Saison
06.02.23
Eingewechselte Entscheidung
Der HSV demonstriert derzeit eindrucksvoll, dass eine Fußballmannschaft aus mehr als elf Spielern besteht und entscheidet die Partien aktuell gern von der Bank aus.
Zum Rückrunden-Auftakt gegen Eintracht Braunschweig steckte das Hamburger Spiel gegen Ende in einer verzwickten Lage, nachdem die Eintracht den späten Anschlusstreffer zum 2:3 erzielt und danach zur Schlussoffensive geblasen hatte. Ähnlich verhielt es sich am Sonntag in Rostock, wo Hansa aufgrund der nur knappen 1:0-Führung des HSV zum Ende des Spiels noch einmal seine Chance witterte und die letzten (Offensiv-)Kräfte mobilisierte. Zwei Spiele, eine Parallele. Und das Ende vom Lied? Trainer Tim Walter entschied beide Spiele von der Bank.
"Unser Ziel war, den Kader noch besser aufzustellen, nicht nur in der Spitze, sondern auch in der Tiefe", hatte Walter bereits nach dem Braunschweig-Spiel betont. Und sah sich nun erneut bestätigt. Denn durch die drei Wintertransfers von Innenverteidiger Javi Montero, Linksverteidiger Noah Katterbach und Angreifer Andras Nemeth hat der Coach die Möglichkeit, auch während des Spiels zu reagieren, seiner Mannschaft neue Impulse zu geben und sie in der Schlussphase eines Spiels sogar noch stärker zu machen. "Das war in der vorherigen Saison in dieser Art und Weise vielleicht noch nicht so der Fall", bringt Walters Blick in den Rückspiegel als Fazit hervor.
Entsprechend handelten die sportlich Verantwortlichen in dieser Winterpause, verstärkten den Kader - und sehen sich bereits jetzt in ihrer Idee und ihrem Handeln bestätigt, auch wenn die drei Neuen in den ersten beiden Partien der Rückrunde noch gar nicht in der Startelf standen. Aber darum geht es Walter auch gar nicht, schließlich wird der Trainer nie müde zu betonen, dass in der heutigen Fußballwelt und aufgrund der Chance auf fünf Wechsel während der 90 Minuten eine Mannschaft nicht mehr nur aus elf Spielern besteht und das Reagieren während des Spiels eine große und wichtige Möglichkeit darstellt, Spiele positiv zu beeinflussen. Wohl dem also, der dies in dieser Form und Qualität kann.
Denn auch wenn nach dem Rostock-Sieg alle insbesondere über Torschütze Nemeth sprachen, der nach seiner Einwechslung direkt sein erstes Tor für den HSV erzielt und damit den Sieg perfekt gemacht hatte, konnte mit Laszlo Benes ein weiterer Akteur entscheidenden Einfluss nehmen. Wie schon gegen Braunschweig war der Mittelfeldmann auch gegen Rostock nach seiner Einwechslung zum Mit-Matchwinner geworden. Gegen die Eintracht hatte er das finale 4:2 von Ludovit Reis vorbereitet, in Rostock nun servierte er Nemeth mundgerecht den entscheidenden 2:0-Treffer.
Dass Benes aktuell von der Bank kommt und den Spielen erst in der Schlussphase seinen Stempel aufdrückt, liegt vor allem daran, dass er aufgrund eines leichten Muskelfaserrisses große Teile der Rückrunden-Vorbereitung und des Trainingslagers im südspanischen Sotogrande verletzungsbedingt verpasst hat. Trotzdem zeigt Hamburgs Nummer 8 auch in seiner aktuellen Rolle, wie wichtig er mit seiner fußballerischen Rafinesse, seinen technischen Fähigkeiten und seinem guten Auge für sein Team ist. Nicht umsonst konnte er in dieser Saison bislang zehn Torbeteiligungen in den Statistikbüchern vermerken, sieben davon in den jüngsten sieben Spielen, und zwei allein in den beiden bisherigen Partien des neuen Kalenderjahres. Alles zusammengenommen ein wirklich herausragender Wert!
Ebenso wie die Bilanz Nemeths, der nach seiner Einwechslung keine zehn Minuten benötigte, um zuzuschlagen und mit seinem 2:0 das Spiel endgültig zu entscheiden. "Mein Debüt in der vorigen Woche war für mich schon ein ganz besonderer Moment, aber dieses Tor noch war noch spezieller", freute sich der 20-Jährige über seinen ersten Treffer. Und darüber, Teil dieser Mannschaft zu sein, die ihn "sehr schnell und sehr wertschätzend aufgenommen" hatte, als er Ende Januar vom belgischen Erstligisten KRC Genk zum HSV gewechselt war. Als "den genau richtigen Schritt" bezeichnete Nemeth diese Entscheidung am Montag im Zuge einer Medienrunde.
"Der HSV ist ein großer Club, es ist eine Ehre, für ihn zu spielen, und ich kann hier extrem viel lernen", sagte Nemeth. Coach Walter erkläre ihm immer wieder die Prinzipien des HSV-Spiels, "und ich schaue mir Bobby Glatzel ganz genau an, er ist ein Top-Torjäger. Von ihm kann ich mir viel abschauen, vor allem auch bezüglich der HSV-Spielweise." Die verinnerlicht der Ungar immer mehr, was ihm und natürlich auch der gesamten Mannschaft guttut, wenn er ins Spiel kommt. "Ich will meine Aufgabe in dieser Rolle erfüllen", sagt Andras, "und wenn die Zeit gekommen ist, irgendwann von Beginn an zu spielen, dann werde ich auch bereit sein." Bis dahin trägt der ungarische Nationalspieler genau wie Benes & Co. dazu bei, dass der HSV eine seiner großen Stärken derzeit voll ausspielen kann: Spiele durch Einwechslungen zu entscheiden.