Saison
26.07.22
Zwischen Rostock-Frust und Pokal-Lust
Nach der 0:1-Niederlage gegen die Kogge sind die Rothosen am Sonnabend beim Drittligaaufsteiger aus Bayreuth im Rahmen der 1. Runde des DFB-Pokals gefragt.
Bewegende Tage liegen hinter dem gesamten HSV und der Zweitliga-Mannschaft, die am vergangenen Sonntag unter besonderen Voraussetzungen und vor einer berührten Kulisse den F.C. Hansa Rostock im Volksparkstadion empfing. „Es war heute ein besonderes Spiel. Es ging wenig um Fußball, sondern darum, den großartigen Uwe Seeler zu würdigen“, konstatierte HSV-Cheftrainer Tim Walter unmittelbar nach einer Partie, die seine Schützlinge in der Schlussviertelstunde mit Powerplay versuchten, an sich zu reißen, dann jedoch durch ein bitteres Gegentor in der achtminütigen Nachspielzeit komplett aus der Hand gaben.
Auf der Suche nach Rhythmus
„Letztendlich verlieren wir das Spiel, weil wir im richtigen Moment nicht das Tor machen und aus einer falschen Ordnung heraus das Gegentor kassieren. So gewinnst du das Spiel nicht und guckst dumm aus der Wäsche, weil du sogar verlierst“, ging der 46-jährige Fußball-Lehrer am gestrigen Montag im Rahmen einer Medienrunde tiefer in die sportliche Analyse. Getreu seines Naturells strotzte Walter dabei schon wieder voller Energie, war weit davon entfernt, sich von dem zweifellos bitteren Ergebnis aus der mit Selbstbewusstsein gepflasterten Bahn werfen zu lassen. „Mit dem Ergebnis sind wir unzufrieden, das ist selbsterklärend. Wir wollen solche Spiele gewinnen, das muss unser Anspruch sein. Dennoch haben wir es besonders in der Restverteidigung bedeutend besser gemacht als noch in Braunschweig“, erklärte Walter, ohne dabei das eindeutige Verbesserungspotential, vor allem im Offensivspiel, zu verkennen. „Wir wollen uns nicht nur auf Bobby (Robert Glatzel, Anm. d. Red.) verlassen müssen. Auch die anderen dürfen Tore schießen. Wir sind bei Abschlüssen zu häufig geblockt worden, haben über das Tor geschossen oder die Flanke nicht gut angebracht. Es geht darum, bessere Lösungen zu finden und dann eiskalt zuzuschlagen.“
Gegen tiefstehende Gegner wie zuletzt Braunschweig und Rostock steht der Hamburger SV wie bereits in der Vorsaison vor einer permanenten Geduldsprobe, die Lücken in der vielbeinigen Deckung zu finden. Mit den Neuzugängen Ransford-Yeboah Königsdörffer und Laszlo Benes taten sich bisher zwei hochveranlagte Startelfspieler schwer, den passenden Rhythmus des Walter-Systems zu verinnerlichen. „Für beide ist diese Situation neu. Sie wollen umtriebig sein und viel machen. Dann verliert man vielleicht mal die Geduld und spielt den Ball zu früh. Da gibt es sicherlich noch Potenziale, die beide auch ausschöpfen werden“, sagt Walter und stellt die Trainingsarbeit in den Fokus. „Wir spielen auch im Training viel Acht-gegen-acht in der Box und hinten Zwei-gegen-zwei. Wir müssen besser werden. Es war gegen Rostock eine besondere Situation, die wir meistern müssen und an der wir nur wachsen können.“
Mehr Durchsetzungskraft
Die nächste Aufgabe in diesem Wachstumsprozess erwartet die Rothosen am kommenden Sonnabend um 15.30 Uhr im Rahmen der 1. Hauptrunde des DFB-Pokals beim Drittligaaufsteiger SpVgg Bayreuth. Als Zweitligist mit Aufstiegsambitionen und letztjähriger DFB-Pokal-Halbfinalist sind die Rothosen erneut in der klaren Favoritenrolle und wollen dieser mit der nötigen Spielfreude in der Offensive wieder gerecht werden. Dabei gilt es die Ausfälle von Bakery Jatta, Anssi Suhonen und zuletzt Xavier Amaechi besser zu kompensieren, in der Verteidigung kann Walter wiederum wahrscheinlich weiter auf einen Akteur setzen, der in beiden Ligaspielen mit einer unglaublichen Mentalität voranging: Innenverteidiger Mario Vuskovic, der trotz einer schweren Daumenverletzung gegen Rostock auf die Zähne biss und auch beim morgigen Training wieder angreifen will. „Mario ist ein Krieger. Er gibt alles für sein Team. Das macht ihn so stark“, lobt Walter. Auch mit einer besonderen Mentalität gesegnet ist Comebacker Tim Leibold, der sich nach seinem Kreuzbandriss Stück für Stück ans Wettkampfniveau heranarbeitet, aber zugleich behutsam aufgebaut werden soll. „Tim ist natürlich auch eine Option, aber er war neun Monate verletzt raus. Wir müssen bei ihm geduldig sein und wollen ihn nicht verheizen“, erklärt Walter.
Heiß zur Sache geht es wiederum im DFB-Pokal. Die eigenen Gesetze dieses prestigeträchtigen Wettbewerbs sind bekannt, der HSV marschierte im Vorjahr bis in die Runde der letzten vier und schaltete auf seinem Weg mit dem 1. FC Köln (6:4 n.E.) einen Bundesligisten aus und setzte sich gegen Nürnberg und Karlsruhe ebenfalls nach Elfmeterschießen durch. „Der Pokal kann ein Team zusammenschweißen“, hatte HSV-Mittelfeldmotor Jonas Meffert im letztjährigen Wettbewerb vielsagend angemerkt. Nun gilt es in Bayreuth aus Sicht von Tim Walter vor allem darum, sein Ding wieder durchzuziehen: „Uns fehlt es gerade an Durchsetzungskraft: Zweikampfhärte, der letzte Biss in der Box, mehr Eins-gegen-eins. Besonders der letzte Aspekt fehlt uns aktuell einfach. Du musst aber ins Eins-gegen-eins gehen, um gegen solche Deckungen etwas aufzureißen.“ Der angestaute Frust aus der bitteren Niederlage gegen Rostock und die Vorfreude auf den in der zurückgelegten Spielzeit geliebten Pokalwettbewerb sollen dabei helfen.