Interview
01.07.21
Muheim: „Ich bin ein Kämpfer und will nie verlieren“
Neuzugang Miro Muheim hat beim HSV einen unglücklichen Start erwischt. Von seinem ambitionierten Weg lässt sich der international erfahrene Schweizer aber nicht abbringen.
Stell dir vor du wirst zu einem neuen Club verliehen, gehst voller Tatendrang in die erste Trainingseinheit – und ziehst dir dann eine Zerrung zu. Genau so ist es Miro Muheim ergangen, der am 15. Juni vom FC St. Gallen ausgeliehen wurde und sich drei Tage später (18. Juni) beim Vorbereitungsstart im Volkspark am Oberschenkel verletzte. Ein ungünstiger Start also, der den 23-jährigen Schweizer aber keinesfalls aus der Bahn wirft, schließlich hat der variabel einsetzbare Linksfuß im Laufe seiner noch jungen Karriere schon eine Menge erlebt. Der Mann, der auf den klangvollen Namen Miro Max Maria Muheim hört, ist international erfahren und trotz seines etwas unglücklichen Starts beim HSV voller Optimismus. Welche Fakten den 18-fachen Jugend-Nationalspieler so zuversichtlich stimmen und auf welche sportlichen und privaten Facetten sich die Rothosen-Fans einstellen können, erzählte der Neuzugang im HSV.de-Interview am Rande des Trainingslagers im bayerischen Grassau.
Miro, du hast dir in deinem ersten HSV-Training eine Zerrung zugezogen und kannst seitdem nur individuell trainieren. Deinen Start beim HSV hattest du dir sicherlich anders ausgemalt.
Ja, das war natürlich sehr frustrierend. Ich wollte direkt angreifen und mich zeigen, dann hat mich direkt diese Verletzung gestoppt. Jetzt entwickelt es sich aber gut, von daher bin ich optimistisch, dass ich zeitnah wieder ins Mannschaftstraining einsteigen kann.
Dass du in der Lage bist, ein Comeback zu schaffen, hast du bereits 2018 nachgewiesen, als du dich nach einem Kreuzbandriss zurückgekämpft hast. War das der größte Rückschlag deiner Karriere?
Das war bisher die einzig größere Verletzung, die ich erlitten habe. Ich denke aber, dass mir diese Erfahrung im Endeffekt sogar sehr geholfen hat. Ich habe viel gelernt und bin vor allem auf der mentalen Ebene stärker zurückgekommen.
Die Verletzung ereignete sich wenige Wochen nach deiner Rückkehr in die Schweiz. Zuvor hast du rund dreieinhalb Jahre für den FC Chelsea in der Jugend gespielt. Wie kam der Transfer im Alter von 16 Jahren zustande?
Die Scouts von Chelsea haben mich auf einem internationalen Turnier gesichtet, als ich noch für den FC Zürich gespielt habe. Danach haben sie mich auch in der Meisterschaft gesehen und wollten mich schließlich verpflichten. Das war ein unglaubliches Gefühl, aber anfangs wollte ich gar nicht unbedingt gehen und lieber in der Heimat beim FC Zürich den Durchbruch schaffen. Schließlich habe ich mich dann aber doch dafür entschieden, weil ich die Sorge hatte, dass ich eine einmalige Chance auslassen könnte.
Bei den Londonern hast du mit aktuellen Champions-League-Siegern wie Mason Mount und Tammy Abraham zusammengespielt. Was hast du aus der Zeit und von diesen Mitspielern mitgenommen?
Dort ist einfach alles sehr beeindruckend. Die Infrastruktur ist gigantisch, die Trainer sind wirklich sehr gut. Ich habe brutal viel gelernt, auch wenn es neben dem Platz nicht immer einfach war. Ich war als Teenager das erste Mal von zuhause weg und auf mich allein gestellt. Natürlich kam dann auch mal Heimweh auf. Mit der Zeit habe ich aber gelernt, selbstständiger zu werden. Diese Auslandserfahrung wird mir auch jetzt für meine Zeit in Hamburg helfen.
Beschreib das doch mal etwas genauer.
Ich habe die ersten zwei Jahre bei einer Gastfamilie gelebt, die insgesamt vier Spieler aus der Chelsea-Jugend beherbergt hat. Einer der Jungs war Andreas Christensen, der vor kurzem auch die Champions League gewonnen hat und jetzt mit Dänemark im EM-Viertelfinale steht. Nach meinem 18. Geburtstag bin ich in eine eigene Wohnung gezogen und habe dort dann allein gelebt.
Trotz deiner stabilen Entwicklung bist du im Januar 2018 endgültig in die Schweiz zurückgekehrt und hast beim FC St. Gallen unterschrieben.
Genau. Ich habe für mich entschieden, dass ich mich im Profifußball etablieren möchte. Beim FC Chelsea war der Weg in die 1. Mannschaft sehr weit. Dazu kam noch, dass ich meine Heimat vermisst habe.
Es folgten zweieinhalb gute Jahre mit 66 Pflichtspieleinsätzen und nun die Leihe zum HSV. Auf welche Art Spielertyp können sich die Rothosen-Fans freuen?
Da ich seit zwei Jahren im Prinzip nur als Linksverteidiger gespielt habe, würde ich das schon als meine Hauptposition ansehen. In der Jugend habe ich aber auch offensiver gespielt, deswegen kann ich sicher auch als Linksaußen auflaufen. Ich habe viel Vorwärtsdrang, ein gutes Tempo und einen starken linken Fuß. Zudem bin ich ein Kämpfer, der nie verlieren will. Schon als Kind war ich sehr anstrengend, was das angeht, habe auf Niederlagen in allen Bereichen allergisch reagiert. Auf dem Platz war ich meinen Mitspielern gegenüber dann auch mal richtig laut und unangenehm. Über die Jahre habe ich mich diesbezüglich aber deutlich verbessert.
Spiegelt sich das auch in deinem Privatleben wider?
Im Prinzip bin ich eher ein ruhiger Typ und werde erst offener, wenn ich die Menschen kennengelernt habe. Ein wichtiger Bezugspunkt für mich ist meine Freundin, die ich mit nach Hamburg bringe. Mit ihr war ich schon zusammen, als ich in England war, damals haben wir eine Fernbeziehung geführt. Auf der beruflichen Ebene interessieren mich Architektur und Interior Design, ich freue mich auch schon sehr darauf, meine Wohnung einzurichten. Das Faible dafür habe ich sicher von meiner Mutter geerbt, die als Kunstmalerin arbeitet.
Eine künstlerische Note besitzt auch die Spielidee von Tim Walter. Hast du dich im Zuge deines Wechsels diesbezüglich mit dem Coach ausgetauscht?
Wir haben telefoniert und es hat mich wirklich beeindruckt. Es ist mega spannend, fordert jeden Spieler und fördert die Entwicklung. Das Spielsystem ist wirklich interessant und kann greifen, wenn wir die Prinzipien alle gut verinnerlichen. Genau deswegen freue ich mich umso mehr auf meine Rückkehr ins Teamtraining.