
Nachbericht
10.09.22
Walter-Jubiläum wird zum Serien-Hit
Mit dem 3:2-Sieg beendet der HSV eine 60 Jahre lange Durststrecke in Kiel und stellt mit dem siebten Auswärtserfolg hintereinander eine andere Bestmarke ein.
„Geschichten, die nur der Fußball schreibt“ – so lautete das Storyboard vor dem Auswärtsspiel des HSV bei Holstein Kiel. Tim Walter musste zu seinem 50. Pflichtspiel als Rothosen-Trainer ausgerechnet bei dem Club antreten, bei dem er in der Saison 2018/19 selber die Geschicke an der Seitenlinie leitete und die Hamburger damals in beiden Partien mit schmerzhaften Niederlagen (0:3 und 1:3) mächtig ärgerte. Und ausgerechnet das letzte Gastspiel an der Kieler Förde war es in der vergangenen Saison auch, das den HSV im Nachgang am meisten beschäftigte. Am 29. Spieltag unterlag man sehr unglücklich mit 0:1 und sah sich im Anschluss starker Kritik ausgesetzt. Doch es war auch der Startschuss für eine Erfolgsserie, die nun vorerst ihren Höhepunkt erreichte. Denn das Storyboard des gestrigen Abends im mit 15.034 Zuschauern ausverkauften Holstein-Stadion hatte es in sich. Oder um es anders zu schreiben: Man hätte es sich nicht besser ausmalen können.
Mit dem 3:2-Sieg gewann der HSV sein siebtes Liga-Gastspiel in Folge und stellte damit den 2019 von Arminia Bielefeld aufgestellten Rekord in der 2. Liga ein. Wettbewerbsübergreifend (mit Pokal und Relegation) war es sogar der neunte Auswärtserfolg in Serie. Im deutschen Profifußball liegt damit nur noch Bayern München vor den Hamburgern. Der Rekordmeister gewann in seiner Triple-Saison 2019/20 sogar zwölfmal in Folge auf fremden Geläuf. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Das wurde auch in den 90 Minuten bei der Kieler Sportvereinigung deutlich. Denn das Spiel hatte mehrere ganz unterschiedliche Abschnitte und dramatische Wendungen parat.

Glatzel: Treffer 32 im 50. Spiel
Zunächst bestimmten die Hausherren deutlich das Spielgeschehen und suchten ihr Heil nicht wie in der vergangenen Saison in einer kompakten Defensive, sondern attackierten den HSV sehr früh und verzeichneten dadurch in der Anfangsphase gleich eine Handvoll hochkarätiger Chancen. Allein den starken Paraden von Daniel Heuer Fernandes war es zu verdanken, dass man nicht einem Rückstand hinterherlaufen musste. „Holstein hat sich dieses Mal einen anderen Plan als zuletzt überlegt und ist gut ins Spiel gekommen, weil wir zu inkonsequent waren. In den ersten 20 Minuten waren wir nicht gut“, befand auch Tim Walter in der anschließenden Pressekonferenz. Und Torschütze Glatzel ergänzte: „Wir müssen solche Anfangsphasen abstellen, sonst wird uns das irgendwann mal um die Ohren fliegen.“
Doch das Blatt wendete sich mit zunehmende Spieldauer und so war es Glatzel selbst, der den Kielern zeigte, wie man konsequent mit seinen Chancen umzugehen hat. Nach einer mustergültigen Flanke von Jean-Luc Dompe nickte der Torjäger vom Dienst in der 38. Minute zur Führung ein. Es war Glatzels 32. Tor im 50. Spiel für den HSV. Damit vergoldete auch er sich das Jubiläum, das nach einer Leistungssteigerung in Durchgang zwei und den weiteren Treffern von Moritz Heyer (69.) und Ludovit Reis (85.) auf eine souveräne Vorstellung zusteuerte. Doch dass man in der 2. Liga nichts geschenkt bekommt, wenn man nur einen Deut nachlässt, oder eine unglückliche Szene das Pendel umschlagen lässt, erlebten die Rothosen-Profis in der Nachspielzeit.

1. Punktspielsieg seit 60 Jahren
Als eigentlich alle nur noch dem Abpfiff entgegenfieberten, traf Heyer zum zweiten Mal an diesem Abend (90.+2). Nur diesmal mit einer verunglückten Abwehr leider ins eigene Netz. Und so witterten die nimmermüden Störche ihre Chance und trafen durch den eingewechselten Finn Bartels nur eine Zeigerumdrehung später sogar zum Anschlusstreffer (90.+3). Die letzten Sekunden wurden damit zur Zitterpartie, was Sebastian Schonlau im Nachgang maßlos ärgerte. „Was am Ende des Spiels geschehen ist, war viel zu wild und darf so nicht sein“, sagte der Kapitän.
Und so endete der erste Erfolg bei Holstein Kiel in der 2. Liga und der erste Liga-Sieg seit 60 Jahren, wie der letzte in der Oberliga Nord am 24.11.1962 ausging- mit 3:2. Für das Trainerteam vielleicht sogar ein gutes Storyboard, denn: Die drei Punkte können dem HSV nicht mehr genommen werden, doch es gibt genug Ansatzpunkte, Dinge besser zu machen und damit am Ende auch möglichst weitere Geschichten zu starten. Geschichte, die nur der Fußball schreibt.