball. In dieser Zeit kam es 1958 und 1962 im Rahmen der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft auch zu den beiden bisher einzigen Pflichtspielduellen mit dem HSV, die die Rothosen mit 2:1 sowie 6:3 für sich entscheiden konnten.
Kuntz, selbst im Jahr 1962 geboren, nahm den FK Pirmasens als Jugendspieler von Borussia Neunkirchen in der Mitte der 1970er-Jahre unter anderem als Gründungsmitglied der zunächst zweigleisigen 2. Bundesliga wahr. Dementsprechend groß war seine Freude, als am 15. Juni dieses Jahres bei der Auslosung der ersten DFB-Pokalrunde in Dortmund die HSV-Raute an der Seite des blau-weißen FKP-Logos erschien. „Für mich persönlich ist das natürlich ein besonderes Los. Ein Traditionsverein in meiner Heimat. Ich erinnere mich an viele heiße Duelle in meiner Jugend zwischen Borussia Neunkirchen und dem FK Pirmasens. Auch mein Vater lief dort in den 1960er-Jahren im alten Stadion auf“, ließ sich Kuntz zitieren.

„Mit notwendigem Glück Pokalsieger geworden“
In unmittelbarer Nachbarschaft zum diesjährigen Pokalgegner der Rothosen absolvierte Kuntz bei Borussia Neunkirchen (1970–83) sowohl seine fußballerische Ausbildung als auch seine ersten Schritte im Herrenbereich, ehe er als Oberliga-Torschützenkönig (36 Treffer) die Aufmerksamkeit des Bundesligisten VfL Bochum (1983–86) auf sich zog und ab dann eine herausragende und mittlerweile mehr als 40 Jahre umfassende Karriere im Profifußball als Spieler, Trainer und Funktionär einschlug. In der Grenzregion Neunkirchen/Pirmasens – sprich: dort, wo Saarland und Rheinland-Pfalz über die A8 verbunden sind – zählt Kuntz wohl zu den bedeutendsten Sportlern der Geschichte, nicht zuletzt aufgrund seiner Zeit als Spieler (1989–95) und Vorstand (2008–16) beim FCK.
Dabei hatte der gebürtige Saarländer in seiner Premieren-Saison 1989/90 mit den Pfälzern in der Bundesliga alles andere als einen guten Start erwischt, auch wenn am Ende völlig überraschend der Sieg im DFB-Pokal stand. „Das war eine irre Geschichte“, erinnert sich Kuntz. „Wir befanden uns in der Liga mitten im Abstiegskampf. Die Lauterer Mannschaft war damals relativ stark von Pfälzern und Saarländern besetzt, sodass wir wirklich Angst hatten, dass wir uns bei einem Abstieg nach unseren Karrieren nicht mehr beim Bäcker oder Metzger blicken lassen könnten, ohne beschimpft zu werden. Der Fokus lag also voll auf dem Klassenerhalt in der Liga.“
Im krassen Kontrast dazu stand die Pokalsaison der Pfälzer. „Im Vergleich zur Liga hatten wir im Pokal keinen großen Druck. Wir haben einfach drauflos gespielt, sind von Runde zu Runde gezogen und bis ins Endspiel gekommen“, so Kuntz. Auch im Finale gegen Werder Bremen waren der Mittelstürmer und seine Teamkollegen die krassen Außenseiter, gingen wider Erwarten bereits zur Halbzeit mit 3:0 in Führung, ehe plötzlich auch im Pokal der Kopf einsetzte. „Das ist das Verrückte am Sport. Erst in der Halbzeit begann die richtige Aufregung, weil plötzlich wieder das Umdenken im Kopf stattfand. Auf einmal hatten wir wieder etwas zu verlieren. Wir haben dann im zweiten Durchgang auch noch zwei Gegentreffer bekommen. Zudem hat Manni Burgsmüller noch eine Riesenchance vergeben und über das Tor geschossen. Wir sind am Ende auch mit dem notwendigen Glück Pokalsieger geworden.“

„Dieses zehnte Spiel dürfen wir nicht anbieten“
Kuntz und das Gewinnen gehörten fortan zusammen. Als Spieler holte er im Folgejahr die Deutsche Meisterschaft. Wenige Jahre später krönte er 1996 seine Laufbahn im Trikot der Nationalmannschaft mit dem Gewinn der Europameisterschaft. Statt Beschimpfungen beim Bäcker ausgesetzt zu sein, wurde Kuntz in ganz Fußballdeutschland ein „Household Name“. Nur folgerichtig blieb dieser Name auch nach seiner aktiven Laufbahn dem Fußball erhalten, und passenderweise ging es als Trainer rund um die Jahrtausendwende erneut beim Jugendclub Borussia Neunkirchen (1999–00) los, ehe er nach weiteren Stationen – unter anderem als Sportlicher Leiter beim VfL Bochum (2006–08), Vorstandsvorsitzender beim FCK (2008–16) sowie als Trainer der U21-Auswahl (2016–21) und Nationaltrainer der Türkei (2021–23) – im vergangenen Sommer 2024 im hohen Norden beim HSV landete. Nun steht mit der Raute auf der Brust die besondere Reise gen alte Heimat an.
„Der FK Pirmasens ist ein kleiner Verein, der schon seit zwei Wochen im Spielbetrieb ist. Die werden sich auch sagen, dass sie in neun von zehn Spielen gegen den HSV keine Chance haben werden, aber auf dieses zehnte Spiel werden sie es absehen. Es ist unsere Aufgabe, ihnen genau dieses zehnte Spiel nicht anzubieten“, weiß der 62-Jährige mit seiner Erfahrung aus 49 DFB-Pokalspielen nur zu gut, worauf es am Sonnabend ankommen wird. „Als Spieler war es uns immer extrem klar, dass wir in der ersten Runde körperlich und mental voll da sein müssen, um das Spiel zu gewinnen. Die vermeintlich höherklassige Mannschaft muss normalerweise körperlich, technisch und taktisch überlegen sein. Die letzte und ebenso entscheidende Komponente ist der Kopf. Du darfst in diesen Pokalspielen dem Gegner zum Beispiel keine frühe Führung schenken. Denn dann kann schnell das Publikum hinzukommen, die Beine beim Gegner werden leichter und die Unterschiede kommen nicht so schnell zum Tragen.“
Wie schnell das gehen kann, haben Stefan Kuntz und sein Vater Günter einst im „Horeb“ – „einem ganz traditionellen alten Stadion“ – selbst erlebt. Der 2004 anstelle dessen neu installierte „Sportpark Husterhöhe“ bietet bei einer Kapazität von 10.000 Zuschauern auch den Rahmen für Pokalüberraschungen, wie der FKP im Jahr 2006 im Erstrundenduell mit Werder Bremen (5:3 n. E.) schon einmal unter Beweis stellte. Der HSV will es selbstredend besser machen und die erste Pokalhürde souverän nehmen. „Wir wollen am Wochenende den ersten Grundstein legen, um auch in der Folge in der Bundesliga erfolgreich zu sein“, sagt Kuntz und freut sich auf ein Wiedersehen der besonderen Art.