
Interview
27.12.25
Miro Muheim im Jahresrückblick: „2025 war voller Emotionen!“
Aufstieg, Bundesliga-Rückkehr und Nationalmannschaft: Hinter Linksverteidiger Miro Muheim liegt ein ebenso intensives wie emotionales Jahr 2025, auf das er im HSV.de-Interview ausführlich zurückblickt.
HSV.de: Miro, ein ereignisreiches Jahr 2025 liegt hinter dir und allen HSVern. Wenn du dieses Jahr mit einem Wort oder einer Überschrift beschreiben müsstest – welche wäre das?
Miro Muheim: Emotional. Es war ein Jahr voller Emotionen. Besonders der Aufstieg war extrem bewegend, genauso wie der Start in die Bundesliga-Saison. Dahinter steckt unglaublich viel harte Arbeit – mit vielen Höhen, aber auch einigen Tiefen.
Was waren deine Highlights des Jahres?
Ein riesiges Highlight war auf jeden Fall der Aufstieg und die anschließende Feier auf dem Rathausmarkt. Diese Tage waren einfach extrem und die Bilder davon bleiben für immer. Auch das erste Bundesliga-Spiel sowie die Partien gegen Dortmund und Stuttgart, in denen das Stadion förmlich explodiert ist, sind für mich unvergessen. Diese Momente kommen mir sofort in den Kopf, wenn ich an das Jahr zurückdenke.

Lass uns etwas durchs Jahr reisen: Zum Jahreswechsel ist Merlin Polzin vom Interims- zum Cheftrainer aufgestiegen und hat unter dem Motto „136“ den Aufstieg ausgerufen. Er hat rückblickend gesagt, dass es nicht die Frage war, ob ihr aufsteigt, sondern wann. Wann hattest du erstmals das Gefühl, dass es in diesem Jahr wirklich funktioniert?
Das erste richtige Gefühl, dass wir es in diesem Jahr schaffen könnten, hatte ich im Trainingslager in Belek. Dort hat es für mich so richtig angefangen. Die Stimmung innerhalb der Mannschaft war richtig gut, wir haben intensiv miteinander gearbeitet und sind voller Energie zurückgekommen, weil alle mitgezogen haben. Das hat sich dann auch in unsere Köpfe gebrannt: Wir sind eine gute Mannschaft, wenn jeder Einzelne alles für das Team investiert. Jeder hat sich und sein Ego zurückgestellt und alles der Mannschaft untergeordnet. Ab diesem Moment hat sich etwas entwickelt.
Gab es weitere Schlüsselmomente auf dem Weg zum Aufstieg?
Ja, es gab natürlich auch in dieser Saison schlechtere Phasen – auch in der Rückrunde und zum Ende der Saison. Aber als es darauf ankam, zum Beispiel beim Spiel in Darmstadt, waren wir als Mannschaft voll da. Das war ein dreckiges Spiel, ein Kampfspiel. Solche Spiele, ich denke beispielsweise auch an den Last-Minute-Sieg in Münster zurück, haben wir in den letzten Jahren oft nicht für uns entschieden. Das war dieses Mal anders und auch deshalb haben wir uns in diesem Jahr endlich belohnt.

Dem Spiel in Darmstadt folgte das Aufstiegsspiel am 10. Mai gegen Ulm. Was ging dir durch den Kopf, als diese Partie abgepfiffen wurde?
Das waren ganz viele Emotionen auf einmal. Ich kann gar nicht zusammenfassen, wie ich mich gefühlt habe – erleichtert, glücklich … es war eine Mischung aus so vielen Gefühlen. Es war ein unglaublicher Moment, und es fällt mir heute noch schwer, das nachzuempfinden und zu beschreiben.
Das Spiel gegen Ulm, die Party im Stadion und dann eine Woche später die Feierlichkeiten mit 80.000 Menschen in der Stadt. Was war in dieser Gemengelage dein ganz persönlicher Aufstiegsmoment?
Für mich war es krass, als ich im Spiel gegen Ulm ausgewechselt wurde und neben der Bank auf dem Boden saß. In diesem Moment konnte ich realisieren, was wir geschafft haben. Ich habe die Stimmung und die Energie der Fans aufgesogen und war einfach überwältigt von meinen Gefühlen.
Bei all diesen Emotionen: Wann kam der Moment, dass du das alles verarbeiten konntest?
Ich weiß nicht, ob ich das überhaupt schon vollständig verarbeitet habe. (lacht) Als ich nach der Saison im Urlaub war und mit einem Cocktail in der Hand am Strand auf der Sonnenliege lag, hatte ich etwas Zeit, alles sacken zu lassen und Revue passieren zu lassen. Da habe ich realisiert, wie krass das Ganze war – vor allem auch mit den Fans. Ich wusste schon vorher, wie groß dieser Verein ist, aber mit dem Aufstieg ist mir das noch einmal bewusster geworden. Die Feier auf dem Rathausmarkt und die Fahrt mit den Trucks durch die Stadt um die Alster herum – da hat sich die ganze Strahlkraft des HSV gezeigt.

