
Saison
23.02.23
Mit Anlauf und Rückenwind ins Spitzenspiel
Erster gegen Zweiter, Darmstadt 98 gegen den Hamburger SV – am Sonnabend steht in der 2. Bundesliga ein Spitzenspiel auf dem Programm, das diesen Namen mehr als verdient hat.
Der Duden definiert den Begriff „Spitzenspiel“ als ein „Spiel von Spitzenmannschaften gegeneinander“. Eine Definition, die mitunter einen gewissen Interpretationsspielraum zulässt. Denn ab wann sind Mannschaften spitze? Das Wort „spitze“ führt das deutschsprachige Wörterbuch sowohl als Adjektiv für „großartig“ als auch als Substantiv für „vorderster, anführender Teil“. Das bevorstehende Zweitligaspiel zwischen dem SV Darmstadt 98 und dem Hamburger SV vereint beide Aspekte und ist damit im wahrsten Sinne des Wortes ein Spitzenspiel, sozusagen dessen absoluter Inbegriff, denn mehr Spitze als Erster gegen Zweiter geht nicht. Darüber hinaus treffen die beiden Mannschaften aufeinander, die die meisten Siege in der laufenden Zweitliga-Saison eingefahren haben – 14 an der Zahl. Ein Top-Wert, der im deutschen Profifußball nur noch von Bundesligist Borussia Dortmund erreicht und von Drittligist SV Elversberg (18 Siege) getoppt wird.

Darmstädter Serie
Die Gastgeber aus Darmstadt, die – als hätten es die Spielplanmacher der DFL geahnt – den HSV passenderweise auch zur Primetime am Sonnabendabend (ab 20.15 Uhr live im HSVnetradio) empfangen, gehen dabei mit einem fulminanten Lauf in die Partie: So sind die Lilien seit satten 20 Zweitliga-Spielen ungeschlagen. Die einzige Saisonniederlage datiert vom 16. Juli 2022, als Darmstadt 98 zum Saisonstart mit 0:2 beim SSV Jahn Regensburg unterlag. Seitdem stehen 14 Siege und sechs Remis zu Buche. Am heimischen Böllenfalltor punkteten die Hessen somit immer und sind mit 25 Zählern das zweitheimstärkste Team der Liga.
Die Darmstädter Erfolgsstory – bereits in der Vorsaison schlossen die Lilien punktgleich mit dem HSV auf Rang 4 ab – kommt dabei nicht von ungefähr, sondern fußt auf Kontinuität und einer klaren Handschrift. Für diese zeichnet seit Anfang Juni 2021 Cheftrainer Torsten Lieberknecht verantwortlich. Der heute 47-jährige Ex-Profi (152 Zweitliga-Spiele für Mainz 05, Eintracht Braunschweig und Waldhof Mannheim) folgte auf Markus Anfang und holte in der Vorsaison 2021/22 satte 60 Punkte. Aktuell sind es bereits 48 Zähler für den Fußballlehrer und seine Mannschaft, die im bisherigen Saisonverlauf auf Rückschläge taktisch und personell immer eine Antwort fand. Seit dem 12. Spieltag rangieren die Lilien an der Tabellenspitze, fanden sich überhaupt nur an fünf Spieltagen nicht unter den Top-3 wieder. „Die Jungs aus Darmstadt machen es richtig gut, sind seit dem 1. Spieltag ungeschlagen. Das spricht für ihre Qualität und Kontinuität. Sie haben viele erfahrene Spieler, die genau wissen, was sie auf dem Platz machen“, lobt HSV-Kapitän Sebastian Schonlau den Kontrahenten, der vor kurzem in einem spektakulären DFB-Pokal-Achtelfinale beim hessischen Nachbarn und amtierenden Europa-League-Sieger Eintracht Frankfurt (2:4) trotz Niederlage seine Erstligatauglichkeit unter Beweis stellte.

Hamburger Selbstverständnis
Erstligafußball ist auch das klar erklärte Ziel des Hamburger SV. Der frühere Bundesliga-Dino hat während seines erstmaligen und mittlerweile fünf Spielzeiten andauernden Aufenthalts in der 2. Liga noch nie so stabil über einen so langen Zeitraum performt wie aktuell. Ähnlich wie beim SV Darmstadt fußt diese Stabilität auf Kontinuität, mannschaftlicher Geschlossenheit und einer klar erkennbaren Spielidee. Diese hat mit dem gebürtigen Bruchsaler Tim Walter ebenfalls ein Trainer implementiert, der zur Saison 2021/22 das Zepter übernahm. Stand das Hamburger Publikum seiner anspruchsvollen Spielweise zu Beginn noch in Teilen kritisch gegenüber, haben es Trainer und Mannschaft geschafft, eine unfassbare Begeisterung rund um den HSV zu entfachen. Beim jüngsten 2:1-Erfolg gegen Bielefeld strömten zum sechsten Mal in Serie mehr als 50.000 Zuschauer ins Volksparkstadion. „Die Menschen wollen Spektakel sehen und der Dino sorgt für großes Kino“, durfte Walter jüngst völlig zu Recht zu Protokoll geben.
Die Rothosen, ihres Zeichens die zweitbeste Auswärtsmannschaft der Liga, sind im Kalenderjahr 2023 noch ohne Niederlage und holten ebenso wie Darmstadt 13 Punkte aus den vergangenen fünf Zweitliga-Spielen. Dementsprechend stark bläst der Rückenwind, mit dem der Hamburger SV ans Böllenfalltor reist. „Für uns ist ganz klar, dass wir dieses Spiel dominieren wollen. Wir fahren dorthin, um zu gewinnen“, erklärt Innenverteidiger Schonlau selbstbewusst. Ein Selbstverständnis, das die Hamburger in den vergangen mehr als 18 Monaten entwickelt haben und dem sie immer wieder gerecht geworden sind. Und zwar auch in den Spitzenspielen, darunter der letzte Besuch in Darmstadt, als man vor etwas mehr als einem Jahr die ebenfalls an der Tabellenspitze stehenden Lilien mit 5:0 bezwingen konnte. „Wenn es ähnlich verläuft, wären wir glücklich, aber das wird jetzt ein komplett anderes Spiel. Es ist ein absolutes Top-Spiel: Erster gegen Zweiter. Als Spieler wartest du auf solche Spiele. Du möchtest dich mit den Besten messen“, sagt Schonlau voller Vorfreude. Der Duden kann für dieses Wochenende seine Definition zum „Spitzenspiel“ umschreiben: D98 vs. HSV!