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Saison

29.05.19

"Wenn ich etwas mache, dann muss es mich packen"

Am Mittwoch wurde Dieter Hecking im Rahmen einer Pressekonferenz als neuer Cheftrainer des Hamburger SV vorgestellt. Dabei sprach der 54-Jährige unter anderem über den besonderen Reiz, den HSV zu übernehmen.

Der Pressekonferenzraum des Volksparkstadions war nahezu bis auf den letzten Platz gefüllt, als Sportvorstand Jonas Boldt um 14 Uhr den neuen Cheftrainer Dieter Hecking offiziell willkommen hieß. Boldt zeigte sich hocherfreut, dass der „absolute Wunschkandidat“ – begleitet von seinem Co-Trainer Dirk Bremser und seiner Ehefrau Kerstin – den Weg nach Hamburg eingeschlagen hatte. „Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass Dieter Hecking als sehr renommierter Bundesliga-Trainer sich in dieser Deutlichkeit zum HSV bekennt. Er steht neben seiner Fachkompetenz für Ruhe und Kontinuität, ist sturmerprobt und erfüllt unser erstelltes Profil zu 100 Prozent“, erklärte Boldt, der sich auf die gemeinsame Arbeit freut: „Ich bin überzeugt, dass beim HSV auf der Trainerposition eine gewisse Ruhe und Erfahrung notwendig ist und ich bin daher sehr froh, dass wir Dieter für diese Aufgabe gewinnen konnten. Wir werden jetzt gemeinsam anpacken und die Aufgaben und Ziele angehen.“ Bevor am 17. Juni der Trainingsstart der neuen Saison erfolgt, geht es nun darum, den Kader für 2019/20 zusammenzustellen. Wie der neue Cheftrainer sich diesen vorstellt und mit welchen Vorstellungen er die Aufgaben beim HSV angeht, erklärte er in der anschließenden Pressekonferenz. Dieter Hecking über…

... seine Beziehung zum HSV: Ich verfolge diesen Verein, seitdem ich ein kleiner Junge war. Ich war ein großer Fan von Kevin Keegan zu seiner Hamburger Zeit. Das hat mich immer etwas zu diesem Verein hingezogen. Der HSV hat auch in unserer Familie einen hohen Stellenwert. Mein Sohn ist glühender HSV-Fan. Der sitzt wahrscheinlich gerade auf den Färöer Inseln und denkt sich: Gott sei Dank, es hat geklappt. Ich bin nun Cheftrainer dieses Vereins, der sich aktuell zwar im Sturm befindet, aber noch immer toll ist. Mein Hauptaugenmerk liegt nun darauf, wieder Ruhe reinzubringen und den sportlichen Erfolg zurückzubringen. Ich bin wirklich sehr, sehr glücklich darüber, dass ich hier heute als HSV-Trainer vorgestellt werde.

... den Einigungsprozess mit dem HSV: Entscheidungen trifft man immer aus voller Überzeugung. Ralf Becker hat mir ein sehr klares Bild vom HSV gezeichnet. Natürlich war ich von der Entwicklung vergangene Woche überrascht, aber das Fußballgeschäft ist schnelllebig. Jonas Boldt hat dann die Gespräche am Sonntag mit mir fortgeführt. Ich hatte in den letzten 14 Tagen auch Kontakt mit Bernd Hoffmann, der mir ebenfalls skizziert hat, wie es aussehen könnte. Für mich ist das Wichtigste, dass man gewollt ist und nicht taktiert wird. Jonas Boldt und Bernd Hoffmann haben mir das klare Gefühl gegeben, dass sie mir zutrauen, gemeinsam mit ihnen erfolgreich zu arbeiten. Ich hatte bei ihnen das Gefühl, der Wunschkandidat zu sein und mich nicht noch mit anderen Kandidaten duellieren zu müssen. Als Trainer musst du spüren, dass du nicht gegen Vorbehalte ankämpfst, sondern mit offenen Armen aufgenommen wirst.     

