Interview
27.08.20
"Wir haben eine sehr offene Gesprächskultur"
Im Interview mit HSV.de sprechen die beiden Assistenztrainer Merlin Polzin und Hannes Drews über die Zusammenarbeit im Trainerteam, die Bedeutung des Trainingslagers und die Ziele bis zum Pflichtspielstart.
Neben Cheftrainer Daniel Thioune sind seit diesem Sommer auch seine beiden Assistenten Merlin Polzin (29) und Hannes Drews (38) neu im Trainerteam des HSV. Mit Polzin arbeitete Thioune bereits seit 2014 erfolgreich beim VfL Osnabrück zusammen, Drews rückte von der Position des U21-Coaches zur Zweitligamannschaft auf. HSV.de traf das Duo zwischen zwei Einheiten im Trainingslager im österreichischen Bad Häring zum Gespräch über ihre Zusammenarbeit im Trainerteam, das Kennenlernen in der Vorbereitung und die Ziele bis zum Pflichtspielstart.
Seit diesem Sommer bildet ihr zusammen mit Cheftrainer Daniel Thioune das Trainerteam des HSV. Die Tage im Trainingslager müssen für euch besonders wichtig sein, denn hier hat man zeitlich den meisten Zugriff auf die Spieler und kann die Mannschaft am besten kennenlernen.
Polzin: Das stimmt. Es ist ein riesen Vorteil gegenüber dem Alltag, den wir in Hamburg haben. Wir sind rund um die Uhr mit den Jungs zusammen. Wir können mit ihnen auf dem Platz arbeiten, aber auch Gespräche abseits des Fußballs führen. Das heißt, es steht nicht immer im Vordergrund, was wir mit oder gegen den Ball machen wollen, sondern auch private Situationen.
Drews: Das sehe ich genauso. Ein Trainingslager nutzt man A dazu, um Inhalte zu vermitteln, aber B will man natürlich auch die Spieler kennenlernen. Welche Charaktere haben wir in der Mannschaft, was hat der einzelne für eine Situation zuhause? Da erfährt man zum Beispiel, dass jemand kleine Kinder hat, die einem auch mal den Schlaf rauben können. Diese Unterhaltungen sind spannend und wichtig. Da wurden wir im Übrigen sehr offen von der Mannschaft empfangen. Der Austausch untereinander ist sehr zielführend.
Auch auf dem Platz sieht man euch oft in Einzelgesprächen mit Spielern. Dabei geht es aber sicher nicht um die Kinder zuhause.
Polzin: Da stehen natürlich die sportlichen Inhalte im Vordergrund. Ganz entscheidend für unsere Arbeit ist, dass wir den Zugang zu den Jungs finden. Dieser kann unterschiedlichster Natur sein. Dem einen muss man ein Video zeigen, dem anderen direkt auf dem Platz etwas darstellen und dem Dritten etwas aufmalen. Oft sind es unterschiedliche Lernwege, die wir bedienen und die wir versuchen umzusetzen.
"Das Wichtigste ist, dass wir auf Augenhöhe über alle Dinge sprechen können."
Daniel Thioune hat gesagt, dass für ihn der Begriff des Co-Trainers antiquiert ist. Er spricht immer von Entscheidungen, die im Trainerteam getroffen werden und möchte euch auf Augenhöhe begegnen. Wie nehmt ihr die Zusammenarbeit mit ihm wahr?
Polzin: Das Wichtigste ist, dass wir auf Augenhöhe über alle Dinge sprechen können. Letztendlich trifft natürlich Daniel die Entscheidungen und steht dafür auch gerade. Aber bis dahin haben wir eine sehr offene Gesprächskultur. Wir diskutieren jede einzelne Übung durch, jedes einzelne Gespräch mit den Jungs und jede Vor- und Nachbereitung ist im Detail aufbereitet. Wir müssen uns nicht zurücknehmen und können unsere Erfahrung mit einbringen. Davon profitiert am Ende die gesamte Trainerarbeit.
Drews: Wenn man in unseren Räumen einmal Mäuschen spielen dürfte, dann würde man hören und sehen, dass die Sachen sehr konstruktiv und durchaus auch kritisch angesprochen werden. Die Argumente gehen nicht immer in eine Richtung. Wenn am Ende die Tür aufgeht, sind wir aber einer Meinung. Das ist ganz wichtig und aus meiner Sicht das Entscheidende. Da ist speziell Daniel ein sehr guter Typ, der gut moderieren kann, der aber auch Sachen annimmt und nicht alles vorgibt. Wenn von uns Impulse kommen, nimmt er diese auch gerne auf. Zudem lässt er uns auf dem Platz sehr viel machen.
Du hast ihn auf dem gemeinsamen Fußballlehrer-Lehrgang kennengelernt. Danach seid ihr in Kontakt geblieben und habt euch immer mal wieder ausgetauscht. Was zeichnet ihn deiner Meinung nach aus?
