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25.11.25
Volkspark-Wahnsinn: 4+1 HSV-Heimspiele binnen 9 Tagen!
Dem bevorstehenden Heimspiel-Hattrick der HSV-Männermannschaft folgen unmittelbar ein Heimspiel der HSV-Frauen sowie erstmalig das HSV-Weihnachtssingen. Sorgen die HSV-Fans erneut für einen Superlativ und kratzen an einem Uralt-Rekord aus dem Jahr 1962?
„Heim-elige“ Vorweihnachtszeit beim HSV: Das Volksparkstadion in Bahrenfeld wird in den kommenden Tagen zur Dauerpilgerstätte: Wenn am Sonntag (30. November) die erste Adventskerze angezündet wird, kommt der VfB Stuttgart. Beim zweiten Lichtlein ist Werder zu Gast und zwischendrin landen auch noch die Kieler Störche in der Uwe-Seeler-Allee. Dreimal volle Hütte, zusammengezählte 171.000 Interessierte innerhalb von nur sieben Tagen! „Eine solche Woche hat der HSV im Volkspark wahrscheinlich noch nie erlebt“, mutmaßte die „Hamburger Morgenpost“ bereits Anfang November, unmittelbar nach der Auslosung des DFB-Pokal-Achtelfinals und vor der fixen Terminierung der Bundesliga-Spiele bis Jahresende.
Ein schöner Steilpass der Journalisten-Kollegen aus der Barnerstraße, der vier Kilometer Luftlinie nordwestlich natürlich umgehend aufgenommen wurde. „Wahrscheinlich noch nie“? – da musste zwingend ein Faktencheck her. Dessen Ergebnis: Streiche das „wahrscheinlich“! Der aktuelle Spielplan und die Losfee bescherten dem Stadion in seiner mittlerweile mehr als 100-jährigen Geschichte tatsächlich eine einzigartige Konstellation.

Vier Volkspark-Kracher in Serie anno 1962
Und doch: Unsere Archiv-Recherche förderte eine ähnlich verrückte und spektakuläre Volkspark-Zuschauer-Geschichte zu Tage. Sie ereignete sich vor 63 Jahren. Das Kuriose dabei: Der HSV kickte zu dieser Zeit, der letzten Saison vor Einführung der Bundesliga, eigentlich noch in der Innenstadt. Die Punktspiele der Oberliga Nord fanden bis dato noch regelmäßig am Rothenbaum statt; das Stadion im Volkspark, „draußen in der Pampa“, wurde nur zur Heimspielstätte, wenn „Großkampftage“ anstanden. Gleich deren vier stiegen im September und Oktober 1962. Zwar nicht so kompakt wie aktuell, sondern im Wochentakt gestreckt auf einen Zeitraum von 21 Tagen, aber ebenfalls für den HSV ununterbrochen durch Spiele auf anderen Plätzen. Das Prestige dieser Paarungen, die Kulisse und teilweise auch der Spielverlauf ließen die 1962er-Serie zu einem legendären Stück der Club-Historie werden (siehe Tabelle).
Die "Volkspark-Feste" im September/Oktober 1962
Datum Wettbewerb Paarung Ergebnis Zuschauer
29.09.1962 Gesellschaftsspiel HSV - Benfica Lissabon 3:4 (2:2) 71.000
07.10.1962 Oberliga Nord FC St. Pauli - HSV 1:3 (1:1) 21.000
14.10.1962 Oberliga Nord HSV - Werder Bremen 1:1 (1:0) 45.399
20.10.1962 Gesellschaftsspiel HSV - FC Santos 3:3 (2:1) 71.000
Quelle: Broder-Jürgen Trede

Im Wohnzimmer der Weltklasse …
Den Rahmen der Volkspark-Festivals bildeten internationale Teams der Sonderklasse. Zum Auftakt kamen Europas Beste: Benfica Lissabon, amtierender Europapokal-Sieger der Landesmeister, der im Mai seinen Titel gegen Real Madrid eindrucksvoll verteidigt hatte, eröffnete zirkusreif. Die schillernden Ballvirtuosen der Portugiesen allen voran der „schwarze Panther“ Eusébio (Foto: vs. Jochen Meinke und Dieter Seeler) oder „das heilige Monster“ Mário Coluna begeisterten beim 4:3 restlos. Nicht nur die 71.000 Augenzeugen auf den Tribünen, sondern auch die Beobachter auf dem Rasen. HSV-Rechtsverteidiger Gerd Krug gab zu Protokoll: „Ich wäre oftmals am liebsten stehengeblieben, hätte nur zugesehen, wie mühelos sie alles mit dem Ball machten. Manchesmal ist es mir vorgekommen, als würden die Spieler schielen. Mit einem Auge schauten sie auf den Ball, mit dem anderen zu dem mit Sicherheit freistehenden Mann.“

Den lange nachhallenden Schlussakkord setzten die Besten der Welt: Südamerika-Champion FC Santos kam als frischgebackener „Vereins-Weltmeister“ in den Volkspark, hatte nur neun Tage zuvor im Weltpokal-Finale mit 5:2 über Benfica triumphiert. Torreich und fußballerisch-denkwürdig auch das „Gesellschaftsspiel“ vor erneut 71.000 im übervollen Volkspark, wo beim 3:3 neben den Brasilianern um „Wunderspieler“ Edson Arantes do Nascimento, oder kurz: Pelé (Foto: vs. Jürgen Werner), auch der dreimal in Führung gehende HSV begeisterte. Das Fachblatt „kicker“ jubelte entsprechend: „Gut, daß es keinen Sieger gab!“

… und zwischendrin prestigeträchtige Derbys
Im schmackhaften Sandwich dieser Freundschaftsspiel-Leckerbissen: regionale Spezialitäten um Punkte, angerichtet zur Derby-Time: Erst ruppig-nicklig und formell „auswärts“ gegen den Stadtrivalen vom Millerntor, dann mit etwas feinerem Besteck zum Spitzenduell Erster vs. Zweiter gegen Werder vor der Oberliga-Rekordkulisse von über 45.000 (Foto: HSV-Torschütze Uwe Reuter vs. Arnold „Pico“ Schütz).
Mehr als 200.000 damals. Und heute?
Apropos: Die spezielle Konstellation anno 1962 sorgte dafür, dass binnen drei Wochen zusammengezählt mehr als 200.000 Fußballfreundinnen und -freunde in den Volkspark strömten. Kaum zu knacken, dieser Wert, oder? Vielleicht doch. Denn zum verrückten Heimspiel-Hattrick der HSV-Männermannschaft kommt noch eine ganz spezielle Verlängerung. Nur etwas mehr als 24 Stunden nach dem Werder-Spiel kämpfen die HSV-Frauen gegen den 1. FC Köln um Bundesliga-Punkte. Bisheriger Schnitt aus deren fünf Liga-Auftritten in der Arena: 6.425 (ligaweit Rang 4). Fünfstellig kann es dann wiederum nur einen weiteren Tag später, am 9. Dezember, werden, wenn der Verein seine Anhänger erstmalig zum gemeinsamen HSV-Weihnachtssingen bittet. Auch Spielerinnen und Spieler der Profi-Teams werden dann wieder anwesend sein. Und auf der Bühne geben „Abschlach!“, Rolf Zuckowski, der Seemanns-Chor Hamburg sowie Voice-of-Germany-Talent Linus Bruhn den Takt vor. „Ihr Kinderlein, kommet!“ – wer schafft es wohl, bei allen fünf Terminen dabei zu sein?