"Ich habe mir die Frage gestellt: Was will ich? Am Ende lag der Reiz darin, den HSV zu übernehmen"   

... den Reiz der Aufgabe: Wenn ich etwas mache, dann muss es mich packen. Ich bin jetzt 14 Jahre Bundesliga-Trainer gewesen. Ich kenne jeden Platzwart, jeden Zeugwart und jede Anfahrt zum Stadion. Ich war über das Ende in Gladbach nicht glücklich, weil ich die Arbeit dort gerne fortgeführt hätte. Daraufhin habe ich mir die Frage gestellt: Was will ich? Das Ausland kam zurzeit noch nicht in Frage. Ebenso eine andere Position wie beispielsweise die des Sportdirektors. Am Ende lag der besondere Reiz darin, den HSV mit diesem ambitionierten Ziel zu übernehmen. Deshalb bin ich hier. Das hat auch nichts mit der Ligazugehörigkeit zu tun. Im Gegenteil: Ich freue mich auf die zweite Liga. Für mich ist es genau das, was ich jetzt brauche: Dieses Spannungsgefühl, wieder von unten etwas aufzuarbeiten und vom ersten Tag etwas gestalten zu können. Dieser Reiz hat mich nach Hamburg gebracht. Viele haben gesagt: Warum tut der sich das an? Nein, ich tue mir gar nichts an, sondern ich freue mich darauf.

... die hohe Zielsetzung beim HSV: Der HSV stand wahrscheinlich in den letzten fünf Jahrzehnten niemals nicht unter Druck. Warum sollte sich das jetzt ändern? Wenn man für den Hamburger SV arbeitet, dann gibt es immer ambitionierte Ziele. Dessen muss man sich bewusst sein. Alles andere wäre nicht vertretbar und dann wäre ich auch nicht hier. Wenn es geheißen hätte, dass der HSV ein guter Zweitligist bleiben möchte, dann würde heute jemand anderes hier sitzen. Der HSV stellt eine sehr große Herausforderung dar. Ich will Fußball leben und die Leidenschaft auf dem Platz spüren. Ich glaube, es könnte so sein, dass ich dafür am richtigen Ort bin.    

... sein Trainerteam: Es ist kein Geheimnis, dass Dirk (Dirk Bremser, Anm. d. Red.) an meiner Seite ist. Ich denke, er ist wie meine zweite Ehefrau. Ihn wechselt man nicht einfach aus, dafür ist er auch einfach zu loyal und fachlich zu gut. Bezüglich der weiteren Personalkonstellation habe ich natürlich auch Vorstellungen, aber möchte das mit Ruhe angehen. Ich muss mir zunächst einmal die Kandidaten hier vor Ort angucken und mit ihnen sprechen. Vielleicht begegnen mir dabei Ansichten, die ich auch gut finde. Es geht jetzt nicht darum, wie mit der Axt durch den Wald durch den Staff zu gehen und Unruhe zu schüren. 

... die Zusammenstellung der Mannschaft: Wir müssen jetzt am Kader arbeiten und gewisse Ideen, die Jonas mir bereits vorgestellt hat, auf ihre Machbarkeit überprüfen. Wir haben dabei bis zum 31. August Zeit, eine schlagkräftige Mannschaft auf die Beine zu stellen. Ich gehe nicht davon aus, dass wir zum offiziellen Traininigsstart bereits die Mannschaft haben, die an den ersten Spieltagen die Punkte für uns holen soll. Das braucht etwas Geduld. Wir wollen und müssen natürlich etwas tun, aber das muss gut durchdacht sein. Schnellschüsse, um die Leute von außen etwas zu beruhigen, machen keinen Sinn. Wir müssen am Ende von der Qualität der Spieler überzeugt sein. Wir brauchen Spieler, die Bock auf den HSV haben und vor allen Dingen auch standhaft genug sind, um den Druck, der hier zweifellos herrscht, auszuhalten. 

... Aaron Hunt: Aaron ist damals zu meiner Wolfsburger Zeit von Werder Bremen zu uns gekommen. Zwischen uns war es nicht immer so einfach. Da muss man nicht drumherum reden. Es war für ihn eine schwierige Zeit bei mir. Er hat ein richtig geiles Spiel gemacht und dann im nächsten Spiel nicht mehr gespielt. Das hat er nicht verstanden. Ab da war ein Bruch drin. Aaron ist ein wichtiger Spieler. Das hat die vergangenen Saison und die Statistik mit bzw. ohne ihn auf dem Platz gezeigt. Das Entscheidende ist, dass ich mit Aaron zeitnah sprechen werde. Da ist alles offen.

... die Qualität der 2. Liga: Es ist nicht zuletzt durch die Bundesliga-Absteiger eine hoch interessante Liga. Die 2. Bundesliga hat sich in den letzten Jahren richtig gemacht. Der Fußball hat sich dort enorm weiterentwickelt, was die Ergebnisse im DFB-Pokal oder in der Relegation gezeigt haben. Natürlich gibt es noch immer einen Unterschied im Vergleich zu der Bundesliga, aber die zweite Liga wird mir sportlich manchmal zu sehr unter Wert verkauft. Auf jeden Fall wird es an Spannung in dieser Liga nicht mangeln.