skip_navigation

Nachwuchs

09.07.18

„Ich habe dem Sport alles untergeordnet“

Arvid Schenk im Interview über die Vergangenheit, seine Zukunft und die Familie. 

2011 war er noch auf der anderen Seite. Als der FC St. Pauli im Volksparkstadion einen 1:0-Sieg feiern konnte, jubelte Schenk mit. Der damals 21-Jährige saß als Ersatztorwart bei den Kiezkickern auf der Bank. Heute trägt Schenk die Raute auf und in der Brust. Als Torwarttrainer betreute er in der vergangenen Saison unter anderem die Keeper von der U11 bis zur U13. Jetzt ist er als U21-Torwarttrainer maßgeblich an der Ausbildung der Torwart-Talente beteiligt.

Arvid, warum brauchen eigentlich schon die Jungs aus dem Grundlagen- und Aufbaubereich Torwarttraining?

Das ist eigentlich ganz simpel: Die Grundtechniken des Fangens und des Fallens werden schon dort gelernt. Dann kann man diese Grundtechniken im Leistungsbereich verfeinern. Je früher die Kinder das erlernen, desto besser ist deren Technik auf lange Sicht. Man kann damit nicht früh genug anfangen.

Was genau macht man mit so jungen Torhütern in der täglichen Trainingsarbeit?

Wie versuchen so viel wie möglich für die Jungs abzudecken. Die größten Bausteine sind die Torverteidigung, die Raumverteidigung und die Spieleröffnung. In diesen Bereichen gibt es dann noch etlichen Untergruppen, nach denen wir dann im Grundlagen- und Aufbaubereich die Übungen auswählen. Bei der ganzen Theorie darf der Spaß für die Jungs natürlich niemals zu kurz kommen. 

Was wissen deine Torhüter eigentlich über dich?

Die Jungs wissen nur, dass ich ihr Torwarttrainer bin. Mir ist auch nicht wichtig, was die Jungs über mich wissen. Wenn sie mich fragen, antworte ich, aber es geht mir um die Jungs und nicht um mich.

Deiner Familie scheint Sport im Blut zu liegen. Dein Vater hat 1988 eine Goldmedaille im Zehnkampf errungen.

Mein Opa hat auch noch eine sehr sportliche Vergangenheit. Er war Torhüter bei Hansa Rostock, hat für die Nationalmannschaft der DDR gespielt. Wir haben alles in unserer Familie (lacht). Ich bin unglaublich stolz auf das, was meine Familie geleistet hat. Und damit meine ich nicht nur meinen Vater oder meinen Opa. Auch meine Oma und meine Mutter waren mir in allen Lebenslagen eine riesige Unterstützung. Meine Familie hat mich aber komplett meinen eigenen Weg gehen lassen. Es war auch immer meine Entscheidung, dass ich mit dem Sport groß werden und das als meinen Job sehen möchte. Ich hatte auch nie Druck und habe nur Unterstützung erfahren.

Wie hat sich diese Unterstützung bemerkbar gemacht?

Man tauscht sich natürlich über Training und Spiele aus, aber das habe ich hauptsächlich mit meinem Großvater gemacht, weil der fachlich natürlich eine absolute Bereicherung als Torwart war. Früher bei Hansa hat er jedes Spiel von mir gesehen und war damit auch mein erster Ansprechpartner. Je älter ich wurde, desto mehr habe ich mich davon freigemacht, weil ich einfach meinen Weg gegangen bin.

Du hast dem Sport viel untergeordnet und hast mit 28 deine Fußball-Karriere beendet.

Die Formulierung ist fast schon untertrieben. Ich habe einfach alles dem Sport untergeordnet. Ich habe damals mein Abitur abgebrochen, die Entscheidung habe ich dann phasenweise auch bereut. Ich bin jetzt aber unglaublich glücklich, dass ich mich für den Sport entschieden habe.

Warum bist du diesen Schritt gegangen?

2011 hatte ich einen schweren Autounfall und aus diesem Unfall sind dann in den Folgejahren immer wieder Muskelfaserrisse, Entzündungen und Probleme in den Knien entstanden. Ich musste dann irgendwann realisieren, dass ich mich zwar immer zurückgearbeitet habe, aber jedes Mal den nächsten Rückschlag hinnehmen musste. Ich habe es in meiner Karriere fast nie geschafft, über eine gesamte Saison gesund zu bleiben. Und dafür ist der deutsche Torhütermarkt einfach zu gut. Dann haben Anspruch und Realität nicht mehr gepasst. Ich habe mich dann gegen den Profisport und für den Berufsweg entschieden.

Du bist dank des Fußballs auch viel rumgekommen. Was war das Schrägste, das du in all den Jahren erlebt hast?

Das schrägste Erlebnis war das einzige Ligaspiel in meiner schottischen Karriere. Der Trainer hatte mich nach etlichen Trainingseinheiten und nach Spielen im Reserve- und im Ligacup mit einem Einsatz im Dundee-Derby belohnt. Es ist das engste Derby der Welt, es steht im Guinness-Buch der Rekorde. Die Stadien sind nur 50 Meter auseinander, das ist wie Campus und Volksparkstadion. Man kann sich die Rivalität also gut vorstellen. Dann ging der Gegner nach 34 Sekunden in Führung. Dann denkst du dir: ‚Du hast so lange daraufhin gearbeitet und dann geht es so los.‘ Am Ende haben wir das Spiel mit 2:6 verloren. Ich war gar nicht so unzufrieden mit mir, aber wenn du sechs Gegentore bekommst, dann kann man das nicht sagen.  

Deine Konzentration gilt jetzt auch deinem Job als privater Fitnesstrainer. Du hast damit die Perspektive vom Aktiven zum Trainer gewechselt. Wie schwer ist dir das gefallen?

Das ist mir gar nicht schwergefallen, weil ich mich durch meine Verletzungen permanent mit meinem Körper, mit meinen Physiotherapeuten und Athletiktrainern auseinandergesetzt habe. Durch diese Phase kam ich auch der Reha- und Athletikbranche immer näher. Ich war dann mehr im Kraftraum als auf dem Platz. Für einen Spieler ist das eine bittere Phase, aber durch diese Entwicklung habe ich schon damals in meiner Zeit beim VfL Wolfsburg damit begonnen, Spielerinnen des VfL zu betreuen. Ich wusste aber auch sehr früh, dass ich auch weiter im Profifußball arbeiten möchte. Als das Angebot vom HSV dann kam, war mir klar, dass ich diesen Schritt gehen möchte.

Du bist seit dieser Saison auch U21-Torwarttrainer. Worin liegt der größte Unterschied im Vergleich zu deinen Keepern aus den jüngeren Jahrgängen?

Erst einmal muss ich sagen, dass mich das natürlich unglaublich geehrt hat, dass ich für diesen Karrieresprung überhaupt in Betracht gezogen wurde. Es ist eine Riesenehre. Der große Unterschied liegt natürlich in den Feinheiten. Die Jungs in der U21 sind super ausgebildete Torhüter, die du nur noch in den Feinheiten weiterentwickeln musst. Da arbeitest du nicht mehr an den Grundbausteinen.

Welche Lebensweisheit würdest du deinen Keepern immer mitgeben?

Mir hat es viel gegeben, dass ich nach Rückschlägen immer wieder aufgestanden bin und mich damit auch weiterentwickelt habe. Ich habe damals festgestellt, dass man selbst aus den schlechtesten Phasen viel Kraft ziehen kann.