Viel Zeit zum Durchatmen gab es für dich persönlich nicht – du bist unmittelbar nach dem Aufstieg mit der Nationalmannschaft in die USA gereist. Welche Rolle nimmt die Nationalmannschaft in deinem Jahresrückblick und generell für dich ein?
Eine große Rolle. Es ist ein Traum, sein Land vertreten zu dürfen, und ich genieße jede Spielminute. Ich wurde ja bereits nominiert, als wir noch in der 2. Liga gespielt haben, womit ich überhaupt nicht gerechnet hatte. Umso schöner war es für mich, meine ersten Spiele zu absolvieren. Es ist insgesamt eine große Ehre, und das spürt man auch. Ich bekomme viele Nachrichten aus der Familie oder von Freunden – alle sind glücklich und freuen sich mit mir, dass ich für die Nationalmannschaft spielen darf.
In den USA, Kanada und Mexiko findet im nächsten Jahr die Weltmeisterschaft 2026 statt. Wie groß ist der Traum, dort dabei zu sein?
Das ist ein riesiger Traum, den ich habe, seitdem ich ganz klein bin. Ich erinnere mich noch gut an die Weltmeisterschaften 2006 in Deutschland oder 2010 in Südafrika. Es war Sommer, alle waren draußen, überall lief Fußball und es herrschte einfach eine geile Stimmung. Für mich waren die Sommer mit einer WM immer die besten. Da hatte ich selbst richtig Bock zu kicken und habe beispielsweise so getan, als wäre ich Diego Forlán und würde den Ball unter die Latte knallen. Ich habe auch immer die Panini-Hefte gesammelt. Jetzt selbst als Nationalspieler Teil dieses Turniers werden zu können, fühlt sich etwas surreal an und wäre für mich etwas ganz Besonderes.

Blicken wir zurück auf das Jahr 2025 und den HSV. Ende August war der Club nach sieben Jahren endlich zurück in der Bundesliga – und du mittendrin. Wie hat es sich angefühlt, endlich Bundesliga-Spieler zu sein?
Das war ein sehr cooles Gefühl, aber gleichzeitig war sofort klar: Jetzt geht die Arbeit los. Wir wussten, dass es nicht einfach wird und viel auf uns zukommen würde. Es gab viele Veränderungen im Team, das war zunächst eine große Umstellung. Man musste sich mit den neuen Spielern finden und gleichzeitig verarbeiten, dass viele Spieler, zu denen man ein gutes Verhältnis hatte, nicht mehr dabei waren.
Auch taktisch hat sich viel verändert. Man kam aus der Sommerpause zurück und hat schnell gemerkt: Es ist nun vieles anders, und du musst richtig Gas geben, um in der Bundesliga bestehen zu können. Aber genau darauf habe ich mich gefreut – auf diese harte Arbeit und darauf, dass wir endlich zeigen können, dass wir in die Bundesliga gehören.
Was sind für dich die größten Unterschiede zur 2. Bundesliga?
In der Bundesliga sind die individuelle Qualität und das Tempo deutlich höher. Dadurch werden Fehler schneller bestraft. Du musst dich deshalb noch mehr auf die Mannschaft verlassen können und das gesamte Konstrukt muss funktionieren. Wenn nur einer seine Aufgabe nicht erfüllt, wird es schwer. Alle müssen gemeinsam als Mannschaft agieren und funktionieren.
Wo steht ihr nach 15 Spieltagen, welche Entwicklung habt ihr als Mannschaft genommen?
Ich denke, dass wir uns mannschaftstaktisch sehr gut entwickelt haben. Natürlich gibt es einzelne Spiele, mit denen wir gar nicht zufrieden sind, aber insgesamt haben wir Fortschritte gemacht. Offensiv sind wir noch nicht ganz dort, wo wir hinwollen. Zugleich sind wir defensiv stabil, hatten viele Spiele, in denen wir gut verteidigt und eine super Moral bewiesen haben. Wir haben etwa in den Spielen gegen Dortmund und Stuttgart bis zum Ende an uns geglaubt und uns belohnt.

