
Interview
08.08.25
„Ich freue mich auf das 100-prozentige Bundesliga-Feeling“
Im hsv.de-Interview spricht Mittelstürmer Robert Glatzel über eine für ihn spezielle Rückkehr in die Bundesliga, seine ganz besondere HSV-Reise und eine neue Mannschaftskonstellation. Ein Gespräch über die Faszination Bundesliga und was es braucht, um im Oberhaus zu bestehen.
Vier Jahre lang hat Robert Glatzel mit der Raute auf der Brust um die Rückkehr in die Bundesliga gekämpft - sowohl für den Club als auch für sich persönlich. Denn Glatzel schnupperte bereits Luft in der Beletage des deutschen Fußballs. Für den gebürtigen Münchener erfüllte sich in der Rückrunde der Bundesliga-Saison 2020/21 ein Traum, als er als Leihspieler für Mainz 05 zu seinem Debüt im Oberhaus kam. Wohlgemerkt im Alter von 27 Jahren als Spätstarter, der sich zuvor über die Niederungen des deutschen Fußballs Liga für Liga nach oben kämpfte. Anschließend wechselte der Mittelstürmer zum HSV, bei dem er Jahr für Jahr als Vollstrecker verlässlich ablieferte und eine herausragende Quote von 100 Torbeteiligungen (80 Tore, 20 Assists) in 129 Pflichtspielen vorweisen kann.
Nach einer für ihn herausfordernden Saison, in der er die längste Verletzungsphase seiner Laufbahn, eine besondere Konkurrenzsituation mit Sturmpartner Davie Selke und letztlich den langersehnten Bundesliga-Aufstieg erlebte, steht Glatzel nun erneut vor dem Tor zur Bundesliga. Wie er auf dieses Abenteuer blickt, warum es gerade mit dem HSV für ihn so speziell ist und worauf es nun in einer neuen Mannschaftskonstellation ankommt, das alles verriet der 31-Jährige am Rande des Trainingslagers auf Mallorca im ausführlichen Gespräch.

hsv.de: Bobby, welche Erinnerungen hast du an den 6. Februar 2021?
Robert Glatzel: (überlegt kurz) An dem Tag müsste mein Debüt in der Bundesliga gewesen sein. Damals ist ein Traum für mich wahr geworden. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, besonders an die Tage hinführend zum Spiel. Nur ein paar Stunden vor Ende des Transferfensters ist mein Wechsel aus der Championship nach Mainz noch zustande gekommen - das Ganze während der Corona-Pandemie. Das Debüt selbst werde ich nie vergessen. Das war einfach richtig cool und surreal, auch wenn es durch Corona ohne Zuschauer vielleicht nicht das 100-prozentige Bundesliga-Feeling war.
Du sagst, dass mit dem Bundesliga-Debüt ein Traum wahr geworden ist. Wann und mit welchen Bildern im Kopf fing dieser Traum an?
Wie viele andere Kinder habe ich früher auf dem Bolzplatz gespielt und meine Bundesliga-Idolen nachgeahmt. Das geschah immer nach dem gleichen Ablauf: Ich habe am Wochenende die Highlights auf dem Fernseher gesehen und bin anschließend sofort raus und habe meine Lieblingsspieler imitiert: Michael Ballack, Giovane Elber, Mehmet Scholl und Oliver Kahn vom FC Bayern München sowie Thomas „Icke“ Häßler von den Löwen – für mich als Münchener waren es vor allem diese Jungs. Die Bundesliga war also von klein auf ein Riesenthema für mich. Als ich älter wurde und sich mein Weg mehr und mehr formte, hat sich mein Traum dann immer weiter gefestigt.

