
Interview
16.11.18
"Wir müssen auch mal Nein sagen können"
Im Interview mit HSV.de spricht Sportvorstand Ralf Becker über die Entwicklung unter Trainer Hannes Wolf, seine Pläne für die Winterpause und eine mögliche Gehaltsobergrenze.
171 Tage ist Ralf Becker als Sportvorstand des HSV aktiv. Hinter ihm liegen das erste Transferfenster, der erste Trainerwechsel und insgesamt 13 Spieltage in der 2. Bundesliga sowie zwei Runden im DFB-Pokal. In der aktuellen Länderspielpause wird der Fokus nun vermehrt auf die zukünftige Kaderplanung gelegt, über die sich der 48-Jährige auch mit Hannes Wolf ausgiebig austauschte. Im Interview mit HSV.de spricht Becker über die Arbeit des neuen Trainers, die Wintertransferperiode und die generelle Ausrichtung des Clubs.
Ralf Becker, vor rund drei Wochen hat Hannes Wolf beim HSV das Traineramt übernommen. Vier Spiele, vier Siege, Tabellenführer und das Achtelfinale im DFB-Pokal erreicht. Klingt nach einem perfekten Einstand. Wie beurteilst du die aktuelle Entwicklung?
Ralf Becker: Mit der Bilanz sind wir natürlich sehr zufrieden. Es war wichtig, dass wir durch die Ergebnisse ein wenig Ruhe reinbekommen haben. Dadurch können wir uns auf den Sport konzentrieren. Wir waren total überzeugt davon, dass Hannes Wolf der richtige Trainer für den HSV ist. Das wären wir aber auch gewesen, wenn die ersten Spiele nicht so souverän gelaufen wären. Die aktuelle Situation ist daher sehr positiv zu bewerten.
Hannes Wolf betont, dass der Verein seine Arbeit und das, was er braucht, schon vorher hervorragend analysiert hätten. Eine Maßnahme daraus war unter anderem die Übernahme der bestehenden Co-Trainer. Wie sicher warst du, dass dieses Zusammenspiel klappt?
Hannes ist ein offener Typ. Das war ganz wichtig in der Konstellation. Wenn ein Cheftrainer keine Co-Trainer mitbringt, ist das eher ungewöhnlich. Die Co-Trainer haben ihn zudem nicht gekannt. Auch das war eine Situation, von der man nicht wusste, wie es funktioniert. Was wir aber wussten, ist, dass die Co-Trainer und auch alle anderen im Funktionsteam rund um die Mannschaft ebenfalls sehr offene Typen sind und wenn es dann passt, auch sehr vertrauensvoll und schnell zusammenarbeiten. Das war die Hoffnung, die von Anfang an bestand, und die sich nun eingestellt hat. Das hat mir Hannes Wolf auch noch einmal im Gespräch bestätigt. Er ist sehr zufrieden mit seiner Situation und freut sich total darauf, weiter mit diesem Team und den Spielern zusammen zu arbeiten.
Wie hast du diesen Prozess begleitet?
Ich habe vorher die Gespräche geführt. Wenn sich das Trainerteam kennenlernt, sich über Inhalte austauscht und ein Gefühl füreinander entwickelt, ist es nicht wichtig, dass ich dabei bin und versuche zu moderieren. Das wäre kontraproduktiv. Es geht darum, die Leute arbeiten zu lassen und zu beobachten, wie es läuft.
Bei den Spielen sitzt du auf der Bank, die Trainingseinheiten besuchst du regelmäßig. Wie dicht bist du im Idealfall bei der Mannschaft?
Es gibt unterschiedliche Phasen. In der Vorbereitung ist alles der Kaderplanung unterstellt. Da geht es nur darum, welche Spieler wir brauchen, um unsere Ziele zu erreichen. Wenn der Kader und das Trainerteam stehen, geht es darum, im Hintergrund alles zu tun, damit diese optimal arbeiten können. Das begleite ich und versuche immer da zu sein, wenn es etwas zu besprechen oder zu analysieren gibt. Wenn operativ alles steht, dann arbeitet der Trainer mit der Mannschaft und der Sportdirektor hält sich zurück.
Du warst selber Spieler, Trainer und Scout. Wie hast du damals deine Sportchefs erlebt und welche Erfahrungen hast du in deine heutige Arbeit übernommen?
Wenn du so lange im Fußballgeschäft tätig bist, dann nimmst du viele Dinge aus unterschiedlichen Bereichen und deine eigenen Erfahrungen mit. Wichtig ist aus meiner Sicht, dass du einen sehr starken Trainer hast. Dieser sollte die totale Rückendeckung haben, weil in einer Kabine 30 Leute sind, die alle ihre eigenen Themen haben. Schon als Spieler habe ich Dinge beobachtet und Krisensituationen mitbekommen, die mir ein Gefühl davon gegeben haben, was gut ist und was der Sache vielleicht geschadet hat. Das versuche ich jetzt in meine Arbeit einfließen zu lassen.
In der aktuellen Länderspielpause ist das erste Mal ein bisschen Zeit, die Kaderplanungen mit Hannes Wolf zu besprechen. Wie geht ihr vor und welche Ziele stehen dabei im Vordergrund?