Du hast viele Veränderungen innerhalb der Mannschaft und der Spielweise angerissen. Was kommt in dieser Entwicklung zuerst: Kommt die Gemeinschaft wieder durch die Erfolge oder schafft man zuerst die Gemeinschaft und wird dadurch erfolgreich?
Es ist beides. Zunächst einmal muss man in der neuen Konstellation gemeinsam auf dem Platz stehen: Man fängt an, jemandem zu vertrauen, wenn man weiß, dass er alles für einen auf dem Platz gibt und umgekehrt. Dadurch entsteht langsam das Vertrauen. Auch zuvor können Gespräche in der Kabine und Mannschaftsabende helfen, um sich besser kennenzulernen, aber am Ende passiert das in meinen Augen vor allem auf dem Platz. Dort merkt man, wie der andere Spieler tickt, wie er Fußball spielt und wie man mit ihm kommunizieren kann. Die Entwicklung der Mannschaft entsteht, wenn man gemeinsam Sachen erlebt – da gehören positive, aber auch negative Erlebnisse dazu. Das schweißt einfach zusammen. Und diese Entwicklung dauert immer eine Weile. Das geht nicht von heute auf morgen.
Du bist nach wie vor Teil der Leadership-Group und hast in dieser Saison auch vermehrt die Kapitänsbinde getragen. Inwieweit bist du im Jahr 2025 als Fußballer und Persönlichkeit nochmal gereift?
Ich denke, dass ich in diesem Jahr nochmal einen großen Schritt gemacht habe. Zur neuen Saison haben wir ein paar Spieler aus der Leadership-Group verloren – gute Leader, die für die Mannschaft extrem wichtig waren. Dann war es wichtig, dass diese Aufgaben übernommen werden, und das habe ich bei mir gesehen und versucht zu übernehmen. Fußballerisch habe ich ebenfalls Fortschritte gemacht. Auch wenn sich meine Aufgaben auf dem Platz verändert haben, weil wir nicht mehr so viel Ballbesitz haben wie in der 2. Liga, habe ich diese gut angenommen. Es gibt immer noch viel Arbeit, aber wir als Mannschaft und das Trainerteam wollen jeden Tag besser werden und man merkt, dass wir uns weiterentwickeln.

Wenn du auf das Jahr 2025 abseits des Platzes zurückblickst: Was hat dich geprägt oder bewegt?
Das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Es war sicherlich prägend, dass viele Spieler, die zu echten Freunden geworden sind, gegangen sind und nicht mehr länger hier geblieben sind. Das hat mich schon berührt und etwas länger beschäftigt. Zugleich ist das ein Teil des Profifußballs. Mitspieler gehen und neue Mitspieler kommen. In dieser Saison sind sehr viele Spieler dazugekommen und ich habe dadurch auch wieder viele neue tolle Persönlichkeiten kennengelernt. Es sind coole Typen in unsere Mannschaft gekommen und das nimmt dann auch privat viel Raum ein.
Hast du im Jahr 2025 etwas Neues gelernt?
Ja, ich habe tatsächlich angefangen, Spanisch zu lernen. Das macht mir wirklich viel Spaß, aber ganz so gut bin ich noch nicht. Ich mag die Sprache sehr gern, war im Sommer auch in Spanien im Urlaub und lerne nun fleißig im Online-Kurs und über eine Sprach-App.
Abschließend: Nun steht ein neues Jahr vor der Tür: Bist du ein Freund von Jahresvorsätzen oder wie sehen deine Ziele für 2026 aus?
Nein, wenn ich etwas verändern will oder neue Dinge lernen will, dann warte ich nicht auf den Jahreswechsel, sondern gehe das direkt an. (lacht) Fußballerisch gesehen, will ich im neuen Jahr auf jeden Fall wieder angreifen, noch besser werden und mich weiterentwickeln – ich will einfach gemeinsam mit der Mannschaft weiter zeigen, was wir draufhaben.