Obwohl du beim 1. FSV Mainz 05 damals die erste Bundesliga-Luft geschnuppert hast, bist du anschließend im Sommer 2021 zum HSV in die 2. Liga gewechselt. Dieses Mal mit dem klaren Ziel, mit den Rothosen im Oberhaus zu spielen. Wie fühlt es sich an, nach vier Jahren und mehreren Anläufen jetzt zurück zu sein?
(schmunzelt) Das fühlt sich ähnlich wie mein Bundesliga-Debüt etwas surreal an: Wenn man sich die komplette Reise mit dem HSV anguckt, dann ist das einfach ganz, ganz besonders. Ich hatte mir damals bei meinem Wechsel natürlich nicht vorgestellt, dass es vier Jahre dauern wird. Dass es für mich am Ende trotzdem mit dem HSV geklappt hat, ist einfach schön. Die Bilder und Momente vom Ulm-Spiel oder den Feierlichkeiten am Jungfernstieg bleiben unvergesslich. Mit kaum einem anderen Verein kann man so etwas Ähnliches erleben.
Bekanntlich gab es mehrmals konkrete Angebote, mit denen du in dieser Zeit hättest in die Bundesliga wechseln können. Inwieweit hat es sich gelohnt, auf den HSV-Aufstieg und diesen Moment zu warten?
Wenn man sieht, dass ich es mit meinem Herzensverein – einem Verein, von dem ich mein Leben lang Fan sein werde – geschafft habe, auf jeden Fall. Es war einfach ein einmaliges Erlebnis, mit dem HSV aufsteigen zu dürfen. Besonders wenn man überlegt, wie lange wir darauf hingearbeitet haben, welche Freundschaften in dieser Zeit entstanden sind und wie viel wir als Mannschaft durchgemacht haben.
Die vergangene Spielzeit war für dich persönlich mit vielen Höhen und Tiefen verbunden. Wie hast du die Aufstiegs-Saison erlebt?
Es war keine leichte Saison für mich. Ich habe mir immer vorgenommen, einen Riesenanteil am Aufstieg zu haben. Die Jahre zuvor war ich immer eine der Leistungsträger. Dabei bin ich von Verletzungen weitestgehend verschont geblieben. Dementsprechend war es schmerzhaft, dass ich nicht bei jedem Spiel voll dabei sein konnte. Trotz allem hätte ich es im Vorfeld so unterschrieben. Der Aufstieg stand über allem, auch meinem persönlichen Schicksal.

Während du in deinen ersten drei HSV-Jahren viel Offensivlast auf deinen Schultern getragen hast, kam im Vorjahr mit Davie Selke ein weiterer Top-Stürmer zum Team, mit dem du dich vor deiner Verletzung sehr gepusht hast. Wie hast du diese Erfahrung mit einem Hauptkonkurrenten erlebt?
Ich bin ganz ehrlich: Ganz am Anfang habe ich mich nicht so darüber gefreut. Ich denke, dass das ein Stück weit menschlich ist, schließlich hatte ich immer zuverlässig meine Leistungen gebracht und Tore geschossen. Sehr schnell habe ich aber gemerkt, wie großartig sich Davie in der Mannschaft einlebt und wie sehr er uns geholfen hat. Er war der mitentscheidende Faktor beim Aufstieg, ein Riesengewinn für uns. Davie war ein super Mitspieler und Mannschaftskollege. Das hat jeder im Verein so empfunden. Es war im Nachgang also genau die richtige Entscheidung, ihn zu holen.
Nun ist mit Yussuf Poulsen erneut ein sehr erfahrener Bundesliga-Spieler zum Team gestoßen. Wie blickst du dieses Mal auf die Konkurrenzsituation?
Es ist eine neue Situation mit der Bundesliga, es wird eine sehr schwierige Aufgabe. Daher fahren wir gut damit, wieder drei, vier Mittelstürmer zu haben, die spielen können und das auch unbedingt wollen. Für unser Ziel ist das genau richtig.
Kann man nach so vielen Jahren im Profi-Fußball eigentlich noch etwas voneinander lernen?
Auf jeden Fall, ich habe auch im vergangenen Jahr von Davie noch einige Sachen gelernt. Man muss immer dafür offen sein, sich ein paar Dinge abzuschauen. Yussuf verfügt über so viel Erfahrung, hat bei RB Leipzig eine spezielle Art des Fußballs gespielt, sodass ich auch von ihm noch lernen kann.
In der Vorsaison hat dich die lange Verletzungspause bekanntlich zurückgeworfen. Wie fühlst du dich aktuell? Merkst du – sei es mit Blick auf Abläufe und Rhythmus – diesbezüglich noch Rückstände?
Das ist schwer zu sagen. Nach einer so langen Pause dauert es immer, bis man wieder voll bei 100 Prozent ist. Ich fühle mich aber sehr gut, habe die komplette Vorbereitung bis jetzt durchgezogen und hatte nicht einmal irgendwelche Wehwehchen. Auch bei den Testspielen habe ich viele Spielminuten sammeln können. Ich sehe diesbezüglich keine Einschränkungen mehr.

