
Saison
03.11.25
Pherai: „Bitterer kann es nicht laufen“
In Köln sah Immanuel Pherai die schnellste Gelb-Rote Karte der Bundesliga-Geschichte. Wie er über diese Szene denkt und warum ihn die daraus resultierende Sperre für das Heimspiel gegen seinen Ex-Club Borussia Dortmund so sehr schmerzt, erklärt er im HSV.de-Interview.
Manu, du hast in Köln nach deiner Einwechslung innerhalb von nur drei Minuten die Gelb-Rote Karte gesehen. Wie hast du diese sehr kuriose Situation erlebt und bewertet?
Immanuel Pherai: Meine erste Gelbe Karte fand ich nachvollziehbar, auch wenn ich erst eine Minute auf dem Feld war und es logischerweise mein erstes Foul war. Aber die zweite Gelbe Karte war absolut bitter. Denn ich habe gesehen, dass der Kopfball des Kölner Abwehrspielers zu kurz kommt und ich eine Chance habe, an den Ball zu kommen, rutsche dann aber direkt vor meinem Gegenspieler auf dem seifigen Boden aus und in seine Beine rein. Ich konnte es einfach nicht verhindern. Und ich habe es in dem Moment auch nicht so richtig mitbekommen, denn er ist mit seinem Knie voll auf meine Brust geknallt und ich war kurzzeitig etwas neben der Spur. Erst unser Doc hat mir nach der Behandlung beim Aufhelfen gesagt, dass ich Gelb bekommen habe und vom Platz muss. Eine absolut verrückte und total bittere Situation!

Der Schiedsrichter begründete seine Entscheidung mit deiner zu großen Dynamik in dieser Situation.
Die Dynamik ist entstanden, weil ich die reelle Chance gesehen habe, vor meinem Gegenspieler an den Ball zu kommen – was ja auch geklappt hätte, wenn ich nicht ausgerutscht wäre. Ich habe heute Morgen das erste Mal die Fernsehbilder gesehen und muss sagen, dass es nach einem heftigen Zusammenstoß aussieht, aber es war überhaupt nicht meine Absicht und nur der Tatsache geschuldet, dass ich unglücklich weggerutscht bin.
Es war die schnellste Gelb-Rote Karte der Bundesliga-Geschichte.
Diesen Bundesliga-Rekord wollte ich nun wirklich nicht haben, das ist echte Scheiße. Das Schlimmste ist aber, dass ich jetzt aufgrund der Sperre und der anschließenden Länderspielpause wieder zwei, drei Wochen nicht spielen kann. Die Schmerzen, die ich aufgrund des Zusammenpralls habe, sind zudem unangenehm, aber zumindest kann ich trainieren. Aber die erneute Spielpause tut weh.
Zumal du dich zuletzt erst gerade wieder herangekämpft hattest. Du hast einige Male in der U21 gespielt und deine Nationalmannschaftsreisen abgesagt. Wie ist es zu diesen Entscheidungen gekommen?
Nach meiner Knieverletzung zum Vorbereitungsstart wollte ich einfach alles tun, um wieder Spielpraxis zu sammeln und in meinen Rhythmus reinzukommen. Das war für mich das Wichtigste. Deshalb habe ich diese Entscheidungen getroffen, weil ich diese Praxis für meinen Kopf und meine Physis brauchte. Ich bin froh, dass ich jetzt wieder gesund bin und mich wieder gut fühle.

