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Nachwuchs

08.03.18

Witte will´s wissen

Kristin Witte ist seit zehn Jahren fester Bestandteil der HSV-Familie. Die 24-Jährige ist nicht nur als Spielerin für die erste Mannschaft der HSV-Damen aktiv, sie trainiert seit Jahren nebenbei auch noch eine Mädchenmannschaft. Wäre das nicht schon genug, ist sie seit kurzem auch noch Teil des Trainerteams im Kinderperspektivtraining. Witte will es wissen, denn sie hat einen Traum: irgendwann eine U-Mannschaft von der Seitenlinie aus zum Sieg führen.

Ein lauter Pfiff ist auf dem Trainingsplatz in Norderstedt zu hören. Die zuvor mit dem Ball am Fuß sprintenden Kinder bleiben schlagartig stehen, kommen in einem Kreis um das Trainerteam zusammen, lauschen den Anweisungen. Eigentlich ganz normal, wäre da nicht ein feiner Unterschied. So ist es eine junge Frau, die hier die Ansprache in einem ruhigen, aber bestimmten Ton übernimmt und den jungen Kickern mitteilt, was in der Einheit bisher gut und was noch nicht so gut gelaufen ist. Dabei steht sie dicht bei den Kindern und gestikuliert richtungsweisend aber ruhig mit den Armen. Ihr Blick ist fokussiert.

Dass eine Frau auf dem Trainingsplatz steht, scheint für die meisten auf den ersten Blick ungewöhnlich. Dabei ist es nur die logische Folge der Veränderungen, die der Profifußball aktuell erlebt. Zuletzt ging der Trend in Richtung junger Übungsleiter, die manchmal abfällig als sogenannte „Laptop-Trainer“ bezeichnet wurden. Die gläserne Decke, die es jungen, ambitionierten Trainern lange fast unmöglich machte, in den Profibereich vorzustoßen, scheint weg. Warum nicht also auch eine Frau als Chefcoach?
Vereinzelt gibt es sie zwar, die Frauen im Herrenfußball. Maria Wallenborn, die neue Teammanagerin der Rothosen zum Beispiel. Die Positionen mit Entscheidungsmacht liegen aber nach wie vor in männlicher Hand. Witte möchte das ändern. Die 24-Jährige ist seit 2009 als Trainerin im Mädchenbereich des HSV aktiv. Und sie macht ihren Job gut. Witte geht voran. Auch deshalb wurde ihr im Dezember 2017 vom DFB der Ehrenamtspreis verliehen. Kurz zuvor wurde sie zudem Teil des Trainerteams für das Kinderperspektivtraining (KPT) im Nachwuchsleistungszentrum. Der vierköpfige Trainerstab trainiert junge Fußballer aus den Jahrgängen 2007 bis 2011 und fördert ihre Entwicklung. Für Witte ein logischer Schritt. 

Wechsel vom Feld an den Spielfeldrand

Witte zeigte als Spielerin auf dem Platz Führungsqualitäten. Sie war laut, coachte ihre Mitspielerinnen immer wieder und wurde so zur wichtige Stütze auf dem Platz. Ihre damaligen B-Jugendtrainerin Sabine Gercken erkannte ihre Qualitäten und fragte, ob sie nicht Interesse an einer Trainertätigkeit hätte. Witte sollte die E-Mädchen fortan trainieren. Eine große Chance und gleichzeitig große Verantwortung für die damals 16-Jährige. Doch nach kurzer Bedenkzeit sagte sie zu. „Der Job hat mir von Anfang an Spaß gemacht“. Dieser Glücksmoment sollte nur der Anfang sein. Einen Gedanken hielt sie sich dabei stets vor Augen: „Ich kann es schaffen“. Irgendwann eine Mannschaft in einem Nachwuchsleistungszentrum trainieren.

Nun, acht Jahre später, ist sie gemeinsam mit Frederick Duteau, Torben Wacker und Christian Neumann Bestandteil des Trainerteams für das KPT. Das Kinderperspektivtraining dient dem ruhigen Übergang in den Grundlagenbereich. Die jüngsten Kicker des HSV sollen so lange wie möglich in ihren Heimatvereinen bleiben, damit sie im gewohnten Umfeld trainieren und spielen können. So kann der HSV langfristig die Entwicklung der jungen Spieler in den zwei- bis dreiwöchentlich stattfindenden Trainingseinheiten der Kinderperspektivteams beobachten und dokumentieren. Dadurch lastet der Leistungsdruck der Kinder nicht auf einem einzigen Training, sondern sie können ihr Talent über einen längeren Zeitraum präsentieren. Bei der Talentauswahl steht das Potenzial im Vordergrund, welches sich durch eine langfristige Beobachtung besser identifizieren lässt.

Witte ist von diesem Konzept überzeugt: „Es ist spannend zu beobachten, wie sich die Jungs entwickeln. Die meisten zeigen von Einheit zu Einheit Fortschritte. Es ist wichtig, Spaß an der Sache zu haben und immer dranzubleiben.“ Die ehrgeizige Trainerin nimmt für sich selbst auch sehr viel aus diesen Einheiten mit und erklärt: „Auch ich entwickle mich mit jedem Training weiter und ziehe wichtige Dinge für meine Trainertätigkeit heraus.“ Aber vor allem sieht sie die Betreuung des KPT als Chance. Es soll das Sprungbrett zu mehr sein. Natürlich seien vorab Bedenken da gewesen, wie die Jungs darauf reagieren würden, wenn eine Frau als Trainerin auf dem Platz steht. Im Nachhinein völlig unbegründet. „Die Jungs haben das super aufgenommen und auch mit meinen Kollegen läuft alles sehr gut.“

Zwischenzeile: Zwischen Zielen und Absicherung

Auf ihrem Entwicklungsweg ist sie sich auch nicht zu schade, auf die Meinungen anderer zu hören und sich von anderen Trainerkollegen hilfreiche Tipps und Ratschläge einzuholen. So hospitierte Witte im vergangenen Sommer bei einigen Coaches. Diese Erfahrung bekräftigte sie noch einmal darin, in Zukunft eine U-Mannschaft aus dem NLZ leiten zu wollen. „Natürlich ist das noch ein langer Weg. Aber ich bin bereit, diesen Weg zu gehen und mich kontinuierlich weiterzuentwickeln. Vielleicht klappt es dann über eine Co-Trainer-Tätigkeit zur Cheftrainerin.“ Die Hamburgerin ist aber auf alles vorbereitet. Im Sommer wird sie eine Ausbildung zur Erzieherin beginnen. Auch hier liegt ihr Fokus wieder auf der Arbeit mit Kindern. Die Ausbildung soll der Absicherung dienen. Das beweist Weitsicht.
Für welche Spielidee Witte als Trainerin stehen möchte, darauf will sie sich derzeit noch nicht festlegen. „Das Wichtigste ist doch, den Kindern und Jugendlichen den Spaß an diesem wunderbaren Sport zu vermitteln. Ich möchte den Spielern beibringen, Training für Training konzentriert zu arbeiten und ihre Grenzen immer wieder zu erreichen und zu übertreffen.“