Nicht nur Yussuf ist neu im Team, sondern darüber hinaus viele weitere Neuzugänge. Zugleich haben etablierte Kräfte - wie nicht zuletzt dein Zimmernachbar Ludovit Reis - das Team verlassen haben. Wie blickst du auf diese Veränderungen im Team?
Aus persönlicher Sicht ist der Weggang von Ludo sehr schade. Er ist ein richtig guter Freund geworden, wir haben eine Menge zusammen erlebt. Im Fußball gibt es nicht viele Freundschaften, die so lange halten und auch außerhalb des Platzes so gepflegt werden. Zugleich sind solche Veränderungen im Fußball ganz normal. Bekannte Gesichter gehen, neue kommen. Es geht weiter. Wir haben jetzt eine neue Konkurrenzsituationen und Qualität dazugewonnen. Der Verein hat sich insgesamt viel vorgenommen für die neue Saison. Aktuell befinden wir uns in einer Phase, in der wir uns untereinander neu finden und kennenlernen müssen. Wir müssen gucken, dass uns das schnellstmöglich gelingt, damit wir für das gemeinsame Ziel in eine Richtung gehen.
Worauf kommt es bei diesem Kennenlernen im Detail an?
Es ist wichtig, dass man viel mit den neuen Jungs spricht, sich austauscht und sie mitnimmt. Man muss offen für die anderen Spieler sein, viel nachfragen und nicht nur mit seinen Buddys zusammenhängen, die man ohnehin schon lange kennt. Das Trainingslager hier bietet dafür einen passenden Rahmen, um auch außerhalb des Fußballplatzes Zeit miteinander zu verbringen. Wir waren gestern Abend mit einigen Jungs, darunter auch ein paar Neuzugänge, gemeinsam Abendessen. So etwas hilft beim Kennenlernen.
Auf dem Platz wartet in zwei Wochen die Bundesliga auf euch. Auch wenn dein letztes Bundesliga-Spiel vier Jahre her ist – was ist dort anders?
Auf uns warten deutlich stärkere Gegner. Ich kann mich noch gut an meine ersten Spiele in der Bundesliga erinnern: Das Gefühl war, dass man kaum an den Ball herankommt, wenn nicht alle gemeinsam als Team verteidigen. Zudem werden eigene Fehler viel stärker bestraft. Wir werden viel kämpfen und leiden müssen. Wir werden aus wenig viel machen müssen. Es werden nicht viele Chance kommen. Und wenn sie kommen, müssen wir sie eiskalt nutzen. Das wird auch für mich als Stürmer eine besondere Herausforderung, weil es viel weniger Gelegenheiten auf Tore geben wird.

Worauf freust du dich bei deiner Rückkehr in der Bundesliga am meisten?
Es gibt da nicht diesen einen Punkt, sondern es ist insgesamt die Challenge "Bundesliga". Ich freue mich auf alles: Die attraktiven Gegner, die Traditionsvereine, die Derbys, die vollen Stadien. Die Bundesliga bringt einfach so viel mit sich. Ich habe damals ja vor leeren Rängen gespielt, daher freue ich mich dieses Mal auf das 100-prozentige Bundesliga-Feeling. Und letztlich auf Heimspiele im Volksparkstadion. Das wird eine geile Atmosphäre, wenn wir mit dem HSV wieder in der Bundesliga spielen und dann hoffentlich die ersten Heimsiege einfahren.
Der Start in die Saison ist für dich persönlich besonders: 2. Spieltag das Derby, 3. Spieltag in deiner Heimatstadt München, 4. Spieltag gegen deinen Ex-Club Heidenheim. Was hast du bei der Veröffentlichung des Spielplans gedacht?
Ich war direkt angezündet. Es gibt kaum einen geileren Start: Das Derby ist für mich mit das geilste Spiel. Die vergangenen beiden Heimspiele gegen St. Pauli zählen zu den Highlight-Spielen meiner bisherigen HSV-Zeit. Danach folgt dann ein Top-Spiel beim FC Bayern in meiner Heimatstadt und natürlich sind auch Spiele gegen den Ex-Verein immer besonders. Doch es sind nicht nur diese Spiele, sondern auch die Duelle mit Gladbach, Dortmund oder Leverkusen erzeugen große Vorfreude in mir. Es geht um die gesamte Bundesliga-Reise mit tollen Gegnern und ebenso schweren Aufgaben.