Belohnt wurde dein Einsatz mit den ersten Bundesliga-Einsätzen für den HSV in Leipzig und zuhause gegen den VfL Wolfsburg. Wie hat es sich angefühlt, auf der größtmöglichen Fußballbühne Deutschlands für den HSV zu spielen?
Ich war schon ein bisschen stolz, aber wirklich nur ein bisschen. Klar, für den HSV in der Bundesliga zu spielen, das war von Beginn an mein großes Ziel, denn das ist mit diesem Club etwas Besonderes. Ich hätte schon früher in die Bundesliga wechseln können, aber ich wollte unbedingt zum HSV, um es mit diesem Verein zu schaffen. Aber ich konnte nicht zu 100 Prozent stolz sein, weil wir die beiden Spiele verloren haben, obwohl ich jedes Mal bei meiner Einwechslung das Gefühl hatte, dass noch etwas geht und wir noch erfolgreich sein können. Aber am Ende haben wir verloren – und ich hasse es, zu verlieren. Deshalb überwog der Frust dann doch eher. In Köln natürlich genauso. Ich stehe zur Einwechslung bereit, glaube zu 100 Prozent daran, dass wir dieses Spiel noch drehen werden, und dann gehe ich zweieinhalb Minuten später von unseren Ärzten gestützt schon wieder in die Kabine. Bitterer kann es nicht laufen.
Zumal du aufgrund der Gelb-Roten Karte ein Spiel gesperrt fehlen wirst – ausgerechnet gegen Borussia Dortmund und damit den Club, bei dem du Profi geworden bist.
Gegen Dortmund gesperrt zu sein, tut nochmal mehr weh als die ganze Situation ohnehin schon. Ich hatte im Vorwege für Freunde und Familie 15 Tickets besorgt, denn alle wollten bei diesem Spiel unbedingt dabei sein – und jetzt kann ich mit ihnen zusammen das Spiel von der Tribüne aus angucken. Das ist einfach nur bitter und tut mir richtig doll weh. Das ist mein persönlicher Tiefpunkt eines bis hierhin ohnehin verkorksten Jahres 2025.
Ist deine Verbindung nach Dortmund also noch immer aktiv?
Der BVB ist für mich eine tiefere Geschichte, als man vielleicht denkt oder ahnt. Denn ich bin mit 16 Jahren aus meiner Heimat nach Dortmund gewechselt, weil man mir dort die Perspektive aufgezeigt hat, Profi werden zu können. Das war ein großer Schritt für mich persönlich, aber auch für meine ganze Familie. Wir hatten es damals nicht so leicht und ich konnte meine Eltern mit der Unterschrift beim BVB auf Anhieb finanziell unterstützen. Das hat unser Leben verändert. Dafür bin ich dankbar und auch ein bisschen stolz, dass ich es beim BVB geschafft habe, in der Bundesliga aufzulaufen. Ich habe so viel mit Borussia Dortmund erlebt, vom Internat über die ersten Profi-Trainings, von der Bundesliga über die Champions League und das erste Mal vor der Gelben Wand. Alle Träume, die ich damals hatte, sind beim BVB wahr geworden – umso mehr tut es jetzt weh, in diesem Spiel nicht dabei sein zu können.

Gibt es denn auch noch Kontakt zu BVB-Spielern oder -Verantwortlichen?
Die Spieler, mit denen ich damals im Nachwuchs oder dann auch später bei den Profis zusammengespielt und zu denen ich teils bis heute den Kontakt gehalten habe, sind mittlerweile alle bei anderen Clubs – darunter etwa Patrick Osterhage, Ansgar Knauff, Youssoufa Moukoko, Erling Haaland oder Gio Reyna. Aber Lars Ricken ist noch dort, Sebastian Kehl, dazu viele der Trainer und Scouts – ich habe in Dortmund viele tolle Menschen kennengelernt, auf die ich mich am Samstag freue.
Wie schätzt du den BVB denn sportlich ein und was für ein Spiel wird den HSV am Samstag erwarten?
Wenn man an Dortmund denkt, dann denkt man automatisch an die Mannschaft, die Jahr für Jahr als größter Konkurrent des FC Bayern versucht, den Münchnern die Meisterschaft streitig zu machen und auch in der Champions League immer eine gute Rolle spielt. Sie haben eine große individuelle Klasse, das ist keine Frage, aber ich bin überzeugt: Wir haben uns als Mannschaft so gut weiterentwickelt, dass wir immer für eine Überraschung gut sind.
