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Verein

22.06.17

„Wir haben eine klare Haltung“

Seit mehr als drei Jahren lenkt Dr. Dieter Gudel als Leiter die Geschicke im Nachwuchsleistungszentrum des HSV. Zum 1. Juli zieht er nun ganz offiziell gemeinsam mit den Nachwuchs-Leistungsmannschaften des HSV sowie den Internatsspielern in die Alexander-Otto-Akademie.  Wenige Tage vor dem Einzug haben wir mit dem NLZ-Leiter über seine neue Heimat, sein Aufgabengebiet und Entwicklungen in der Arbeit mit Nachwuchsspielern gesprochen. 

Was bedeutet der Campus aus ihrer Sicht für die Zukunft des HSV?

Durch den HSV-Campus haben wir unsere Konkurrenzfähigkeit in unserem Wettbewerbsumfeld wiederhergestellt.  Wir haben hier nicht nur für unsere Leistungsmannschaften optimale Trainings- und Entwicklungsmöglichkeiten geschaffen. Wir sind jetzt auch verstärkt in der Lage, von der U16 bis hin in den Profibereich kontinuierlich und übergreifend zu arbeiten, da wir nun eng vernetzt an einem Standort noch intensiver miteinander an unseren Talenten arbeiten. 

Worauf dürfen sich die HSV-Talente am meisten freuen? 

Unsere Internatsspieler können sich auf ein Internatsgebäude freuen, das die Bedürfnisse seiner Bewohner in vollem Umfang befriedigt und dabei eine Atmosphäre erzeugt, in der man sich wohlfühlen kann, schließlich ist es ihr neues Zuhause. Alle Nachwuchsspieler profitieren von der professionellen Infrastruktur und den top Bedingungen im Sport und in den Bereichen der medizinischen Versorgung, der Physiotherapie, der Athletik, der Mensa und der pädagogischen Betreuung. Und unsere U19- und U21-Spieler können sich am meisten auf die enge Verbindung zum Training der Profis freuen. 

Als Leiter des Nachwuchsleistungszentrums ziehen Sie nun auch in Ihr neues Zuhause. Welchen Effekt erhoffen Sie sich für alle Mitarbeiter, die von nun an im Campus arbeiten werden? 

Die engere Verzahnung betrifft ja nicht nur die Spieler, sondern auch alle anderen Mitarbeiter. Vom U19-Trainer über den Koch bis zum Fahrer. Andererseits erleben jetzt auch die Mitarbeiter des Volksparkstadions noch unmittelbarer, dass das NLZ ein fester Bestandteil ihres Clubs ist. 

Welche Aufgaben haben Sie als NLZ-Leiter täglich zu bewältigen? 

Ein Hauptbestandteil des Alltags besteht aus Kommunikation mit Spielern, Trainern, Mitarbeitern, Eltern, anderen Clubs, Partner- und Kooperationsvereinen sowie Beratern. Dabei besteht immer die Prämisse, Entscheidungen zu treffen, die dem Leitbild des HSV entsprechen, den eigenen Nachwuchs zu stärken. Ich muss dafür Sorge tragen, dass unsere sportliche Ausrichtung im Nachwuchs immer Richtung Profifußball gewahrt bleibt, auch wenn wir uns mit unserem Ansatz von Standbein und Spielbein einer ganzheitlichen Ausbildungsphilosophie verschrieben haben. Darüber hinaus müssen wir alle tagtäglich das Bewusstsein dafür schärfen, dass wir unsere eigenen Spieler im HSV entwickeln können. 

Wie wird sich Ihre Arbeit durch die Nähe zum Volksparkstadion verändern? 

Durch die hergestellte räumliche Nähe erhöht sich auch das Bewusstsein, dass Nachwuchs und Profibereich nah beieinanderliegen. Daraus entsteht für beide Bereiche eine höhere Erwartungshaltung, die wir aber befürworten und als Antrieb begreifen. Jeder Spieler und Mitarbeiter hat jetzt tagtäglich das große Ziel vor seinen Augen. Wir werden viel mehr Austausch zwischen Trainern und Spielern verschiedener Jahrgänge bis hin zu den Profis haben. Schon jetzt nehmen einzelne Profis die Räumlichkeiten am Campus wahr, außerdem ist der Austausch der Trainer untereinander erleichtert und findet barrierefrei statt. Wir können den Spieler jetzt auch ganz bewusst in den Mittelpunkt stellen und verlieren auf der Strecke zwischen Norderstedt und Volkspark keine Energie mehr.

Fiete Arp hat in der vergangenen Woche seinen Vertrag verlängert. Das mediale Echo um ihn ist enorm groß. Wie bewerten Sie diese Unterzeichnung?

Wichtig ist vor allem das Signal nach innen, weil der Spieler durch seine Entscheidung unseren Weg bekräftigt. Das hat Symbolwirkung für andere. Wichtig ist deshalb, dass wir Fiete in der kommenden Spielzeit bei seinen sportlichen und schulischen Aktivitäten weiterhin weitestgehend unterstützen und ihn dadurch auf seinem Weg in den Lizenzfußball begleiten.  

Fiete wird am 1. Juli auch in den neuen Campus ziehen. Ryan Adigo aus der U16 hingegen nicht. Er wechselt zu Borussia Mönchengladbach. Wie ist dieser Wechsel zustande gekommen? 

Der aus dem Profibereich und seinen Mechanismen bekannte Transfermarkt setzt sich mittlerweile bis in den Jugendbereich fort. Mit allen Begleiterscheinungen, die man sich denken kann. Mittlerweile sind viele Clubs bereits in der U15 und U16 dazu gewillt, höhere sechsstellige Ablösesummen für Jugendspieler zu bezahlen, Berater einzusetzen, die Familien zu umgarnen, ganz gleich, ob Jugendlicher und Club noch eine bestehende Vereinbarung miteinander haben oder ob es aus schulischer Sicht Sinn macht. Dieses Geschäft können wir nicht aufhalten, aber wir können eine Haltung dazu haben. In diesem Fall haben wir uns mit der Familie über deren Wechselwunsch ausführlich auseinandergesetzt und haben im Sinne des Spielers und des HSV eine gute Lösung für alle gefunden.

Welche konkrete Haltung hat der HSV?

Dass unser Weg mit seinem Standbein-Spielbein-Ansatz sowohl sportlich wie auch sozial-ethisch vertretbar ist und dass es nicht auf zehn Euro mehr oder ein paar extra Turnschuhe ankommt. Aber wie in so vielen anderen Bereichen gibt es auch hier nichts, was es nicht gibt. Wir distanzieren uns deshalb von Praktiken, die darauf ausgerichtet sind, 12-jährige, 14-jährige oder 15-jährige Spieler ohne Berücksichtigung der Lebensumstände oder schulischen Situation quer durch Deutschland zu transferieren, da dies am Ende des Tages auch ein schlechtes Licht auf den Club wirft. Hier haben wir eine klare Haltung und sämtliche Spielerzugänge der letzten drei Jahre sind von dieser geprägt. 

Stichwort Berater: In welchem Umfang hat die Arbeit von Beratern in den vergangenen Jahren im Nachwuchs an Bedeutung gewonnen bzw. sich verändert?

Es ist klar feststellbar, dass Berater zu einem wichtigen Bindeglied werden, da mittlerweile U14-Spieler Berater aufsuchen und unsere U12- sowie U13-Spiele intensiv von Beratern gesichtet werden. In vielen Fällen ist das sogar gut und richtig, weil Berater den Eltern und den Jungs auf einem anderen Weg als wir plausibel aufzeigen können, wo die Jungs stehen. Gerade das Kleinstberatergewerbe hat aber teilweise skurrile Ausmaße angenommen, die am Ende weder dem Spieler noch dem Club guttun und bei denen am Ende die Spieler und deren Familien als schwächstes Glied in der Kette massiven Schaden nehmen können. 

Wie lässt sich vor allem im Nachwuchsbereich damit umgehen? 

Wir erklären unseren Spielern schon früh den Umgang mit Beratern. Aber auch deren Eltern. So haben wir Workshops für die Spieler eingerichtet und greifen dieses Thema regelmäßig in Elternabenden unserer Teams auf. Grundsätzlich muss man aber festhalten, dass es in den vergangenen Jahren immer dann von Erfolg gekrönt war, wenn Club, Spieler und Berater gemeinschaftlich an einem Karriereplan gearbeitet und diesen dann erfolgreich umgesetzt haben. So war es bei Heung Min Son, Jonathan Tah, so ist es bei Finn Porath, bei Jonas Behounek und bei Fiete Arp und bei vielen anderen Jungs, die ich hier nicht erwähne, weil sie trotz ihres unfassbaren Talentes noch nicht im Brennpunkt des medialen Interesses stehen. Und das finde ich gut.