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Verein

14.09.16

"Wir machen einen maximalen Schritt"

Frank Wettstein, zuständiges Mitglied des Vorstands bei der HSV Fußball AG, erläutert im Interview mit HSV.de das platzierte Schuldscheindarlehen und die Folgen für den Club.

HSV.de: Herr Wettstein, erst im Frühjahr wurde die bestehende Stadionfinanzierung abgelöst. Warum hat der HSV jetzt erneut eine Finanzierung abgeschlossen? 

Frank Wettstein: Wir haben uns bereits zum Jahreswechsel für diesen zweistufigen Prozess entschieden, um die bestehenden Konsortialkredite in eine langfristige, strukturierte Finanzierung zu überführen. Mit diesem Vorhaben konnten wir zum einen mit der gebotenen Zeit die Gespräche mit den Investoren führen und andererseits den Anforderungen des Lizenzierungsverfahrens der DFL gerecht werden.  Dass wir nun die Refinanzierung früher als angekündigt erreichen konnten, liegt zum einen daran, dass wir mit Blick auf die Besicherung durch das Volksparkstadion die notwendigen Voraussetzungen frühzeitig geschaffen haben, zum anderen aber auch das Marktumfeld für uns nutzen konnten und eine positive Rückmeldung vom Kapitalmarkt bekommen haben.

Was heißt das konkret? 

Wettstein: Investitionen in Fußballclubs oder Fußballstadien sind üblicherweise nicht das Hauptanliegen der Kapitalanlage professioneller Investoren. Da das Zinsniveau für langfristige Anleihen jedoch weiterhin historisch niedrig ist, zeigten sich gerade die institutionellen Anleger offen für unser Angebot. Es ist uns gelungen, den Kapitalmarkt zu überzeugen, dass dieses Investment in den HSV seine Attraktivität hat. 

Wie bewerten Sie die Verzinsung der Anleihe mit Blick auf die Besicherung durch das Volksparkstadion? 

Wettstein: Die Besicherung durch das Volksparkstadion ist wichtig, damit bestimmte Investorengruppen wie beispielsweise Versicherungen die Anlage überhaupt in Erwägung ziehen und offen ihre Möglichkeiten prüfen. Dennoch bleibt es dabei, dass die Risikobeurteilung, aus der sich letztlich die Zinserwartung ergibt, die Geschäftstätigkeit des Darlehensnehmers, also der HSV Fußball AG, und nicht die Verwertbarkeit der Sicherheit in den Mittelpunkt stellt. Durch die Zweckbindung des Volksparkstadions ist eine andere Nutzung als die eines Fußballstadions gar nicht denkbar. Und hierfür kommt einzig und alleine der HSV in Frage. Also ergibt sich der Zinssatz aus der Beurteilung des Spielbetriebs. Nicht wenige der angesprochenen Investoren hätten sich auch eine höhere Verzinsung gewünscht und haben mit Verweis darauf eine mögliche Beteiligung nicht weiter geprüft. Schalke 04 hat im Übrigen jüngst eine vergleichbare Anleihe zu gleichen Konditionen platziert.

Wofür werden die Mittel verwendet? 

Wettstein: Unser Hauptanliegen richtet sich neben der Stadionfinanzierung auf die anstehenden bzw. bereits in Umsetzung befindlichen Investitionen. So sind wir nun in der Lage, weitere Modernisierungen im Stadion wie z.B. den Ausbau des Konferenzcenters im Westen zu stemmen und das Campus-Projekt u.a. mit dem Neubau der Trainingsplätze wie geplant fortzusetzen. 

Zehn Jahre Laufzeit sind ein langer Zeitraum. Was bedeutet die Emission für die Verschuldung des HSV? 

Wettstein: Die Laufzeit haben wir bewusst so gewählt, damit wir langfristige Planungssicherheit haben. Das über viele Jahre aufgebaute strukturelle Problem des HSV lässt sich nicht so einfach im Vorbeigehen beheben. Im Übrigen wird das Schuldscheindarlehen über die Laufzeit mit jeweils EUR 4 Mio. pro Jahr getilgt, so dass eine Refinanzierung am Laufzeitende nicht erforderlich ist und die Verschuldung des HSV während der Laufzeit bezogen auf die Anleihe stetig reduziert wird. Natürlich erhöhen sich mit der Emission die Verbindlichkeiten der HSV Fußball AG, auf der anderen Seite werden mit den Mitteln auch langfristige Werte geschaffen. 

Wer sind die Zeichner der Anleihe? 

Wettstein: Die Anleihe wurde von den begleitenden Banken insbesondere bei institutionellen Anlegern, also Banken, Versicherungen und Pensionsfonds angeboten. Ein verhältnismäßig kleiner Anteil wurde auch von Privatpersonen übernommen. Trotz der nur begrenzten Ansprache war die Nachfrage höher als unser Angebot, sodass wir dank der Überzeichnung bei der Verzinsung glücklicherweise nicht an die Obergrenze der angebotenen Bandbreite gehen mussten. Die Anlegerstruktur zeigt, dass der HSV kapitalmarktfähig ist und wir das Vertrauen nicht nur der HSV-nahen Anleger erhalten. 

Was bedeutet die Platzierung für die Restrukturierung des HSV? Noch im Frühjahr haben Sie den Club als Sanierungsfall bezeichnet. 

Wettstein: Mit der Platzierung machen wir einen maximalen Schritt hinsichtlich der Restrukturierung der Passivseite. Und das deutlich schneller, als viele es erwartet haben. Hinsichtlich der Fristigkeiten auf der Finanzierungsseite befreien wir uns nun von den Lasten der Vergangenheit und schaffen gleichzeitig die Basis für das mit der Ausgliederung verfolgte Ziel der Aufnahme strategischer Investoren. Dennoch bleibt die Sanierungsaufgabe weiterhin bestehen, in dem wir daran arbeiten müssen, die sportlichen Zielsetzungen und damit den operativen Turnaround zu erreichen. 

Welche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang die jüngst geschlossene Vereinbarung mit Herrn Kühne zur Finanzierung von Transfers?

Wettstein: Mit dem Schuldscheindarlehen führen wir zunächst die von Herrn Kühne gestemmte Stadionfinanzierung vorzeitig zurück, was von Anfang an in unserem zweistufigen Umfinanzierungsprozess vorgesehen war und mit den Investoren sowie den begleitenden Banken abgestimmt ist. Die Mittelverwendung des Schuldscheindarlehens beinhaltet ausdrücklich keine Transferfinanzierungen. Dies wäre bei den professionellen Investoren zu keinem Zeitpunkt vermittelbar gewesen und darf auch nicht unser strategischer Ansatz sein. Dass wir unsere sportliche Basis mit Unterstützung von Herrn Kühne verbessern können, wurde allerdings gerade von den Zeichnern positiv zur Kenntnis genommen und hat sicher nicht zuletzt auch zu der Überzeichnung geführt. 

Hätte man auf Grund der Überzeichnung nicht das Emissionsvolumen erhöhen können? 

Wettstein: Bei einem höheren Emissionsvolumen muss man auch dem Finanzierungszweck gerecht werden und die Mittelverwendung gewährleisten. Bis auf die bis 2019 laufende Fan-Anleihe haben wir keine weiteren Finanzverbindlichkeiten mehr, so dass allenfalls die vorzeitige Rückzahlung der Fan-Anleihe eine wirtschaftlich sinnvolle Option gewesen wäre. Bei der Emission der Fan-Anleihe wurde jedoch keine vorzeitige Rückzahlungsmöglichkeit vereinbart, sodass wir diese Option auch nicht weiterverfolgt haben. Beim jetzt platzierten  Schuldscheindarlehen hingegen erlauben die Emissionsbedingungen auch eine vorzeitige Rückführung vor Ablauf der zehn Jahre. 

Wenn Sie das Schuldscheindarlehen als weiteren Schritt der finanziellen Gesundung abschließend bewerten müssten, wie fiele dann Ihr Fazit aus?

Wettstein: Für die Beurteilung der Passivseite ist die Emission der abschließende Schritt in der Restrukturierung. Wir haben in den vergangenen 20 Monaten mehr als 100 Mio. Euro neues Kapital eingeworben. Hierunter fallen die notwendigen Eigenkapitalmaßnahmen, die zur umgehenden Stabilisierung des HSV zwingend erforderlich waren, die Transferfinanzierung mit Herrn Kühne, die uns die Handlungsfähigkeit im Sport zurückgebracht hat und nun die Platzierung der Anleihe, die das Fristigkeitenproblem auf der Finanzierungsseite löst. Damit befreien wir uns logischerweise nicht von den Lasten der Vergangenheit, aber wir sind jetzt in der Lage, die aufgehäuften Schulden aus eigener Kraft sukzessive zurückzuführen. Die Restrukturierung des laufenden Betriebs mit Einschnitten in allen Bereichen bleibt als Kernaufgabe bestehen. Entscheidend für die weitere Entwicklung ist nun die Erreichung unserer sportlichen Ziele, wofür die Basis geschaffen wurde.