Wir haben analysiert und besprochen, wie wir uns aktuell aufgestellt sehen und ob wir im Winter noch einmal etwas machen wollen. Dafür ist gerade die Länderspielpause gut, weil du nicht unter Dauerspannung stehst und auch mal Zeit hast, über alles mehrere Stunden zu sprechen. Hannes konnte sich in den letzten Wochen auch selber ein gutes Bild machen. Damit können wir nun arbeiten und evtl. das eine oder andere angehen.
Ist es denkbar, dass etwas in der Winterpause passiert?
Das haben wir beide gleich bewertet. Wir sind mit dem Kader zufrieden. Gideon Jung kommt auf jeden Fall zurück, Papadopoulos vielleicht auch im Laufe der Rückrunde. Wenn jetzt nicht noch etwas Außergewöhnliches passiert, glauben wir, dass wir mit diesem Kader, mit dem wir sehr zufrieden sind, für die Rückrunde sehr gut aufgestellt sind.
Beim HSV ist der finanzielle Rahmen eingeschränkt, der angestrebte Weg mit der Rückkehr in die Bundesliga noch ein langer und schwerer. Wie wirken sich diese Komponenten bei den Planungen und Gesprächen mit potenziellen neuen Spielern im Moment aus?
Johannes Spors und sein Team sind dabei zentral im Thema. Wir schauen natürlich auch nach Spielern, die unabhängig von der Liga interessant sind. Ein paar Dinge können wir auch jetzt schon angehen. Wir müssen die Basis dafür legen, die Dinge vielleicht nicht jetzt, aber im Laufe des Frühjahrs ligaunabhängig anzugehen. Wir haben dieses Jahr auch Spieler verpflichtet, ablösefrei geholt oder ausgeliehen. Es wird aufgrund unserer Situation immer ein Thema sein, was wir aus unseren Möglichkeiten machen können.
Orel Mangala, Hee-chan Hwang und Leo Lacroix sind in dieser Saison ausgeliehen. Wird es beim HSV in den kommenden Jahren vermehrt Leihgeschäfte geben?
Das sollten wir einfach nicht ausschließen. Natürlich ist es uns immer lieber, einen Spieler auf diesem Niveau zu verpflichten, aber du musst aus deinen Möglichkeiten das Optimale machen. Wir müssen schauen, ob wir Spieler ausleihen, die man vielleicht nur deshalb bekommt, weil sie woanders gerade nicht zum Zuge kommen. Es wäre ein Fehler, wenn man sich der Sache verschließt. Als oberste Priorität muss immer gelten, die maximale Qualität im Kader zu haben. Dafür ist eine Leihe immer eine Option.
Zuletzt wurde auch über eine Gehaltsobergrenze gesprochen. Sind das Planungen, die umsetzbar sind?
Ich halte es für umsetzbar, sich in gewissen Bereichen zu reglementieren. Wir müssen schauen, dass alles im vernünftigen Rahmen bleibt. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, dass wir gewisse Themen nicht mehr angehen, dass wir auch mal Nein sagen und andere Lösungen finden müssen. Andere Vereine haben es mit weniger Möglichkeiten geschafft, ihr Ziele zu erreichen. Das muss uns auch gelingen. Wir müssen nicht immer alles mitmachen. Dafür müssen wir konsequent sein, eine klare Richtung haben und sagen, dass bestimmte Dinge einfach nicht mehr möglich sind.
Der HSV hat den jüngsten Kader im gesamten Profibereich. Ist das aus der Not entstanden oder ein konzeptioneller Weg?
Da sehe ich eher das Konzeptionelle. Wir haben viele eigene Spieler integriert und viele externe junge Spieler dazu geholt. Wir haben einen Trainer, der es genauso fortsetzt wie sein Vorgänger, der sehr gerne mit jungen Spielern arbeitet, der junge Spieler besser macht und sie entwickeln kann. Die Zeiten, in denen der HSV alles machen konnte, sind vorbei, also müssen wir unseren Weg finden. Unser Weg in der Zukunft sollte sein, Spieler zu finden, die noch nicht am Ende ihrer Entwicklung stehen, die wir hier weiterentwickeln und die mit uns diesen Schritt gehen. Dabei muss es aber nicht zwangsläufig das Ziel sein, immer den jüngsten Kader zu haben, sondern junge Leute, mit denen wir arbeiten können.
Beim HSV geht alles rund um den Club schnell in die Extreme. Wie steuerst du dem aus deiner Position entgegen?
Man muss immer entgegenwirken, je nachdem in welche Richtung es geht. Nach zwei Siegen haben wir hier noch keine Champagnerstimmung, und wenn wir ein Spiel verlieren, bricht auch nicht der ganze Verein auseinander. Es ist wichtig, dies in die Mitte zu bringen. Wir wissen, dass wir noch einen langen Weg vor uns haben und wir jedes Spiel gewinnen wollen. Als nächstes wollen wir das Spiel gegen Union Berlin gewinnen. Dafür werden wir alles tun, und wenn wir das gespielt haben, dann konzentrieren wir uns auf die nächste Aufgabe, immer step by step.