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Interview

15.03.17

"Everybody's Darling zu sein, gelingt keinem"

Im Interview mit HSV.de äußert sich Heribert Bruchhagen zu seiner Rückkehr nach Frankfurt, zum Spiel gegen die Eintracht und die Entwicklung beim HSV.

Seit genau drei Monaten ist Heribert Bruchhagen Vorstandsvorsitzender beim Hamburger SV. Am Sonnabend (18. März, ab 18:15 Uhr live im HSVnetradio) steht nun mit der Partie gegen Eintracht Frankfurt die erste Rückkehr zu dem Verein bevor, bei dem der 68-Jährige stolze 13 Jahre lang in gleicher Position aktiv war. „Eigentlich ist es ein ganz normales Bundesliga-Spiel“, sagt er. Wie Bruchhagen das meint, warum er sich auf die Rückkehr freut und wie er die Entwicklung beim HSV bewertet, erklärt er im Interview mit HSV.de.

HSV.de: Das Volksparkstadion ist zuletzt wieder zu Festung geworden. Seit sieben Heimspielen ist die Mannschaft ungeschlagen, zuletzt gab es gegen Hertha BSC (1:0) und Borussia Mönchengladbach (2:1) zwei ganz wichtige Siege. Wie haben Sie die letzten beiden Heimspiele gesehen?

Bruchhagen: Ich freue mich natürlich sehr darüber. Und ich muss sagen, dass ich bislang das große Glück hatte, bis auf das Pokalspiel gegen Gladbach noch keine Niederlage gesehen zu haben. Mein erstes Spiel war das gegen Schalke 04, da habe ich die Partie noch aus der Loge von Herrn Plambeck gesehen, weil ich mich noch nicht zeigen wollte. Ich habe also noch keine Heimniederlage des Hamburger SV in der Bundesliga erlebt. Das kann gerne auch so bleiben.

Was machen die Fans aus?

Es ist natürlich eine große Unterstützung, die wir erfahren. Das ist sicherlich nicht selbstverständlich, weil wir zu Beginn der Saison mit zwei Punkten aus zehn Spielen stark enttäuscht haben. Das letzte Spiel gegen Gladbach war ein klassischer Hexenkessel. Das wurde mir auch hinterher von Dieter Hecking bestätigt, der sagte: ´Wir sind hier in der zweiten Halbzeit so unter Druck geraten. Ich habe auch keine Erklärung dafür.´ Das hat sicherlich auch mit der fanatischen Unterstützung zu tun.

Unterstützung gab es auch in Frankfurt immer. Sie waren bei der Eintracht 13 Jahre lang Vorstandsvorsitzender. Am Wochenende steht nun das Spiel gegen Ihren Ex-Klub an. Kribbelt es schon?

Ich habe in dieser Woche so viele Anfragen von Medien, wie ich es in 29 Jahren Bundesliga noch nicht erlebt habe. Alle wollen eine Story daraus machen, dass ich 13 Jahre Vorstandvorsitzender bei der Eintracht war und nun in gleicher Position beim HSV bin. Klar, kann man das machen. Aber eigentlich ist es ein ganz normales Bundesliga-Spiel zwischen dem Tabellensechsten und dem Tabellensechzehnten. Die Frankfurter wollen am Ende der Saison unbedingt in den internationalen Fußball und wir müssen den Klassenerhalt schaffen.

Was erwarten Sie für ein Spiel?

Für beide geht es um sehr viel. Das wird ein hochspannendes Spiel, aber eine Prognose wage ich nicht, denn jedes Spiel bekommt eine Eigendynamik. Ich hoffe natürlich, dass wir das Gesicht aus dem Spiel in Leipzig zeigen und nicht das aus München. Ein bisschen Wundertüte sind wir bei den Auswärtsspielen, die ich gesehen habe, schon.

Inwiefern verfolgen Sie denn eigentlich noch Eintracht Frankfurt?

Sehr intensiv. Das ist doch klar. Ich kenne fast alle Spieler noch. Alex Meier habe ich beispielsweise vor 12 Jahren aus Hamburg geholt. Er ist mir komplett ans Herz gewachsen. Es ist ganz menschlich, dass man den Verein, den man 13 Jahre lang geleitet hat, auch noch intensivst verfolgt. Aber meine Sympathien und Wünsche am Wochenende gelten natürlich ausschließlich dem HSV.

In Frankfurt kennen Sie viele Protagonisten noch. Inwieweit ist es dann doch kein normales Bundesliga-Spiel?

Es ist doch klar, dass ich mich auf alle ehemaligen Arbeitskollegen, Mitarbeiter und andere Personen freue. Man hat über die Jahre ja auch eine zwischenmenschliche Beziehung aufgebaut. Die geht nicht verloren, nur weil man jetzt bei einem anderen Verein ist.

Als Sie beim HSV angefangen haben, gab es aber auch vereinzelnd kritische Töne. Können Sie darüber schmunzeln?

Ich werde danach natürlich laufend gefragt. Dazu muss man wissen, dass ich intensiv und eng mit den Hauptverantwortlichen befreundet bin. Fredi Bobic ist auch mein Nachfolger geworden, weil ich das befürwortet habe beim Aufsichtsratsvorsitzenden. Nico Kovac habe ich mit Bruno Hübner zusammen selbst geholt. Ich habe ganz viele Vertraute und Freunde. Dass man nach 13 Jahren auch den einen oder anderen hat, der einen kritisch sieht, ist ganz normal und gehört in unserem Job dazu. Das wird auch so sein, wenn ich dann nicht mehr beim HSV bin. Everybody's Darling zu sein, gelingt im Fußballgeschäft keinem und das will man auch nicht.

Beim HSV sind Sie jetzt drei Monate und konnten sich mittlerweile mehr als einen ersten Überblick verschaffen. Welchen Eindruck haben Sie mittlerweile?

Eins ist klar und deshalb wehre ich mich auch immer gegen den Begriff Chaosklub. Dieser war dem Tabellenplatz geschuldet. Das, was ich hier in den internen Abläufen erlebe, ist ein sehr gut strukturierter und fast perfekt aufgestellter Arbeitsbereich, wo die Abläufe klar sind und wo die handelnden Personen mit klaren Aufgabe versehen sind. Da ist beim Hamburger Sport-Verein alles in Ordnung. Der Tabellenplatz war und ist immer noch nicht zufriedenstellend, auch aufgrund unser hohen Investitionen, die wir am Anfang der Saison getätigt haben. Das wird zum Anlass genommen, das Gesamtgebilde des Vereins nach unten zu ziehen. Das deckt sich aber nicht mit meinen Auffassungen. Wir werden weiter daran arbeiten, dass diese Bewertung aufhört.

Dann drücken wir die Daumen, dass es in Frankfurt damit weiter geht und bedanken uns für das Gespräch.

 

Das gesamte Interview mit Heribert Bruchhagen könnt ihr euch bei HSV total! anschauen: