
Vorbericht
23.05.20
HSV vs. DSC: Spezielles Spitzenspiel
Am Sonntag empfängt der HSV als Tabellenzweiter den Tabellenführer DSC Arminia Bielefeld. Ein Spitzenspiel, dem ohne Zuschauer natürlich die Atmosphäre fehlen wird, das aber dennoch seinen Namen verdient.
Lang, lang ist`s her. Vor genau 77 Tagen fand das letzte Heimspiel des HSV statt, das mit 2:1 gegen Jahn Regensburg gewonnen wurde, ehe die Corona-Pandemie die Liga stoppte. Nun, elf Wochen später, steht endlich wieder eine Partie im Volkspark an – allerdings unter gänzlich anderen Voraussetzungen als geplant. Das Duell gegen Arminia Bielefeld (Sonntag, 24. Mai, 13.30 Uhr, live im HSVnetradio) hätte unter normalen Umständen wohl für ein ausverkauftes Volksparkstadion und die 57.000 Fans für eine fantastische Atmosphäre gesorgt. „Wir hoffen natürlich sehr darauf, unsere Heimspiele möglichst bald auch wieder vor unseren Fans und Zuschauern spielen zu dürfen“, erklärte HSV-Trainer Dieter Hecking auf der virtuellen Pressekonferenz am Freitag, „aber wir haben die jetzige Situation und ihre Umstände angenommen und legen den vollen Fokus auf die 90 Minuten.“ Die versprühen ohnehin und trotz allem einen ganz besonderen Reiz: Der Zweite empfängt den Ersten, die beiden offensivstärksten Teams der Liga – Arminia erzielte bislang 51 Tore, der HSV 50 – treffen im direkten Duell aufeinander. Mehr Spitzenspiel geht nicht!

Im Gepäck haben beide Mannschaften ein Remis zum Re-Start der Liga. Ein Ergebnis, mit dem die Teams nicht gänzlich zufrieden waren. Doch während man beim HSV mit den ausgelassenen Torchancen haderte, wurmte es die Ostwestfalen, sich viel zu wenig von ebendiesen herausgearbeitet zu haben. insgesamt gab die Arminia gegen den VfL Osnabrück nur sechs Torschüsse ab und erarbeitete sich keine einzige Ecke – beides ein neuer Saisontiefstwert für den DSC, der somit seit zwei Spielen auf einen Dreier wartet. Beim letzten Mal, als dies der Fall war, setzte es beim nächsten Auftritt gar eine Niederlage: mit 0:3 in Hamburg, beim Stadtnachbarn.
Die Hansestadt also als schlechtes Pflaster für die Arminen? Oder doch eher ein einmaliger Ausrutscher? Immerhin stellt diese Niederlage im Dezember 2019 die einzige der vergangenen 18 Bielefelder Spiele dar. Eine absolut beeindruckende Bilanz der Mannschaft, die ohnehin so konsequent punktet, dass ihr aktuell in der Liga niemand das Wasser reichen kann. „Dies ist das wohl größte Plus der Arminia gegenüber der Konkurrenz: Sie sind sehr stabil und punkten auch in ihren nicht so guten Spielen, deshalb stehen nicht zu Unrecht ganz oben“, stellt Dieter Hecking dem Tabellenführer ein gutes Zeugnis aus. In Zahlen ausgedrückt: 52 Punkte aus 26 Saisonspielen – diese Ausbeute ist nicht nur neuer Bielefelder Vereinsrekord, sondern auch eine Zwischenbilanz, mit der bislang jedes Team in die Bundesliga aufgestiegen ist.

Die ist auch das Ziel der Rothosen, die trotz des unglücklichen 2:2 bei der SpVgg Greuther Fürth den 2. Tabellenplatz vom VfB Stuttgart zurückeroberten und mit einem Sieg im Heimspiel diesen elementar wichtigen Platz verteidigen wollen. Ob aber der Begriff „Heimspiel“ auch die bislang damit in Verbindung gebrachten Vorteile für das gastgebende Team bringen wird? Die Hecking-Mannen werden es am Sonntag erfahren. Wobei Arminia Bielefeld sich davon in dieser Saison bislang ohnehin kaum bis gar nicht beeindrucken ließ. 28 Punkte aus 13 Auswärtspartien sammelten die Arminen bislang, das ist mit Abstand der Ligahöchstwert.
Zudem war in der Historie der Liga nur ein einziges Team ebenso erfolgreich: Der 1. FC Köln in der Vorsaison, der am Ende Zweitligameister wurde und aufstieg. „Wir haben in unseren Auswärtsspielen vieles richtig gemacht“, findet auch Trainer Uwe Neuhaus. Und selbst wenn seine Arminen auch mal eine nicht so gute Phase hatten und eine Niederlage drohte, konnten sie sich immer noch auf ihren Angreifer und Kapitän Fabian Klos verlassen, der mit seinem jüngsten Treffer gegen den VfL Osnabrück seinen persönlichen Zweitligarekord von 17 Saisontoren aus der Spielzeit 2018/19 eingestellt hat. Und diesen natürlich ausbauen und damit einen neuen persönlichen Bestwert aufstellen möchte. Der HSV ist gewarnt.

Ihrerseits haben die Hamburger nicht diesen einen Torjäger in ihren Reihen, der alles dominiert. Vielmehr kann sich Hecking auf die Vielseitigkeit seines Kaders verlassen, aus dem sich bereits 15 Spieler in die Torschützenliste eintragen konnten. Zuletzt trafen am vergangenen Wochenende Jeremy Dudziak und Joel Pohjanpalo, der damit in seinem sechsten HSV-Einsatz zum dritten Mal jubeln durfte. Vorbereiter war wieder einmal der Top-Butler der Liga: Tim Leibold. Und auch Aaron Hunt steuerte einen Assist bei, wodurch er bereits jetzt seine Scorer-Bilanz der vergangenen Saison eingestellt hat. Offensiv sehen das Bild und der Trend also weiterhin seher positiv aus.
In der Arbeit nach hinten hingegen hat der HSV Optimierungsbedarf. Zwar wird viel und leidenschaftlich verteidigt, von den letzten 17 Spielen aber konnte lediglich eines ohne Gegentor überstanden werden. Die defensive Unerschütterlichkeit des ersten Saisondrittels, in dem gleich fünf Zu-Null-Spiele gelangen, haben die Rothosen leider etwas eingebüßt. Aber welches Spiel würde sich besser eignen, um diesen Umstand abzustellen, als das Duell mit der offensivstärksten Mannschaft der ganzen Liga? Zumal Käpt`n Hunt & Co. ihre nahezu tadellose Heimbilanz ausbauen wollen, die sich dadurch ausdrückt, dass der HSV neun seiner zwölf Saisonsiege im heimischen Stadion holte. Diese Stärke soll weiter bestehen bleiben. Auch 77 Tage nach dem letzten Heimsieg. Und auch ohne die 57.000 Zuschauer, die natürlich fehlen werden. Aber Heimspiel bleibt Heimspiel.