
Nachbericht
11.05.25
Aufstieg auf HSV-Art: Eindrücke für die Ewigkeit
Nach sieben Jahren in der 2. Liga kehrt der HSV zurück in die Bundesliga. Und er tut dies nicht irgendwie, sondern HSV-standesgemäß: Mit der Faszination Volkspark, einem Rekord-Sieg und einem Spielfilm, der schon fast zu schön ist, um wahr zu sein. Ist er aber.
Manchmal spürt man es einfach, dass etwas Besonderes in der Luft liegt. Dann nennt man es Intuition oder Bauchgefühl, sagt, man hatte eine Ahnung oder den richtigen Riecher. Oder einfach die Erfahrung. So wie HSV-Haudegen Davie Selke, der nach dem 6:1-Erfolg gegen den SSV Ulm im letzten Heimspiel der Saison 2024/25 verriet: „Selbst beim 0:1 hatte ich keinerlei Zweifel, sondern die absolute Überzeugung, dass wir dieses Spiel heute gewinnen. Denn diese Mannschaft in diesem Stadion in dieser Atmosphäre – dieser Abend konnte nur diesen einen Verlauf nehmen. Ich bin jetzt nämlich auch schon ein paar Jahre dabei, und eine Atmosphäre und ein Gefühl wie heute hier in diesem Stadion, das habe ich noch nie erlebt. Dieses Spiel konnten wir nur gewinnen!“ Und so Eindrücke schaffen, die für immer und ewig bleiben.

Denn Selke sollte Recht behalten: Am Ende drehten der 30-jährige Anführer und mit 22 Saisontreffern Top-Torjäger des HSV und seine Rothosen die Partie und machten aus einem frühen 0:1 am Ende ein fulminantes 6:1. Ganz nebenbei bemerkt – natürlich, möchte man sagen, was sonst an diesem außergewöhnlichen Abend?! – der Rekordsieg des HSV in der 2. Liga. Selke selbst hatte entscheidenden Anteil daran, indem er in der Nachspielzeit der ersten Hälfte das 3:1 köpfte – „in diesem Moment wusste ich, dass wir es schaffen“, sagte nach Spielende auch Innenverteidiger Lukasz Poreba, der zuvor Zeuge geworden war, wie sein Rückhalt Daniel Heuer Fernandes beim Stande von 1:1 einen Elfmeter hielt und damit für das Momentum sorgte, das die HSVer am Ende zum Sieg trug, denn dieses Momentum griffen sie, ließen es nicht mehr los und stürmten mit ihm über die Ziellinie. So stand am Ende eines Spielverlaufs, den man sich in Puncto Aufbau, Spannungsbogen, Storytwist, Dramatik und Finale kaum hätte anders, besser und vor allem zu diesem Verein passender ausdenken können, ein fulminanter Sieg und der feststehende Bundesliga-Aufstieg. Und all das in einer Atmosphäre, wie sie auch die Festung Volkspark noch nicht häufig erlebt hat.

Als der Abpfiff dann endlich ertönte, standen die Fans bereits dicht gedrängt rund um das Spielfeld – und stürmten dieses dann. Doppelpacker Ransford Königsdörffer konnte sein Glück kaum fassen, lachte und jubelte mit den Fans im Arm um die Wette und viele weitere HSV-Profis genossen ebenfalls das Bad in der Menge, die Keeper und Elfmeterkiller Daniel Heuer Fernandes einfach minutenlang auf den Schultern durchs Stadion trug, ehe er auf das Dach der Ersatzbank klettern und sich dort feiern lassen konnte. „Hast du in diesem Moment versucht, vorsichtshalber noch schnell in die Kabine zu kommen?“, lautete die Frage eines Journalisten an Daniel Elfadli, den Torschützen zum 6:1-Schlusspunkt. Eine berechtigte Frage, durchaus. Schließlich muss man damit umgehen können, wenn binnen weniger Sekunden hunderte oder gar tausende Menschen aus allen Richtungen und in voller Ekstase auf einen selbst zustürmen. Doch Elfadli verneinte und zeigte auf, dass auch er diesen Moment genoss: „Ich habe so viel für dieses Ziel gearbeitet, wir als Mannschaft haben so viel dafür gearbeitet. Und genau dafür bin ich vor der Saison zum HSV gewechselt. Deshalb bin ich in diesem Augenblick einfach auf der Stelle stehen geblieben, habe mich umgeschaut und den Moment einfach nur erlebt – und dann mit den Fans gefeiert.“

So wie viele andere Rothosen auch, Robert Glatzel beispielsweise suchte ebenfalls nicht den direkten Weg Richtung Kabine, sondern sprintete den auf den Platz strömenden Fans vielmehr noch entgegen und in die Arme – um dann etwas später die Stimmung auch auf dem Balkon des B-Ranges der Osttribüne, auf dem sich die Mannschaft geschlossen eingefunden hatte, anzufeuern. Mit heiserer Stimme und von seiner Mannschaft eingerahmt nahm er das Mikrofon und stimmte etliche HSV-Lieder an, die die Fans auf dem Rasen und den Rängen selbstverständlich lauthals mitsangen. Auch als Tom Mickel den Capo machte, textsicher „Mein Hamburg lieb‘ ich sehr“ anstimmte und so den schönsten und lautesten Chor Hamburgs intonierte. Oder als Knipser Selke die gesanglichen Lobpreisungen der Fans nicht einfach einheimste, sondern weiterreichte und einzelne Mitspieler mit den tausenden Fans auf dem kaum noch vorhandenen Rasen – von Toren oder Eckfahnen wollen wir gar nicht reden – hochleben ließ, kochte die Stimmung minütlich über und die Ohren fühlten sich an wie nach einem zu langen Discoabend oder einem Konzertbesuch.

So richtig leise wurde es erst, als Coach Merlin Polzin auf dem Balkon der Tribüne stehend und sich mutig über das Geländer lehnend das Mikro übernahm und nach langen „Merlin, Merlin“-Rufen aus dem weiten Rund zum lauschenden Hamburger Anhang sprach. Und als er seine Rede über Zusammenhalt und Ziele mit einem „weil der HSV der geilste Club der Welt ist!“ beendete, da kannte der Jubel keine Grenzen. Und auch kein Ende, denn noch stundenlang nach Abpfiff und auch nach Verlassen des Stadions feierten die Fans auf dem Vorplatz ihres Wohnzimmers weiter – so wie die Mannschaft in ihrer Kabine und der angrenzenden Mixed Zone. Dort leerten sich die Räume erst in den frühen Morgenstunden. Und auch diesbezüglich hatte Davie Selke Stunden zuvor das richtige Bauchgefühl bewiesen: „Die Jungs können nicht nur gewinnen, sondern auch feiern“, prophezeite er nach Spielende in der Interviewzone, „ich denke, das werden sie heute unter Beweis stellen, geschlafen wird heute Nacht bestimmt nicht.“ Die Erfahrung eines 30-jährigen Routiniers eben, der zuvor eigentlich schon alles im Fußball erlebt hatte. Und jetzt auch die Wucht und Einzigartigkeit dieses HSV in all seinen Facetten und mit all seinen Menschen.