Drews: Daniel ist sich seiner Linie treu geblieben. Das ist ein Charakter-Merkmal, das ich ihm hoch anrechne, weil einige im Profibereich durch Stress und andere Einflüsse auch mal anders werden. Er ist bei sich geblieben, er ist bodenständig und total ehrlich. Auf der einen Seite ein Kumpeltyp, auf der anderen Seite hat er aber klare Ziele vor Augen. Das hatte er auch schon, als ich ihn kennengelernt habe.
Würdest du ihn auch so beschreiben, Merlin?
Polzin: Ich kann dem nur zustimmen. Sowohl, was das Menschliche angeht, als auch die inhaltliche Arbeit. Ich denke, wir sind im gesamten Trainerteam auf einer Wellenlänge und das muss aus meiner Sicht auch so sein. Ich freue mich auf alles, was beim HSV auf uns zukommt.
"Als der Anruf kam, war ich halb auf dem Weg nach Hause und bin für das Gespräch im Volksparkstadion mit quietschenden Reifen umgedreht."
Du arbeitest schon seit 2014 an Daniels Seite. Zunächst bei der U17 des VfL Osnabrücks, dann bei der U19 und schließlich bei den Profis. Wie hast du eigentlich davon erfahren, dass er dich auch mit zum HSV nehmen möchte und wie hast du darauf reagiert?
Polzin: Daniel hat mich persönlich nach der Saison darüber unterrichtet. Ich habe es schon mehrfach betont, dass es für mich als gebürtiger Hamburger und mit meiner Verbundenheit zum HSV keine größere und besondere Aufgabe gibt. Es geht jetzt aber für uns und für mich nur um die Entwicklung der Mannschaft und unsere Ziele und weniger um das, was ich persönlich damit verbinde. Wir wollen erfolgreich sein für den Verein und für die Stadt. Da nehme ich mich bewusst zurück.
Hannes, du hast in der vergangenen Saison die U21 trainiert. Wie hast du von der Idee erfahren, dass Daniel dich in sein Trainerteam nehmen möchte und hast du eigentlich sofort zugesagt oder noch eine Nacht drüber geschlafen?
Drews: Ich habe eine Nacht drüber geschlafen. Das mache ich aber immer so bei wichtigen Entscheidungen. Ich kann ehrlich sagen, dass ich euphorisiert war, als der Anruf kam. Ich war halb auf dem Weg nach Hause und bin für das Gespräch im Volksparkstadion mit quietschenden Reifen umgedreht. Trotzdem bin ich das für mich noch einmal durchgegangen und habe mich gefragt: Ist es das, was ich mir vorstelle? Und bis jetzt kann ich sagen: Großer Haken dahinter. Das passt.
Es folgte ein großer Input, zahlreiche neue Gesichter und viel Arbeit. Wie habt ihr bislang die ersten Wochen eures gemeinsamen Tuns erlebt?
Polzin: Am Anfang war es relativ viel und relativ groß, weil es uns als Trainerteam wichtig war, jede Abteilung in unmittelbarer Nähe der Mannschaft kennenzulernen. Es gab sehr intensive Gespräche, in denen wir die Arbeitsweisen betrachtet und mit dem verglichen haben, wie wir uns einige Dinge vorstellen. Dabei ist nach und nach etwas zusammengewachsen. Daran können wir uns jetzt orientieren. Das ist die Basis für unsere Zusammenarbeit.
Drews: Für die Gespräche haben wir uns wirklich sehr viel Zeit genommen. Das war auch gut. Wir waren aber alle froh, als wir endlich auf den Platz und mit der Arbeit beginnen konnten. Die Spieler hatten ebenfalls extreme Lust, wieder auf dem Platz zu sein.
Auf welche Schwerpunkte habt ihr in den ersten Wochen besonderes Augenmerk gelegt?
Drews: In der aktuellen Phase geht es einmal darum, die körperlichen Voraussetzungen zu schaffen, um eine gute Saison zu spielen. Das ist von enormer Bedeutung, weil die Saison durch die nicht vorhandene Winterpause sehr lang ist. Wir brauchen viele Körner jedes einzelnen Spielers. Dazu hatten wir einen großen Block für das Spiel gegen den Ball. Hier im Trainingslager legen wir den Schwerpunkt auf die Arbeit mit dem Ball. Jetzt geht es darum, diese Prozesse zu festigen, so dass die Spieler merken, dass diese auch greifen. Das dauert noch ein bisschen. Und auch wenn wir das Spiel gegen den VfB Stuttgart gestern verloren haben, können wir auf viele Dinge, die wir gestern gesehen haben, sehr gut aufsetzen.
Polzin: Die Basis, dass wir im Spiel gegen den Ball gewisse Vorstellungen haben, wie etwas abzulaufen hat, genauso, wie wir mit dem Ball Räume besetzen und uns positionieren wollen, hat eine große Bedeutung. Daran zu arbeiten, werden wir weiter forcieren, und die verschiedenen taktischen Elemente am Ende auch Schritt für Schritt zusammenzuführen. Das ist unser Ziel bis es im DFB-Pokal gegen Dresden geht. Auf den Tag fiebern wir hin und freuen uns, wenn es dann richtig losgeht.