Team
18.07.22
Ungeheuer Fernandes
HSV-Keeper Daniel Heuer Fernandes zeigte zum Saisonauftakt eine bärenstarke Leistung und untermauerte damit seine Position als Führungsspieler.
Es muss sich besonders anfühlen, wenn ein Angreifer nach dem anderen mit dem sicheren Gefühl eines Tores auf einen zuläuft und man dieses Gefühl seinem Gegenüber immer und immer wieder wegnimmt. HSV-Keeper Daniel Heuer Fernandes, in seiner Jugend einst selbst im Feld aktiv, bevor es „irgendwann geiler war Tore zu verhindern, als Tore zu schießen“, kennt dieses besondere Gefühl nur allzu gut und lieferte beim 2:0-Auswärtssieg in Braunschweig zum Saisonauftakt eine Blaupause für hervorragendes Torwartspiel ab.
"Es ist mein Job, dann da zu sein"
Der 29-jährige Schlussmann, der in der Vorsaison siebenmal zu Null spielte und von den HSV-Fans mit 43 Prozent aller Stimmen zum "ADMIRALBET Man of the Season" gewählt wurde, brachte die Braunschweiger Löwen mit zahlreichen Paraden zum Verzweifeln und verdiente sich eine blütenweiße Weste unter seinem orangenen Torwarttrikot. Folgerichtig wurde „Ferro“ in die „Elf des Tages“ des Fachmagazins „kicker“ beordert und erhielt zudem die Auszeichnung „Spieler des Tages“. Auch seine Vorderleute wussten nach der Partie, bei wem sie sich zu bedanken hatte. „Ferro hat uns im Spiel gehalten“, lobte Mittelstürmer Robert Glatzel, der an der Hamburger Straße mit seinem Doppelpack spät auf Sieg stellte, stellvertretend für die Mannschaft.
Und der Protagonist selbst? Der übte sich in Zurückhaltung. „Es ist mein Job, in diesen Momenten da zu sein. Ich bin zufrieden, dass ich die Mannschaft im Spiel halten konnte“, erklärte der gebürtige Bochumer im Anschluss an die Partie in der Mixed-Zone des Eintracht-Stadions. „Ich bewerte jeden Ball neu und versuche, mich bestmöglich zu positionieren. Wir sagen immer, dass du als Torhüter ein neutrales Spiel machen und in den entscheidenden Momenten da sein musst. Das ist meine Aufgabe, egal wie wenig oder wie viel auf die Kiste kommt.“
Schritt für Schritt zum Führungsspieler
Wenn Heuer Fernandes von "wir" spricht, dann meint er das Torwartteam um Trainer Sven Höh und seine Teamkollegen Matheo Raab, Tom Mickel und Leo Oppermann. Der 38-jährige Höh wechselte zur Vorsaison vom 1. FC Kaiserslautern an die Elbe und ist für seine Detailarbeit bekannt. "Sven fordert sehr viel von uns, gibt uns viele neue Ansätze mit auf den Weg und bringt unser Torwartspiel so auf eine andere Ebene", hatte "Ferro" bereits im Januar erklärt, als er nach einer starken Hinrunde seinen Vertrag beim HSV bis Sommer 2024 verlängerte. Dass der 1,88 Meter große Torhüter, der zuvor für den VfL Bochum II (2011-13), VfL Osnabrück (2013-15), SC Paderborn (2015-16) und SV Darmstadt 98 (2016-19) zwischen den Pfosten stand, beim HSV mittlerweile eine so gewichtige Rolle innehat, ist neben der Förderung im Torwarttraining auf zwei weitere Faktoren zurückzuführen. "Ferro ist meine Nummer Eins", hatte Cheftrainer Tim Walter den in den Vorjahren nicht immer unangefochtenen Keeper gleich zu Beginn der Saison 2021/22 sein volles Vertrauen ausgesprochen. Dieser zahlte im Auftaktspiel auf Schalke (3:1) mit einer vergleichbar ungeheuerlich guten Leistung wie beim diesjährigen Saisonstart in Braunschweig zurück. Und letztlich trägt Heuer Fernandes selbst den Löwenanteil an seiner Entwicklung, steckte er trotz Rückschlägen doch nie auf und entwickelte sich sportlich immer weiter.
Der Deutsch-Portugiese ist so längst zu einem Führungsspieler gereift, formulierte diesen Anspruch im Zuge seiner Vertragsverlängerung auch an sich selbst und geht nicht nur qua Position auf dem Platz mit Stimme voran. Kommandos gehören zu einem guten Torwartspiel dazu, doch "Ferro" versteht es auch darüber hinaus, die Mannschaft auf dem Platz lautstark zu pushen und in die Spur zu bringen. So geschehen beim 2:0-Sieg in Braunschweig, als seine Vorderleute vor allem im ersten Durchgang fahrlässig in der Rückwärtsbewegung agierten und den Hausherren zahlreiche Konterchancen ermöglichten. „Wir waren zu fahrlässig im Ballbesitz. Im Spiel ist es meine Aufgabe, uns als Team wachzurütteln. So sehe ich meine Rolle in der Mannschaft“, ließ der 29-Jährige verlauten, wohl wissend, dass er als letzte Instanz dafür da ist, die Null zu halten und darüber auch maximal glücklich ist. Schließlich ist es für einen Torhüter ein besonderes Gefühl, wenn die Angreifer immer wieder aufs Neue anrennen - und verzweifeln.
Übrigens: Mehr über "Ferros" Werdegang und Mindset als Torhüter erfahrt ihr im HSV-Podcast "Pur der HSV", in dem der gebürtige Bochumer Ende September des Vorjahres Rede und Antwort stand. Noch immer ein zeitloses Hörvergnügen!